Syria - For Heaven's Sake

Reisezeit: Mai / Juni 2010  |  von Sarah Paulus

Von Aleppo nach Qala'at al-Hosn

Tag 9
30.05.2010, Sonntag, 170km

Heute geht es über Hama und Homs nach Qala'at al-Hosn (Krac des Chevaliers). Per Mietwagen mit Fahrer. Um es noch einmal deutlich zu sagen: Bitte nicht versuchen, einen Fahrer per Email vorzubuchen - das funktioniert einfach nicht. Lieber direkt vor Ort an der Rezeption anfragen.

So lernen wir Mohamed kennen. Mohamed ist schweigsam und unaufdringlich. Er hupt nicht und bringt uns komfortabel nach Sirdjilla, der wohl am besten erhaltenen toten Stadt aus dem 5. Jahrhundert. Ruinen auf roter Erde. Richtig schön. Weiter geht's.

Sirdjilla

Sirdjilla

Pferd

Pferd

Gegen Mittag erreichen wir Hama mit ihren riesigen Wasserrädern. Ungewohnt grün ist es hier. Die Stadt wäre einen Tagesaufenthalt wert. Wir aber wollen weiter nach al-Hosn Castle.

Hama

Hama

Musikant

Musikant

Spieler

Spieler

Gegen 15:00 Uhr erreichen wir unser Hotel al-Wadi, etwa 6km von der Burg entfernt. Von unserem Zimmer schaut man direkt auf die Burg. Für 86 EUR das Doppelzimmer ist es allerdings das teuerste und gleichzeitig blödeste Hotel unserer Reise im Burgimitat-Stil und sozialistischer Plastikprotzbaukunst. Perfekt für große Reisegruppen, die sich gegen Abend aus nochgrößeren Touribussen entleeren, an langen Tischreihen mit Mensaessen ruhig gestellt werden und um 22:00 Uhr in ihren Zimmern verschwinden. Kein Mensch nutzt den ekligen Pool auf den wir von unserer x-ten Etage herunterschauen.

Dann stehen wir unschlüssig in unserem Zimmer herum. Vom Fenster bis zum Bett sind es locker 10 Meter. Ein Badenachmittag am Pool? Irx. Rolf blickt durch das Fenster zur Burg. Ich ahne, was er denkt. 6km! Was ist das schon. Höchstens 'ne Stunde. Hauptsache weg von Disneyland. An der Rezeption fragen wir nach dem besten Fußweg zur Burg. Die Angestellten gucken uns verstört an. Das hätte noch keiner versucht. Man wisse es nicht.

Also die Straße entlang - den Daumen gereckt auf vorbei fahrende Autos hoffend. Rollos Blick gleitet in die Ferne, was nichts Gutes bedeutet. Nach einigen Metern gebietet er Halt. Hier sei ein Weg. Er könne ihn bis zur Burg verfolgen. Eine echte Abkürzung. Ein Kinderspiel. Ich maule aufrichtig. Weiter geht es auf der Straße entlang. Nach einigen weiteren Metern wiederholt Rolf seinen Vorschlag. Es ist zum verrückt werden. Wie immer. Wanderwege und Straßen seien etwas für alte Leute. Man müsse auch mal etwas anderes wagen. Laber. Quengel. Laber. So gehen wir auch dieses Mal den kürzeren Weg, die Klügere gibt nach.

'Hast Du auch die richtigen Schuhe an?' fragt Rolf mütterlich. Mich beschleicht ein komisches Gefühl. Und richtig, der Weg verschwindet und wir latschen über ein Feld. Die Burg fest im Blick. Dann ist auch das Feld zu Ende und vor uns breitet sich der städtische Müllplatz aus. In der Nachmittagssonne silbrig glitzernd versperrt uns dieser Limes den Weg. Umgehen? Ausgeschlossen, viel zu groß. Dann eben zurück, oder? Aber einer läuft weiter und weiter. In diesem Moment hasse ich ihn aufrichtig und stolpere wutendbrand hinterher.

Leider kann ich dabei nicht die Augen schließen. Zwischen allerlei Hausrat liegen auf einmal mächtige Knochen herum. Tierknochen? Ganz bestimmt. Hoffentlich. Und weitergestolpert. Über Knochen und Stein. Immer hinter Rolf hinterher. Möglichst schnell durchkommen lautet die Devise. Ich habe das Ziel aus den Augen verloren. Wo wollten wir hin?

Plötzlich stehen wir vor einem modrig stinkenden Bach mit einer wirklich großen Hecke und unzähligen Disteln am anderen Ufer. Ein undurchdringbarer biologischer Schutzwall. Dann eben zurück, oder? 'Dornröschen, hier lang!', werde ich eingewiesen. Ich hasse ihn. Ganz bestimmt. Schlangen, denke ich plötzlich und könnte heulen. Bloß keine Schlangen und streunenden Hunde. Hier ist keine Menschenseele, die einen retten könnte. Ein Weg, ein Königreich für einen richtigen Weg.

Wir kommen zu einer Bauruine. Die hätten wir vorhin von der Straße aus gesehen. Hier müsse irgendwo ein Weg langführen. Und wirklich. Da ist der Weg. Ein steiler Weg. Viel zu steil. Nach nur wenigen Metern schnauft mein roter Kopf wie eine Dampflock. Ich werde fotografiert und könnte ihn erneut umbringen.

Weg

Weg

So erreichen wir das Dorf, das sich direkt an den Krac des Chevaliers schmiegt. Wir treffen auf tobende Kinder. Sie haben diese altmodischen Katschis dabei. Auch das noch. Schreiend hüpfen sie um uns herum. 'Hello, hello. Where are you from?' Ich dampfwalze weiter. 'Water!', schreit ein Junge. Was will er nur? Wild gestikulierend zeigt er auf einen größeren Wassertrog mit echtem Wasserhahn. Ich halte meinen Kopf ins eiskalte Wasser. Unbeschreiblich. Motivation für den Rest des Weges.

Während Rolf später durch die Ruinen kriecht, schlürfe ich köstliche Ananasbrause im Burgrestaurant. Am Eingang macht eine Reisefirma Werbung: 'Rosetta reizen'. So genieße ich die Ruhe nach dem Sturm. Langsam geht es mir auch wieder besser und irgendwie schön war es ja doch...

Reizend

Reizend

Hinter der Burg sehen wir von der Straße aus eine unscheinbare Terrasse. Keine Gäste, nur Kinder spielen. Eine Frau kommt uns entgegen. 'Eat?' Sie nickt: 'Chicken, salad, hummus'. Na, das passt doch. 'Min fadlak wahed bira'.

Qala'at al-Hosn

Qala'at al-Hosn

© Sarah Paulus, 2010
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Reiche Historie, arme Diktatur, liebevolle Menschen und niedlicher Spätsowjetismus.
Details:
Aufbruch: 22.05.2010
Dauer: 11 Tage
Heimkehr: 01.06.2010
Reiseziele: Syrien
Der Autor
 
Sarah Paulus berichtet seit 16 Jahren auf umdiewelt.