Test the West

Reisezeit: Dezember 2011 - Januar 2012  |  von Stefan O.

Nigeria Visum, die 2.

Mittwoch, 21.12.2011

Schon zum dritten Mal fahre ich nun zur nigerianischen Botschaft. Nachdem gestern ein flüchtiger Blick auf mein sündhaft teures Flugticket geworfen wurde, hieß es, ich solle heute gegen zehn Uhr hier aufkreuzen. Nun ist es genau zehn. Die werden hier langsam freundlich. Der Nigerianer in der grünen Uniform, nebenbei erfahre ich, dass er Francis heißt, begrüßt mich mit Handschlag und heißt mich willkommen. Da der Botschafter allerdings gerade nicht da ist, soll ich in zwei Stunden wieder kommen. Ich habe mich schon darauf eingestellt, dass ich beim Beantragen eines Visums für Nigeria starke Nerven brauche und weiß, dass auch andere Rucksacktouristen auf der ganzen Welt sehr wechselhaften Erfolg hatten, aber so langsam reißt mir der Geduldsfaden. Ich nehme mir ein Taxi zurück zur Auberge le Relaxe. Ich zahle 200 CFA in einem Sammeltaxi, der Typ auf der Hinfahrt wollte 1000 CFA, ich gab ihm die Hälfte. Es scheint eine gewisse Gesetzmäßigkeit zu geben. Zur Botschaft hin zahle ich immer mehr, als zurück. Und sie starten immer mit 1000 CFA. Eine dreiste Forderung, die sie auf anderen Strecken nicht stellen.

Um kurz vor zwölf komme ich wieder. Die Sache kommt ins Rollen, der Botschafter leider auch, das heißt, der schwarze Lexus in dem er sitzt, denn der ist gerade im Begriff, das Gelände wieder zu verlassen. Francis gelingt es, ihn noch aufzuhalten, fragt irgendwas und kommt dann zu mir zurück. Dann soll ich ein Formular zwei Mal ausfüllen und meinen Pass zusammen mit zwei Passbildern da lassen; warum nicht gleich so? Francis fragt, für wie lange ich das Visum beantragen will. Für einen Monat natürlich, schließlich weiß man ja nie. Er äußert Zweifel daran, dass sein Boss das genehmigen wird. Jetzt will er noch meine Telefonnummer, damit er mich anflashen kann, wenn das Visum fertig ist.

Inzwischen mit den örtlichen Gegebenheiten etwas vertrauter, laufe ich am Nachmittag von der Auberge le Relaxe aus in südliche Richtung durch ein Gebiet, dass als Château Un bekannt ist. Hier befinden sich viele Botschaften und die Residenzen der etwas wohlhabenderen Gesellschaft. Östlich davon, entlang der Avenue du Fleuve Niger gibt es einige Bars, Restaurants, einen kleinen Supermarkt sowie andere kleinere Shops in Bretterbuden. Man kann hier übrigens sehr stressfrei auch einige Souvenirs erstehen. Es gibt auch einen Nachtclub, das "Maestro", aber dazu später mehr. Obwohl es in dieser Gegend sehr gechillt, nicht ärmlich aber auch nicht spießig zugeht, verschweigt einem der Lonely Planet die sehr authentische Atmosphäre hier. In einem von einer freundlichen Senegalesin geführten Restaurant mit dem Namen L'Exotic gehe ich etwas essen. Hier probt gerade eine Liveband, sehr cool!

Niamey von der Schokoladenseite

Niamey von der Schokoladenseite

Über die Avenue Charles des Gaulle mache ich mich später auf den Weg zum Petit Marché und tauche ein in das Gewusel. Auf engen Pfaden, in denen nicht einmal zwei Personen berührungsfrei an einander vorbei kommen, navigiere ich mich durch das Angebot an Obst und Gemüse, abgehangenen Fleisch, lebenden Hühnern und ihren Erzeugnissen, sowie Textilien, Hygieneartikeln und Schmuck. Im europäischen Auge des Betrachters eher Bilder von Anarchie, erkennt man bei genauer Betrachtungsweise ein gewisses System: Wie im Supermarkt gibt es hier Abteilungen, in denen Erzeugnisse gleicher Art feilgeboten werden. Der Markt fußt so zusagen auf dem nackten Sahelsand. Seine angenehme Kühle verdankt er der Beschattung mit Segeln aus Stofffetzen und Tüchern, die jeder Händler über seinen Stand gespannt hat und die global betrachtet sozusagen das Dach des Marktes bilden. Einige Händler machen auf einem Teppich oder einer Bank hinter ihren Ständen Siesta und werden erst dann aktiviert, wenn es ihnen abverlangt wird.

Weiter marschiere ich auf der Rue du Président Heinrich Lübke in südliche Richtung. Richtig, unser Heinrich Lübke, der zweite Präsident der Bundesrepublik Deutschland. Warum er hier mit einer nicht unbedeutenden Hauptstraße geehrt wird, muss wohl mit seinem Engagement für die Entwicklungshilfe in Zentralafrika zusammen hängen. An der Rue du Sahel gibt es ein großes Schwimmbad, in dem ich mich noch kurz abkühlen will. Leider hat es aus mir nicht bekannten Gründen geschlossen, und so mache ich mich auf den Weg an die Bar des Grand Hôtels. Hier trifft man sich abends zur kollektiven Sonnenuntergangschau. Es ist tatsächlich beeindruckend und idyllisch, wie der feuerrote Ball hinter dem Niger verschwindet, auf dem die letzten Pirogen langsam heimfahren.

Sonnenuntergang hinter dem Niger

Sonnenuntergang hinter dem Niger

Irgendwann aber, als sich die feine Gesellschaft auf ihre Zimmer begibt, sitze ich schon in einem altersschwachen Toyota und fahre zurück in mein Ghetto.

© Stefan O., 2012
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Die Reise
 
Worum geht's?:
"Burkina Faso - Ist da irgendwas?", "Wo liegt Niamey?" und "Ist Lagos nicht die gefährlichste Stadt der Welt?" Diese und andere Fragen wurden mir gestellt, bevor ich los zog um nach Antworten zu suchen. Das Motto: "Travel and see"
Details:
Aufbruch: 13.12.2011
Dauer: 6 Wochen
Heimkehr: 20.01.2012
Reiseziele: Burkina Faso
Niger
Nigeria
Togo
Ghana
Der Autor
 
Stefan O. berichtet seit 15 Jahren auf umdiewelt.
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