Marokko... Das erste Mal

Reisezeit: März 2015  |  von Holger Müller

Sonntag, 15. März, Marakesch

In der Nacht hat es geregnet, doch mit dem Tageslicht verziehen sich die Schlechtwetter-Wolken und die Sonne lacht, Es ist deutlich über 20 Grad.
Wir werden mit frischem Orangensaft, selbstgemachtem Joghurt und frischen Brötchen zum Frühstück verwöhnt, dazu gibt es Minztee. Frisch gestärkt starten wir unsere Erkundungstour.
Erste Station ist die Saadier – Gräber aus der gleichnamigen Dynastie im 16. Jahrhundert. Der Alaouiten-Sultan Moulay Ismail ließ später das Mausoleum zumauern. 1917 wurde es von den Franzosen wiederentdeckt und freigelegt. So früh am Vormittag herrscht noch eine gewisse Ruhe vor dem großen Besucheransturm. Für uns die Gelegenheit, die Handwerksarbeiten in den Grabräumen ungestört zu bewundern. Unglaublich, wie viel Arbeit in den detailreichen Verzierungen im Mauerwerk, an Säulen, Türen und Fenstern steckt. Obwohl die Gedenkstätte mitten in der lebhafte Medina liegt, herrscht hier eine fast andächtige Stille, lediglich begleitet vom Gezwitscher der Vögel, die in den vielen Löchern im Mauerwerk ihre Behausung gefunden haben. Ein schöner Ort. Als wir das Mausoleum verlassen, kommen ganze Busladungen mit Besuchern an und drängeln sich vor den Sehenswürdigkeiten. Puh, Glück gehabt!

Keine halbe Stunde danach stehen wir am Djemaa el Fna. Ich habe zu dem Platz zwei Übersetzungen gefunden: Einmal heißt es „Versammlung der Toten“, ein anderes Mal „Platz der Gehengten“. Als die Sultane zur Zeit der Almohaden (ca. 11. und 12. Jahrhundert) den Platz als Hinrichtungsstätte nutzten, stellten sie hier die aufgespießten Köpfe zu Schau. Daher die Bedeutung des Namens. Der Platz ist der zentrale Platz in Marrakesch. Er wurde im Jahr 2001 als erster Ort in die neu geschaffene UNESCO-Liste der Meisterwerke des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit aufgenommen und befindet sich seit 2008 auf der repräsentativen Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit.
Hier ist um diese Uhrzeit, ca. 11:00 Uhr, noch nicht viel los. Wir trinken einen frisch gepressten Orangensaft und ziehen weiter in die Soukhs. Ein Soukh ist ein Markt, ein kommerzielles Viertel. Der Unterschied zu Deutschland ist, dass diese Viertel i.d.R. nicht bewohnt sind. Und hier sind viele Soukhs grob nach Themen unterteilt. Es gibt Soukhs für Textilstoffe, für Leder, für Schuhe, für Gewürze, für Metall - und Holzverarbeitung... Da wir im Vorfeld zu der Reise an verschiedenen Stellen gelesen haben, dass sich selbst orientierungssichere Menschen in den Soukhs verlaufen, haben wir eine Strategie gewählt, die das ausschließt: Wir haben kein Ziel, lassen uns einfach treiben. Die Gassen sind total verwinkelt und teilweise so eng, dass gerade mal eben zwei Personen aneinander vorbei kommen. Hier sind viele Menschen unterwegs und es gibt alles zu kaufen. Natürlich werden wir von jedem zweiten Händler angesprochen. Die meisten scheinen nett, lächeln uns an. Trotzdem ist es besser, die Freundlichkeit nicht zu erwidern, sonst haben sie uns am Haken und in ein Gespräch verwickelt. Darin sind sie unheimlich geschickt und wir haben Probleme, uns wieder raus zu winden. Am besten scheint uns, Augenkontakt zu vermeiden, nicht zu reagieren und einfach weiter zu gehen. Wir wollen heute nichts kaufen, wollen nur da sein, schauen, erleben, aufsaugen.

Was uns auffällt sind die vielen Gerüche: die Gewürz- und Essensstände, die mit den unglaublichsten Duftnoten locken, der Geruch von Leder, aber auch der Gestank von den Mulis und – wieder - den Mopedabgasen. Dann sind es frische Kräuter, Trockenfrüchte und Gemüse, die unsere Nasen verwöhnen. Dazu noch die Farbenvielfalt der Stoff- und Teppichhändler… Insgesamt ein Fest der Sinne, wir sind wie benommen!
Unser Spaziergang in der Abendsonne führte uns zur größten und ältesten Moschee der Stadt (12. Jahrhundert), der Koutoubia - Moschee. Auch hier sind wieder unfassbar viele Menschen unterwegs. Das Bauwerk und die Anlage sind beeindruckend, aber leider ist der Zutritt ins Innere für Nicht-Muslime verboten. Rund um die Moschee gibt es eine Grünanlage und einen großen Vorplatz. Neben dem Vorplatz, direkt seitlich der Moschee gibt es einen spärlich abgesperrten Bereich, wo nur noch die Reste eines weiteren Gebäudes stehen. Ein Wächter mit Trillerpfeife hat alle Hände voll zu tun um die Menschen davon abzuhalten auf den übrig gebliebenen Resten der Grundmauern rumzuturnen. Wunderbar die Reaktion eines Jugendlichen, der von dem Wächter zur Ordnung gepfiffen wird. Dieser geht daraufhin auf den Wächter zu, gibt ihm die Hand und verbeugt sich dabei tief vor seinem Gegenüber. Eine tolle Geste wie ich finde, drückt sie nach meiner Interpretation doch den Respekt vor dem Wächter aus, bzw. vor dem Mensch, der nur seinen Job macht. (Ist natürlich meine Sichtweise, vielleicht beutet die Geste auch was ganz anderes…)

Es wird dunkel, wir gehen rüber zum Djemaa el Fna, dem großen Platz. Tagsüber sind es hauptsächlich Touristen, jetzt sind in der Mehrzahl Einheimische zugegen. Und wieder: viele Menschen. Hier tummeln sich die Gaukler, Geschichtenerzähler, Schlangenbeschwörer. Lautstark preisen Verkäufer irgendwelche Wundermitteln an. Geschichtenerzähler haben ihr Publikum um sich versammelt und erzählen bei dem Schein der Fackeln ihre Sagen. Sogar Boxkämpfe werden veranstaltet. Viele Musiker bieten ihre Kunst dar; die Klänge sind für uns fremdartig, aber die Rhythmen haben was Antreibendes. Jeder versucht durch Lautstärke auf sich aufmerksam zu machen. Zusammengefasst ergibt sich ein heilloses Gewirr von Stimmen und Klangfetzen. Wir lassen uns treiben, laufen durch die Menschenmassen hindurch, schauen links und rechts und staunen.
Auf dem hinteren Teil des Platzes stehen die Garbunden. Sie werden jeden Abend kurzfristig auf- und in der Nacht wieder abgebaut. Wir haben Hunger und wollen etwas essen, laufen aber erst mal durch die Reihen um einen Überblick über die Angebote zu bekommen.
Damit die Gefahr einer möglichen „Unverträglichkeit“ der angebotenen Speisen gering bleibt, entscheiden wir uns für einen Stand, an dem viel los ist und an dem hauptsächlich Einheimische speisen: Suppe, Couscous mit Gemüse, Tagjine mit Lamm – alles lecker zubereitet und supergünstig. Und, um es vorweg zu nehmen, wir haben alles gut vertragen, keine Probleme. Abschließend gehen wir in eines der vielen Cafés auf die Dachterrasse und schauen uns den Djemaa el Fna nochmal von oben an. Der Platz ist wahrhaft ein Ereignis.

Mit einem Spaziergang zurück ins unser Riad endet unser zweiter Abend.

Djemaa el Fna - die Garbuden

Djemaa el Fna - die Garbuden

Abendessen auf dem Djemaa el Fna

Abendessen auf dem Djemaa el Fna

Soukh

Soukh

Kontubia Moschee

Kontubia Moschee

© Holger Müller, 2015
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Wir haben es im Vorfeld der Reise schon gewusst: Marokko kann man nicht in einer Woche erkunden und schon gar nicht verstehen. Trotzdem, was wir erlebt haben wollen wir berichten. Um anzuregen, um all diejenigen neugierig zu machen, die wie wir das Land bisher nicht auf dem Radar hatten.
Details:
Aufbruch: 14.03.2015
Dauer: 8 Tage
Heimkehr: 21.03.2015
Reiseziele: Marokko
Der Autor
 
Holger Müller berichtet seit 9 Jahren auf umdiewelt.