Indien 2.0

Reisezeit: Februar / März 2017  |  von bernd scholz

Bundi 3.0

The return of chunga's revenge

Es fällt mir nicht leicht,nichts zu tun ohne das Gefühl zu haben,etwas zu verpassen,oder das sich ein wie auch immer bemerkbar machender Gewissensbiss oder ähnlich der Mücke lästiger Gedanke einschleicht. Eine westliche Zivilisationmarotte?
Wie auch immer.
Ich hab ja nunmal gestern abend nach 4 tagen Bananen und trocken Brot eine Mahlzeit zu abend gegessen und prompt die halbe Nacht auf dem Scheißhaus verbracht. Kleine Tiere,große Wirkung.
Seltsamerweise bin ich ansonsten körperlich soweit okay,auch ausgeruht...trotzdem hab ich wenig Lust auf wenig. Und fühle mich deplaziert. Ohne das es mich zu Tode betrübt. Einfach öööh. Ich könnte den Palast von Bundi besichtigen,kein Bock. Ich könnte die Hügel um das Städtchen erklimmen,kein Bock. Ich könnte zum Busbahnhof latschen,um mich zu vergewissern,wo er liegt und eine Fahrkarte für übermorgen erstehen,kein Bock. Ich könnte Yoga machen,unter ignorieren des Gegaffes ins nächste Dorf joggen,erst recht nicht. Ich warte einfach mal ab. Und versuche,das nicht faul,depressiv,verschwenderisch oder öde zu finden.
Nachdem ich früh um 7 hoch bin, mache ich mir einen meiner mitgeführten Q7,ein vietnamesischer Fertigkaffee,der mir seit Bereisen jenes interessanten Landes lieb geworden ist,und den ich glücklicherweise in einem Asia-shop unweit des Collosseum-Kinos in der Schönhauser Allee gefunden habe und seitdem dort kaufen fahre. Da bin ich treu,und mir auch. Ich tu es mit dem Rad.
Apropo Rad(und wenn mann so schön lalli ist,muß mann sich schonmal selbst aufbauen zb. mit dem Benennen seiner Stärken!). Kurz vor Abflug hatte ich noch 2 Bücher. Die mußten in die Bibliothek Pankow zurück. Hätte sie für 2€ auch in der Adalbert-Bibliothek abgeben können. Hab ich aber nicht. DAS ist eine meiner Stärken. Ich habe mich bei minus1 Grad auf den Drahtesel geschwungen,und die Teile dorthin gebracht und die 2 öcken gespart. Ich versprach mir,mir dafür irgendwo unterwegs bei Gelegenheit ein leckeres Kadahi Paneer zu genehmigen. Das kostet in etwa soviel. Ohne Batta-Naan. Das kost extra.

Zurück zum Q7. Den genehmigte ich mir also gegen 7,die möglichen Folgen(mehr Durchfall)ggf akzeptierend.
Scheiß auf den scheiß
Danach die große Leere. Oder Unentschlossenheit?
Mal nebenbei bemerkt,wer hier die große Reisereportage erwartet,ein knalla nach dem nächsten,wird enttäuscht werden. Hier is mehr der geschärfte und ungeschönte Blick ins Innere eines westlich geprägten Reisenden,nämlich in das Meine.Aber das könnt ich auch im Aufmacher publizieren,ne?
Ich bestell mir auf der Terrasse noch einen schwarzen Kaffee und nehme das mitgeführte Buch zur Hand. Fange an zu lesen. Die Sonne knallt schon früh bretthart,also vernünftigerweise nach einer halben stunde unter dem Baum. Bruce Chatwin's "Was mache ich hier". Wenn das mal nicht passend ist. Unterhaltsame essayistische Kurzgeschichten. Nett. Die zeit verrinnt. Mittags nicht müde. Ich pilgere zum Sanwarya Restaurant von Sunita,meine 1.Wahl am Ort für Tee und einfaches Essen. Vorher noch Bananen kaufen. Ich bitte sie,mir nur eine schale pure rice zu machen,without spice and anything. Nach 10 Minuten(sie nennt mich "Father",mein Gott Walter,"father"!)bringt sie mir eine große Schale gelben Reis. Ich habe Knast. Mega Knast. Ich koste,hammerscharf aber lecker. Mit Öl,Zwiebeln und Kartoffeln. Eigentlich schlecht für den ramponierten Darm. Aber nach dem 1. Löffel kann ich nicht mehr stoppen. Ich schaufele alles recht zügig hinein,nicht ohne Gewissen. Nix is leicht dieser Tage. Wer jetzt aber Mitleid oder verkappte Häme hat:lass stecken. I'm allright.
Ich vermittle ihr,morgen aber pur Reis,und sie hält mir einen großen Topf mit pur Reis unter die von der Sonne gerötete Nase. Ich nehme eine Portion für den Abend mit. Beides zusammen 40 Rupies. Bei den durch den Massentourismus explodierenden Preisen für uns Langnasen ein guter Preis.

Zurück im Hotelzimmer schreibe ich diesen Bericht. Aber ich bekomme eine whattsapp und nach dem Lesen ist der Bericht mal wieder disappariert. Ins Nirwana.
Ich geh in mein "Loch",ein 2.5x3m kleines kühles schmuckloses Zimmer,welches ich nun bewohne,weil ich das meinige räumen mußte(ich hatte ja ursprünglich heute nach Udaipur weiterreisen wollen,dies aber schon im Vorfeld gecancelt,weil ich chillen wollte,statt alle 2 tage einen reisetag)deshalb nur 3 Nächte reserviert. Auch diese Entscheidung kommt auf den inneren Prüfstand. At least everything doin' well.
Das Loch erinnert mich frappierend an mein Zimmer beim "Alten" in Tanger,1983, und das,und die Tatsache,das es hier sogar die belgische Anwältin ausgehalten hat,stimmen mich geradezu heiter.
Ich werde schläfrig,steck mir Stöpsel in die Salatblätter und knack tatsächlich ein. Erwache erfrischt eineinhalb Stunden später. Die Dusche hat nur sehr kaltes Wasser,aber ich kann eine Außendusche mit kochend heißem Wasser benutzen. Ich mische das Wasser im Eimer, wasche mich wie Mahatma Gandhi,und kippe mir den Eimer über den Kopf.Ich stehe in einer für westliche Verhältnisse inakzeptabelen Kombi aus Toilette&Dusche,wasche mich in einem Eimer. Wie alle hier.
Schon geil,sowas zu akzeptieren,und als Bereicherung zu empfinden. Nicht als Makel .
Jetzt bin ich ein anderer Mensch. Erfrischt,die Zweifel für's erste weggespühlt,beginne ich einen online-zank mit Sonja,die einfach nicht so macht,wie ich es erwartete. Anordnend erwartete. Ich werde der weiblichen Widerspenstigkeigkeit ,die jeder Mann in jedem Kulturkreis mehr oder weniger kennt demnächst ein eigenes Kapitel widmen. Denn es ist ein solches.
Doch zurück in mein Loch.
Morgen könnte ich das größere Zimmer zum Garten haben,für eine Nacht. Schaunmermal.
Ich gehe wider der Vernunft recht spät in's "Morgan's Place",und bestelle einen Americano. Super Atmosphäre,guter Kaffee,diskret-sympathischer nepalesischer Ober(50rp).
Er hat vor 5 Jahren beim großen Erdbeben alles verloren,eigener Laden,alles Investment. Wir sprechen über Kathmandu und Trekking in Sikkim. Er berät mich drucklos.
Ich sitze,nun dankbarer denn je,ordne Zank&Sorgen neu ein und genieße mein Hiersein.
Zurück in meinem Zimmerchen beschließt das Erstellen dieses Berichts den Tag. Es ist 00:28h

© bernd scholz, 2017
Du bist hier : Startseite Asien Indien Bundi 3.0
Die Reise
 
Worum geht's?:
Rajasthan&Kerala
Details:
Aufbruch: 11.02.2017
Dauer: 4 Wochen
Heimkehr: 11.03.2017
Reiseziele: Indien
Der Autor
 
bernd scholz berichtet seit 9 Jahren auf umdiewelt.
Bild des Autors