Durch die Wüste - Sahara 2003

Reisezeit: Januar - März 2003  |  von Angelika Gutsche

Durch Algeriens Süden

Die Einreiseformalitäten nach Algerien sind problemlos. In der offiziellen Geldwechselstube wird uns angeboten, die Hälfe des Geldes schwarz zu tauschen. Der Kurs ist günstig. Kurz nach der Grenze schlagen wir abseits der Teerstraße das erste richtige Wüstenlager auf. Nachts sinken die Temperaturen auf Null Grad.

Beim Frühstück bekommen wir Besuch. Neben unseren Zelten hält ein klappriger Pkw, dem drei algerischer Händler entsteigen, die uns alles abkaufen möchten, was man im Leben halt so braucht, vom Kofferradio über Schuhe bis zu Klamotten. Das benötigen wir leider alles selber noch, unsere Reise fängt ja gerade erst an. Die Männer sind dann aber schon zufrieden, als wir noch einige algerische Dinar bei ihnen wechseln.

Auf der Teerstraße fahren wir weiter in südöstlicher Richtung. Es gibt kaum Verkehr, ab und an kommen uns Pferdefuhrwerke und Eselskarren entgegen. Die Wüstenlandschaft wird unterbrochen von kleinen Orten mit Märkten, Läden, Moscheen. Die Menschen, meist Berber mit markanten Gesichtern und wachen Augen, vor der Kälte durch braune, grobwollene Kapuzenkutten geschützt, gehen ihren Geschäften nach. In Cherguia decken wir uns mit frischem Baguette und Erdnüssen ein. Wir machen unsere Tanks voll mit algerischem Billigdiesel, den Liter zu umgerechnet fünfzehn Cent.

Überall im Wüstensand sind Trichteroasen angelegt. So kann das Grundwasser die Palmen bewässern. Bei einem Halt finden wir wunderschöne Sandrosen, die auch von den Einheimischen neben der Straße auf Holzgestellen zum Verkauf angeboten werden.

Über die quirligen Städte El Qued, Touggourt und Hassi-Messaud erreichen wir das Gassi Tuil, einen vom Wind erschaffenen Dünendurchgang. Hohe Sanddünen türmen sich beidseitig der Straße. Die Teerstraße, neben der auch Ölpipelines verlaufen, ist in einem ziemlich schlechten Zustand. Es gibt hier in diesem wegen des Erdöls sicherheitssensiblen Gebiet viel Militär und immer wieder Straßenkontrollen. Einmal werden wir von einem Pkw angehalten und informiert, dass wir einen Kontrollpunkt überfahren hätten und zurück sollten. Wir hatten das Winken des Soldaten fälschlich als Durchwinken interpretiert. Wir kehren um und erhalten am Kontrollpunkt ein "Laissez-passé" für dieses Gebiet.

Die Dünenlandschaft des Erg Oriental wird immer grandioser. Jenseits der Straße finden wir die schönsten Dünenplätze für unsere Nachtlager. Wir genießen die Wärme des Lagerfeuers. Abendliche Meditationen, bei denen die eigene Bedeutung auf die eines Sandkorns im All schrumpft, bewirken ein angenehm leichtes Gefühl der Nichtigkeit.

Auf der immer schlechter werdenden Straße begegnen uns jetzt häufig riesige Kenwood-Trucks, die Häuser quergeladen haben. Diese Fertighäuser werden von einem Ölcamp zum nächsten verlegtWir müssen in den Sand ausweichen. Da passiert es. Tscharlie übersieht ein Loch und der Auspuff des Blauen ist ab. Wir brauchen mal wieder eine Autowerkstatt. Hassi Bel Guebor heißt der nächste Ort. Er besteht aus drei Häusern und einer nicht funktionierenden Tankstelle. Also weiter.

Ein Kenwood-Truck transportiert die Fertighäuser der Ölcamps

Ein Kenwood-Truck transportiert die Fertighäuser der Ölcamps

Erst am nächsten Tag, meinem Geburtstag, werden wir bei Ohanet an ein Camp der algerischen Erdgasgesellschaft verwiesen. Die Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft der Mitarbeiter des Camps beschämen uns. Im nu nehmen sich fünf Arbeiter des Auspuffs unseres Blauen an. Es wird gehämmert und gebohrt und geschweißt. Nach zwei Stunden harter Arbeit ist alles repariert und der Auspuff besser als neu. Es gelingt uns nicht, die Arbeiter für ihre Leistung zu entlohnen, mit Müh und Not lassen Sie sich aus Deutschland mitgebrachte Süßigkeiten aufdrängen. Da gerade Essenszeit ist, werden wir auch noch zu einem kostenlosen Mittagessen eingeladen. Wie staunen wir, als wir in den Container-Speisesaal geführt werden und dort weißgedeckte Tische und livrierte Kellner vorfinden. Das Essen ist gut, zu Gulasch mit Nudeln gibt es gemischten Salat, als Dessert frisches Obst.

Man erzählt uns, dass von Ohanet aus eine tausendvierhundert Kilometer lange Pipeline, die in sechshundert Meter Tiefe durch das Mittelmeer verlegt ist, direkt nach Italien führt und von dort das Erdgas weiter bis nach Deutschland geleitet wird. Immerhin ist Algerien der drittgrößte Erdgasexporteur der Welt. Für die Weiterfahrt steckt man uns Orangen zu und winkend werden wir wie alte Freunde verabschiedet.

Hier wird unser Auspuff repariert

Hier wird unser Auspuff repariert

Nachmittags erreichen wir, nachdem wir noch einen gewaltigen Felsabbruch bewältigt haben, In Armenas. Wir fahren weiter bis zum Einbruch der Dunkelheit. Die Nächte sind immer noch kalt. Wir backen im Feuer Kartoffeln, würzen sie mit Olivenöl und Zitrone, trinken Rotwein und erzählen Geschichten. Manches humorvolle Erlebnis aus Kindheit und Jugend findet so wieder seinen Weg in die Erinnerung.

Die Durchquerung des Erg Bourarhet, der aus wunderschön rötlich gefärbten Dünen besteht, wird durch Sandverwehungen, die Teile der Fahrbahn versperren, erschwert. Endlich erreichen wir den Torbogen, der die Einfahrt in das Städtchen Ilizi markiert. Berühmtheit erlangte Ilizi während der Geiselnahme von einundzwanzig Touristen, die von hier aus den Weg zur Gräberpiste nahmen, die ihnen zum Verhängnis wurde. Für uns bedeutet Ilizi: billigen Diesel tanken, leckeres Hühnchen zu Mittag essen, frisches Obst und Gemüse einkaufen und in der köstlichsten Patisserie des ganzen Maghreb knusprige Croissants und feinsten Käsekuchen erstehen.

Die ersten Kamele

Die ersten Kamele

Hühnchen in Illizi

Hühnchen in Illizi

Nach Ilizi beginnt das Plateau Fadnoun. Soweit das Auge reicht erstreckt sich bis auf sechszehnhundert Meter Höhe eine felsschottrige Mondlandschaft. Auch hier muss es vor nicht allzu langer Zeit geregnet haben, denn nicht nur, dass die Wüste lebt, sie blüht sogar. Überall zwängen sich hübsche rote Blümchen, von frischem Grün umrandet, durch das Geröll. Grünen Bändern gleich schlängeln sich die sonst völlig ausgetrockneten Wadis durch die Steinwüste. Grün ist die Farbe des Islam. Das versteht, wer erlebt, wie sich hier inmitten all der lebensfeindlichen Braun-, Gelb- und Schwarztöne das Auge am satten Grün ergötzt

Die Hamada blüht!

Die Hamada blüht!

Hamada

Hamada

Schon ziemlich spät schlagen wir unser Nachtlager in einer vom Straßenbau aufgeschütteten Kiesgrube auf. Aus Sicherheitsgründen machen wir nur ein kleines Kerzchen an. Obwohl die Nacht überraschend mild und windstill war, berichten wir am nächsten Morgen übereinstimmend von bizarren Alpträumen, abgelöst von Phasen der Schlaflosigkeit, in denen uns Wahrnehmungen von flackernden Lichtern und undefinierbaren Geräuschen quälten. Auf dem morgendlichen Toilettengang entdecke ich, dass sich die Kiesgrube inmitten eines Gräberfeldes befindet. Wir haben zwischen den vorislamischen Rundgräbern übernachtet. Haben wir die hier Begrabenen in ihrer Totenruhe gestört?

Prähistorisches Grab

Prähistorisches Grab

© Angelika Gutsche, 2004
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Reisebericht Sahara: Tunesien - Algerien - Niger - Algerien - Tunesien
Details:
Aufbruch: 12.01.2003
Dauer: 8 Wochen
Heimkehr: 05.03.2003
Reiseziele: Tunesien
Algerien
Niger
Der Autor
 
Angelika Gutsche berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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