Wüstentour - Namibia mit Muskelkraft auf zwei Rädern

Reisezeit: Juni / Juli 2016  |  von Jörn Tietje

Weites Land

Ich habe es ja so gewollt, und deswegen gibt es auch nichts zu meckern. Von Windhoek will ich erst einmal in Richtung Süden zum Fishriver Canyon. Aber doch nicht auf der Hauptstraße. Viel zu viel Verkehr. Also nehme ich eine Nebenstrecke, die weiter im Osten liegt. Hat ja auch den Vorteil, das Land ein bisschen kennen zu lernen. Über die Berge aus dem Talkessel von Windhoek raus in Richtung Flughafen und nach 30km rechts abbiegen - alles noch auf tadellosem Asphalt und den Verkehr bin ich jetzt los. Das erste Wild zeigt sich auch schon - allerdings erst einmal nur auf den Warnschildern neben der Straße.

Mit ihren riesigen Hauern sehen sie wirklich furchteinflößend aus - aber vor einem harmlosen Radfahrer rennen sie mit hoch aufgerichtetem Schwanz so schnell es geht weg

Mit ihren riesigen Hauern sehen sie wirklich furchteinflößend aus - aber vor einem harmlosen Radfahrer rennen sie mit hoch aufgerichtetem Schwanz so schnell es geht weg

Die Landschaft bleibt erst einmal hügelig und dichtes Gebüsch gibt den Tieren gute Gelegenheit, sich vor mir zu verstecken. Die einzigen, die sich neben den Perlhühnerschwärmen reichlich an der Straße zeigen, sind die Paviane, die aber auch sofort Reißaus nehmen, sobald ich mich nähere. Aber wehe, ich trenne die Gruppe, dann ist das Geschrei groß und der Clanchef zeigt schon mal sein mächtiges Gebiss.

Nach knapp 100km endet der Asphalt in einem kleinen Dorf. Armselige Tristesse. An der Tankstelle will ich noch meine Vorräte auffüllen und stelle den ersten Platten fest. Na toll! Reifen unter den Augen zahlreicher neugieriger Augen flicken. Wie ich das liebe. Dafür werde ich von einem Mann etwa meines Alters in lupenreinem, akzentfreiem Deutsch angesprochen. Seine Familie lebt in der fünften Generation in Namibia und ihm und seiner Familie gehört nicht nur die Tankstelle, sondern auch drei Farmen in der Umgebung von insgesamt 21.000ha Größe. Und ca. eine halbe Stunde später habe ich ein Zimmer auf der Farm bezogen und sitze auf der Veranda des großzügigen Anwesens. René Krafft - der Besitzer - fliegt erst einmal eine Runde mit seinem Ultraleichtflieger, um nach Wilderern an den Grenzen der Farm Ausschau zu halten, denn diese Farm lebt in erster Linie von Jagdgästen aus aller Welt. Der Unterschied zwischen dem Leben auf der Farm und dem der Schwarzen im Dorf ist gigantisch! Beim gemeinsamen Abendessen und Frühstück entwickeln sich interessante Gespräche über alle möglichen Themen und es ist für mich erstaunlich, wie gut man hier am Ende der Welt über alle Themen informiert ist, die Deutschland betreffen. Mit dem ersten Tageslicht beginnt die Arbeit auf der Farm und nach dem Frühstück verabschiede ich mich und verlasse Ibenstein in Richtung Uhlenhorst.

Die Jagd ist nicht nur den zahlenden Gästen vorbehalten, sondern gehört ganz selbstverständlich zum Farmleben. In der Abenddämmerung schnappt sich der 12jährige Junior ein Gewehr und fährt mit einem der Geländewagen los "Schakale schießen". Beute: eine Art Rebhuhn, das sofort gerupft, ausgenommen und über einem kleine Lagerfeuer gegrillt wird

Die Jagd ist nicht nur den zahlenden Gästen vorbehalten, sondern gehört ganz selbstverständlich zum Farmleben. In der Abenddämmerung schnappt sich der 12jährige Junior ein Gewehr und fährt mit einem der Geländewagen los "Schakale schießen". Beute: eine Art Rebhuhn, das sofort gerupft, ausgenommen und über einem kleine Lagerfeuer gegrillt wird

Schotterpisten sind irgendwie überall auf der Welt gleich. Zustand mal so und mal so. Hier zum Glück (bis jetzt) überwiegend gut, nur machmal macht weicher Sand das Vorankommen schwer. Die Sonne scheint jeden Tag von einem gnadenlos blauen Himmel, aber die Temperaturen um 25 Grad sind ganz gut zu ertragen. Die Landschaft wird immer flacher und weiter und der Bewuchs immer niedriger und spärlicher. Ortschaften gibt es kaum noch, nur vereinzelte Farmen. Vielleicht 10 - 20 Autos begegne ich am Tag, was auch ganz gut so ist, denn sie brettern mit voller Geschindigkeit an mir vorbei und ziehen lange Staubfahnen hinter sich her. Etwa 100km komme ich am Tag voran, was angesichts der Größe des Landes nicht unbedingt viel ist - aber die sehr kurzen Tage und mein momentan nicht gerade optimaler Leistungsstand lassen nicht mehr zu.
Am Abend lande ich wieder auf einer Farm, die Jagdgäste aufnimmt. Und wie ungerecht die Welt doch ist, stelle ich fest, als ich den Erzählungen zweier Amerikaner, Vater und Sohn, die nur zur Jagd hergekommen sind, entnehme, dass sie in den wenigen Tagen, die sie hier sind wahrscheinlich mehr Tiere geschossen als ich gesehen habe. Die Tiere sind auch irgendwie blöd. Warum rennen sie denn ausgerechnet vor mir weg. So bleibt es bisher bei, Keilern, zwei Antilopen, einer Gruppe Strauße und den Pavianen. Naja, sind ja noch ein paar Tage übrig...

Ich vergaß: Es gibt hier eine unglaublich reiche Vogelwelt. Und: Singlehaushalte sind out - riesige Mehrfamiliennester liegen voll im Trend. wahrscheinlich hunderte spatzengroßer Vögel bewohnen diese gigantischen Bauten, die schon mal dicke Äste abbrechen lassen. Ach ja - die Landschaft sieht in alle Richtungen in etwa gleich aus und ein Ende ist nicht abzusehen...

Ich vergaß: Es gibt hier eine unglaublich reiche Vogelwelt. Und: Singlehaushalte sind out - riesige Mehrfamiliennester liegen voll im Trend. wahrscheinlich hunderte spatzengroßer Vögel bewohnen diese gigantischen Bauten, die schon mal dicke Äste abbrechen lassen. Ach ja - die Landschaft sieht in alle Richtungen in etwa gleich aus und ein Ende ist nicht abzusehen...

Die ersten 300km liegen hinter mir, davon 200 auf Schotter, der er offenkundig in sich hat, denn schon dreimal musste ich flicken - bei EIGENTLICH unplattbaren Reifen! Wenn das so weitergeht, werden die Flicken knapp werden. Die nächste Tage werde ich weiter in Richtung Kalahari fahren, um kurz vor dem Grenzgebiet zu Botswana und Südafrika in Richtung Keetmannshoop abzubiegen. Weitere dreihundert Kilometer Savanne

© Jörn Tietje, 2016
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Auf allen Kontinenten bin ich bis mit meinem Rad schon unterwegs gewesen - bis auf Afrika. Das soll sich mit dieser Reise ändern! Die vielen Bilder von schier endlosen Sanddünen der Namibwüste unmittelbar am Atlantik, einer grandiosen Tierwelt und unvergleichlichen Farb- und Lichtstimmungen im Kopf will ich in sechs Wochen auf meinem Rad mit der Kamera in der Lenkertasche einem Realitätstest unterziehen - wie immer schwer bepackt und ohne konkreten Plan.
Details:
Aufbruch: 06.06.2016
Dauer: 6 Wochen
Heimkehr: 18.07.2016
Reiseziele: Namibia
Der Autor
 
Jörn Tietje berichtet seit 15 Jahren auf umdiewelt.
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