Madagaskar - Jenseits von Afrika

Reisezeit: Oktober 2008  |  von Sarah Paulus

Via Tsiribihina Fluss nach Belo

Tage 4 und 5
08./09.10.2008, Mittwoch-Donnerstag, 180km

Pünktlich um 08:00 Uhr stehen wir vereinbarungsgemäß bereit. Der Fahrer unserer Mitfahrzentrale ebenfalls. Nur der spanische Gönner himself scheint noch mit den weichen Daunen zu kuscheln. Irgendwann gegen 08:15 erscheint dann aber doch seine knackige Hose und geht frühstücken. Er müsse unbedingt noch essen. Wir Ungläubigen verstehen nicht, aber egal. Er ist die Brücke zu neuen Ufern und bleibt unser Held. Von der komischen Gestalt.

Gesagt, getan. Gegessen und gewartet. Sein Gepäck herangeschleppt. Eingestiegen. Verpflegung und Wasser für die Schiffsreise im Dörfchen eingekauft.

Shoppen

Shoppen

Und los. Die nun folgenden zwei wunderschönen Tage fasse ich am besten zusammen:

Der Jeep bringt uns über Stock und Stein in ca. einer Stunde nach Masekampy, einem wirklich kleinen Dorf mitten im Nichts am sandigen Flußufer. Dort befindet sich die Anlegestelle für die Touriboote, die gemeinsam mit uns den Trip gen Westen bestreiten wollen. Dorfkinder stillen ihren Durst mit Flußwasser und beäugen neugierig unsere Wasserflasche. Im Glauben, das saubere Getränk sei Ziel aller Blicke, überlassen wir ihnen unverzüglich die noch halbvolle Flasche. Jubelnd rennt die junge Generation ein paar Schritte weg, fummelt unentschlossen am Plastik herum und schüttet wenig später um so entschiedener den wertvollen Inhalt einfach weg. Äh? Dann wird klar: Die Flasche ist das eigentlich Interessante. Damit kann man etwas anfangen.

Über Stock und Stein

Über Stock und Stein

Die La Mission ist ein bunter, für westliche Augen etwas räudig wirkender Kahn. 12 Meter lang, mit Dach, Tisch und Sitzbank sowie einem kleinen Oberdeck. Manche Boote protzen mit schönen Sonnenliegen. Unser natürlich nicht. Dafür sind wir die einzigen Passagiere und fahren als erste los. Unser Guide heißt Jacques. Ihn mitgezählt, besteht unsere Entourage aus sieben Leuten: Zwei Köchinnen, ein Skipper, drei Bootsjungen und eben Jacques Daniels. Unglaublich und manchmal ein wenig zu viel Aufmerksamkeit den sonderlichen Gästen gegenüber.

Françoise, die Köchin

Françoise, die Köchin

Jacques, der Daniels

Jacques, der Daniels

Ein wichtiger Hinweis für Reisewillige: Es gibt grundsätzlich zwei Bootstypen. Erstens die, nennen wir sie, schiffsähnlichen Kleinboote für Gruppen von bis zu 6 Personen. Zweitens die Piroguen für bis zu 4 Personen. Während man im ersten recht bequemlich, aber eher unsexy die sonnigen Tage übersteht, ist man im zweiten den ganzen Tag mehr oder minder verkrampft auf dem eigenen Rucksack liegend der brütenden Sonne ausgesetzt. Für kurze Strecken ist die Pirogue wunderschön. Aber die Flußtour wurde einigen damit wirklich zum Höllentrip. Der Rolfmann hat ein Pärchen aus Madrid kennengelernt, dessen Fernando einen Sonnenstich erlitten hat und an den drei darauffolgenden Tagen lebensunfähig dahinvegetierte. Gott sei Dank hat uns Uwe Deckers Reisebeschreibung davor bewahrt. Vielen Dank! Aber bitte, jeder soll selbst entscheiden.

Das Boot

Das Boot

Die Tage verbringen wir mit schauen, staunen, dösen und fotografieren. Landschaft und Lemuren, Schildkröten, Fledermäusen und Krokodilen. Nö, letztere leider nicht. War immer nur ein Stein, oder so. Unsere Begleittruppe ist jedes Mal ganz aus dem Häuschen, wenn möglicherweise eines dieser grünen Langmäuler gesichtet wurde. Dann wird das Boot hektisch in Position gebracht und wir müssen unbedingt mit offenem Mund in eine vordefinierte Richtung lechzen. Um alle sieben glücklich zu machen. Sieben auf einen Streich.

An dieser Stelle geht ein ganz großes Lob an die Tierwelt Madagaskars. Obwohl wir nicht unbedingt deshalb reisen, um Tiere in allen Lebenslagen zu bestaunen, hat uns beide die einzigartige Fauna wirklich beeindruckt. Ab und an wurde bewußt, daß es die eine oder andere Art nur hier und nirgends sonst gibt. Hier gibt es z.B. Zwergmausmakis, Fossas, Fingertiere und Riesenspringratten. Einfach endemisch. Das beeindruckt schon ganz mächtig, wenn man eines dieser putzigen Tierchen mal von ganz nah bewundern kann. Aber nicht nur die seltenen Tierarten sind es. Der Funke springt auf alles über. So, war Rolfi einen ganzen Tag überglücklich. Er hatte ein kleines Vögelchen am Fluß fotografiert. Den Kingfisher oder Martin Pêcheur, wie uns Tierkennerin und Chefköchin Françoise aufklärt.

Ein neugieriger Lemur

Ein neugieriger Lemur

Zwischendurch des öfteren ein Geräusch. Immer dann, wenn unsere Yacht auf Grund gelaufen ist. Alle Mann über Bord und schieben. Der Fluß ist zwar stellenweise bis zu 200m breit aber in dieser Jahreszeit eben auch extrem flach. So ist die lustige Bootsfahrt für den Skipper ein echter Streßtest. Er muß permanent auf der Hut sein und im Zickzack schippern, um die notwendige Handbreit Wasser unterm Kiel gewährleisten zu können.

Schiebung

Schiebung

Schon am ersten Abend genießen wir einen unvergeßlichen Höhepunkt der gesamten Reise: Douche Naturelle. Ein Wasserfall, der von allen Bootsjüngern zum Duschen genutzt wird. Ganz in der Nähe des Flußufers. Gegenüber dem Lagerplatz für diese Nacht. Nature at its best. Wer es nicht erlebt hat, ist ein armer Tropf. Wirklich.

Douche Naturelle

Douche Naturelle

Grundsätzlich wird die Nacht in Zelten am Ufer des Flusses verbracht. Die jeweiligen Bootscrews zünden Feuer an und kochen, was die Küche hergibt. Und wir werden die ganze Zeit ausgezeichnet bekocht. Wie immer die beiden Frauen das auch in ihrer abenteuerlich kleinen Kombüse bewerkstelligen. Mittags und abends warm! Reis oder Nudeln. Immer einen Salat und Fleisch. Und ja, auch Legumes. Klar doch. Sowie Obst zum Nachtisch. Gegessen wird nach Rangordnung. Zuerst die zahlenden Gäste mit Jacques und Françoise. Letztere nimmt dabei ein anderes Essen für sich in Anspruch. Mehr Reis, weniger Fleisch und Gemüse. Dann folgen der Skipper mit Zweitköchin. Wohl seine Frau. Von allen Madame Comédie genannt, weil sie unaufhörlich plappert und rumkichert. Zu guter Letzt die Bootsjungen. Für uns ist dieses Reihenfolgeessen befremdlich und wir versuchen auch, zu hinterfragen. Aber die Dinge sind manchmal wie sie sind. Dann wird verdaut und bei THB in den Himmel geträumt. Die Sterne funkeln verführerisch. Ein Stern, der meinen Namen trägt...

Nur der Mond schaut zu

Nur der Mond schaut zu

Wer auf der Insel geboren ist, wäscht sich im Fluß. Touris mit Traute tun dies auch. Wir haben jede Menge davon. Ja, angeben sei mal bitte erlaubt. Was soll denn die ganze Angst von wegen der Keime und Bakterien. Während der gesamten Fahrt wird z.B. unser Geschirr im Fluß gewaschen. Das Wasser für Tee und Kaffee stammt mit Sicherheit auch aus dieser Quelle. Das Dorfleben aller Menschen am Fluß ist auf dieses Wasser ausgerichtet. Also was soll's. Geschadet hat es nicht. Wir waren aber auch die einzigen Angeber aus fernen Landen.

Morgenwäsche

Morgenwäsche

Erstaunlich, aber wir treffen unterwegs immer mal wieder alte Bekannte. Der Weißspaniel ist sowieso schon Meilen im voraus zu erkennen. Dann ein Pärchen aus Frankreich, das wir kurz in Miandrivazo gesehen hatten und an anderer Stelle wiedertreffen sollten. Sowie ein Dreier aus zwei verlebten Franzosen und einer Frau. Die Legionäre oder Les Legumiers, wie Rolf das halt so übersetzt.

© Sarah Paulus, 2009
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Die Reise
 
Worum geht's?:
20 Tage auf der viertgrößten Insel der Welt.
Details:
Aufbruch: 04.10.2008
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 24.10.2008
Reiseziele: Madagaskar
Der Autor
 
Sarah Paulus berichtet seit 16 Jahren auf umdiewelt.