Mit dem VW-Bus durch Marokko

Reisezeit: Dezember 2008 - Januar 2009  |  von Angelika Gutsche

In den Anti-Atlas

Das war jetzt ein bisschen touristischer Luxus. Es wird Zeit, wieder auf Tour zu gehen! Wir wollen über Mesti, Gouelmim und Ifrane in den Anti-Atlas, nach Tafraoute. Von der Küste führt die Straße hinein in die Berge. In der kargen Landschaft tauchen die ersten struppigen Argane-Bäume auf. Sie haben kleine, runde Früchte, aus denen das wunderbar nussig schmeckende und sehr gesunde Argane-Öl gewonnen wird, das sowohl in der Küche als auch in der Kosmetik Verwendung findet. In Mesti suchen wir die Fraueninitiative Tafyoucht Cooperative Feminine Dargane auf, um uns mit Öl - der Halbliter kostet 17 € - zu versorgen. Die Frauen sitzen angelehnt an den Wänden eines großen, rechteckigen Raumes und schlagen die Arganekerne auf. Ich darf mich auch dazusetzen und ein paar Kerne aufschlagen. Für mich ist das natürlich lustig, aber den hohen feministischen Anspruch, den diese Arbeit haben soll, kann ich nicht erkennen; mir sieht das eher nach billiger Frauenarbeit aus. Nun ja, wahrscheinlich Ansichtssache.

Argane-Baum: Ziegen finden die bitteren Argane-Früchte äußerst schmackhaft

Argane-Baum: Ziegen finden die bitteren Argane-Früchte äußerst schmackhaft

Nachdem wir das in 1650 m Höhe liegende, sehr modern anmutende Ifrane mit dem Sommerschloss des Königs und einer zerfallenen Kasbah hinter uns gelassen haben, suchen wir einen Lagerplatz für die Nacht. Dies gestaltet sich in der Felsenlandschaft nicht so einfach und zu guter Letzt fahren wir einen Bergweg hoch, der zu einer - wie es aussieht - Grabstelle führt. Etwas davon entfernt stellen wir den Bus zwischen kantigen Steinen ab. Es weht ein eiskalter Wind, der einen Aufenthalt außerhalb des Busses unmöglich macht. Nur Wolfi findet es hier super: er schleppt triumphierend ein Gehörn an, das unbedingt mit muss.

Ifrane: Ortseinfahrt

Ifrane: Ortseinfahrt

Am nächsten Tag erreichen wir gegen Mittag die Dattelpalmen-Oase Tafraoute. Der Weg hierher führte durch pittoreske Granitformationen, auf denen oft rot getünchte Häuser thronen. Sehr hübsch anzusehen. Im Ort fallen wir gleich in das erstbeste Restaurant ein und bestellen Kuskus. So gestärkt machen wir uns auf den Weg Richtung Süden, um nach circa zwei Kilometern beim Dorf Agard Oudad - mit hübschen, ornamentverzierten, rosafarbenen Häusern - die Felsformation Chapeau Napoleon zu bestaunen, die - wie der Name schon sagt - die Form des berühmten Napoleonhuts hat.

Bei Tafraoute

Bei Tafraoute

Nach weiteren vier Kilometern in südlicher Richtung führt eine kleine Straße zu den Les Peintures. Bis zu dreißig Meter hohe Granitfelsen wurden hier von dem belgischen Maler Jean Vérame mit blauer, roter, schwarzer und violetter Farbe bemalt. Ehrlich gesagt fand ich diese Idee, als ich zum ersten Mal davon las, ziemlich doof. Doch als wir der in ein mildes Abendlicht getauchten Felsen ansichtig werden, die diese Landschaft im wahrsten Sinne des Wortes malerisch verzaubern, bin ich davon ausgesprochen beeindruckt und so beschließen wir spontan, die Nacht über hier zu bleiben. Bei einem ausgedehnten Abendspaziergang treffen wir auf Angie und Kurt aus Friedberg (Hessen), die mit ihrem Camper unterwegs sind und dieselbe Idee wie wir hatten.

Bei Agard Oudad: Les Peintures (Jean Vérame)

Bei Agard Oudad: Les Peintures (Jean Vérame)

Am nächsten Morgen nehmen wir einen anderen Weg zurück ins Dorf Agard Oudad und landen prompt auf der Müllkippe. Mühsam wenden wir und suchen uns mit dem Bus einen Weg durch die engen Gässchen. Plötzlich durchzieht ein Graben die Straße: Rohre werden n verlegt. Als wir anhalten, füllen die Arbeiter den Graben in Reifenbreite mit Steinen auf und bedeuten uns, wir sollen darüber fahren. Hellmut übernimmt diese Millimeterarbeit. Geschafft - wir sind wieder unterwegs!

Haus in Agard Oudad

Haus in Agard Oudad

Doch wohin, ist uns jetzt nicht ganz klar. Die Karten sind veraltet und unser Reiseführer von 1994. Plötzlich sind wir schon in der Nähe von Tahwawat. Wir biegen auf eine neu gebaute, steile Passstraße ab, die noch nirgends verzeichnet ist und auf der es hinuntergeht nach Igounane. Diesem Ort wollten wir uns eigentlich von der anderen Seite nähern. Egal, dann fahren wir von hier aus weiter die Piste Richtung Icht. Jetzt rächt es sich, dass wir kein GPS dabei haben, denn wir finden den Einstieg in die Piste nicht. Als wir im Ort einen Polizisten nach dem Weg fragen, bedeutet uns dieser, dass wir Oued Asif Issi unmöglich mit unserem VW-Bus befahren könnten.

Igounane: Auskunft einholen

Igounane: Auskunft einholen

Also fahren wir durch Igounane, dann weiter auf dem - bei Ait Bounough gewagt an der Schlucht gebauten - Sträßchen, das schon bald durch wild-romantische Palmerien zurück nach Agard Oudad führt. Und wer kommt uns entgegen? Angie und Kurt aus Friedberg! Als wir Kurt erzählen, dass wir mit unserem Auto nicht durch das Oued Asif Issi fahren könnten, erzählt Kurt, er hätte selbst lange Jahre einen VW-Bus gefahren und schließt: "Mit dem VW-Bus kommt man überall hin!" Da auch sie durch das Oued Asif Issi fahren, schließen wir uns den Beiden an.

Bei Agard Oudad: Palmerie

Bei Agard Oudad: Palmerie

Auch mit GPS ist der Einstieg nicht ganz einfach zu finden, doch endlich sind wir auf der Schotterpiste, die durch das Oued Asif Issi von Igounane nach Icht führt. Langsam quält sich unser Bus über die Steinpiste. Er ruckelt und zuckelt tapfer über Felsbrocken, quert tiefe Furchen, bewältigt ohne Probleme auch Sandpassagen. Wir sind von unserem Fahrzeug begeistert!

Im Oued Asif Issi

Im Oued Asif Issi

Schon nach neun Kilometern erreichen wir die gut erhaltenen prähistorischen Felszeichnungen von Ukas, die sich linkerhand in den Felsüberhängen finden. Rinder, Gazellen, Elefanten und sogar ein Panther wurden hier in den Fels geritzt.

Felszeichnungen von Ukas

Felszeichnungen von Ukas

Wir folgen dem Fußweg ein kleines Stück in ein Nebental und gelangen zu einem Wasserfall. Wolfi trinkt aus den Becken, während wir seitlich des Wasserfalls zu den sich oberhalb befindlichen Kaskaden hochklettern. Die Felsen haben die wunderbarsten Farbschattierungen, von rot über violett zu blau. Auf dem Rückweg entdecken wir die Markierungen eines kleinen Friedhofs. Da es schon spät ist, beschließen wir, hier zwischen Argane-Bäumen unser Nachtlager aufzuschlagen. Kurt hat Holz dabei und so sitzen wir schon bald um ein wärmendes Lagerfeuer - ähnlich werden hier wohl auch schon unsere prähistorischen Vorfahren ihre Abende verbracht haben, allerdings ohne die köstlichen, selbst gebackenen Weihnachtsplätzchen von Angie.

Oued Asif Issi: Wasserfall

Oued Asif Issi: Wasserfall

Der nächste Morgen bringt schon bald die erste Begegnung mit einer mehrköpfigen Berberfamilie. Die junge Frau lässt mich einen Blick in das Nomadenzelt werfen. Es sitzen zwei ältere Frauen darin, die sich unterhalten. Freundlich werde ich willkommen geheißen. Keine Frage, dass wir fürs Fotografieren kleine Gastgeschenke überreichen. Sehr beliebt: Dirham, Zigaretten, Feuerzeuge und Schokolade.

Oued Asif Issi: Berberfrau vor ihrem Zelt

Oued Asif Issi: Berberfrau vor ihrem Zelt

Nur wenig weiter kommt uns ein junger Berber mit seiner Kamelherde entgegen. Auch er freut sich sehr, hier Touristen zu treffen und ist bemüht, seine Tiere in eine gute Foto-Position zu bringen.

Oued Asif Issi. Berber mit Kamelherde

Oued Asif Issi. Berber mit Kamelherde

Nachdem Kurt einen Reifen wechseln musste, machen wir einen Abstecher in die Oase Esmougi. Wir parken außerhalb und machen uns zu Fuß durch die Palmerie auf den Weg ins Dorf. Dort begrüßt uns ein junger Mann und fragt, ob wir ihm einen deutschen Brief übersetzen könnten. Na klar können wir das. Höchst erfreut stürzt er davon, um mir gleich darauf einige Blätter Papier in die Hand zu drücken. Was ist denn das? Ein deutscher Rentenbescheid! Incroyable! Es stellt sich heraus, dass es um die Witwenrente der Mutter geht. Sein Vater war vor kurzem verstorben, hatte aber lange in Frankreich und auch einige Zeit in Deutschland gearbeitet. Sehr dankbar für die Übersetzung zeigt uns der junge Mann sein Dorf. Wir dürfen die Koranschule besuchen, sehr zum Spaß der lieben Kleinen, die gerade Unterricht haben. Und sogar ein Blick in die Moschee wird uns gestattet, bevor man uns zurück zu unseren Autos begleitet, wo wir herzlich verabschiedet werden.

Esmougi: Koranschule

Esmougi: Koranschule

Nachmittags stoßen wir auf die Teerstraße, die weiter nach Icht führt. Dort trennen sich unsere Wege. Kurt und Angie wollen weiter in Richtung Osten, während wir über Foum-el Hasan und Assa in den Süden, nach Torkoz wollen. Es war eine wunderschöne Fahrt mit den Beiden!

Esmougi: Moschee

Esmougi: Moschee

© Angelika Gutsche, 2010
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Bei dieser Reise wollen wir entlang des Rif-Gebirges und des Atlas-Gebirges in den Süden Marokkos, dort die Landschaften rund um Tafraoute im Anti-Atlas besuchen, um anschließend durch das Oued Draa nach TanTan zu gelangen. Über Guelmim, dem Tor zur Sahara, und entlang der Atlantik-Küste - unter anderem mit Aufenthalt in Rabat - geht es zurück nach Ceuta.
Details:
Aufbruch: 04.12.2008
Dauer: 5 Wochen
Heimkehr: 10.01.2009
Reiseziele: Spanien
Marokko
Der Autor
 
Angelika Gutsche berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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