Russland von Nord nach Süd mit Sotchi und der Krim

Reisezeit: Juni 2011  |  von Jens und Jessica Brinkbäumer

Weiter gen Süden

Da wir ja unseren Stellplatz heut morgen verlassen müssen und keine Lust haben nach passenden Alternativen vor Ort zu suchen, streichen wir Moskau von unserer Besichtigungsliste und machen uns auf den Weg weiter gen Süden. Ab auf den MKAD, dem Moskauer Autobahnring, der vermutlich aufgrund des Sonntag Morgens relativ leer und einfach zu fahren ist. Trotzdem ist die Anzahl der Spuren nicht immer zu erkennen und man sollte sich nicht von den waghalsigen Überholmanövern der Russen verunsichern lassen. Einfach schön mitschwimmen im Verkehrsfluss.

Wir nehmen die M5 und fahren Richtung Rjasan, ca. 200 km südöstlich von Moskau gelegen. Dies ist eine der Partnerstädte von Münster und somit wollen wir ihr mal einen Besuch abstatten. Für unser eigentliches Ziel, das schwarze Meer, liegt es zwar nicht direkt auf dem Weg, aber dafür nehmen wir den Umweg gern in Kauf. Die Strecke bis dahin ist gut ausgebaut, teilweise sogar schön zweispurig. Vor Ort angekommen stellen wir erst mal fest, dass die Stadt doch sehr groß ist und dass heute Sonntag ist merkt man definitiv nicht. Alles ist geöffnet und überall ist die Hölle los. Wir fahren bis zum Kreml und parken dort, damit Jessi sich die Anlage angucken kann. Zwar ist noch nicht alles restauriert, aber das was schon fertig ist sieht sehr schön aus. Zentraler Ort ist die Mariä-Himmelfahrts-Kathedrale, deren Ikonostase im Inneren wirklich beeindruckend hoch ist (laut Reiseführer sollen es 27 Meter sein). Ansonsten gibt es auf dem Geländer noch die ein oder andere kleinere Kirche zu besichtigen. Der Glockenturm wird leider gerade renoviert. Von oben soll man einen schönen Blick über die Stadt haben, aber das geht wohl im Moment nicht.

Insgesamt ist es uns hier irgendwie zu voll und zu groß um zu übernachten und so fahren wir weiter und versuchen schräg Richtung M4 zu fahren, unseres Landstraße zum Schwarzen Meer. Bis hinter Michailov ist unsere P132 wirklich gut zu fahren. Laut Straßenatlas gehört die Straße zu den "hard-covered main roads" und entspricht damit der siebtgrößten oder -kleinsten Straßenkategorie in unserem Straßenatlas. Die Skala reicht hier von "dual carriageway magistral roads" bis zur "seasonal road", wobei letztere unterhalb der "field-paths and wood-paths" angesiedelt ist.

In einem kleinen Ort namens Krestij, kurz vor Kurkino, irgendwo im nirgendwo, fahren wir Richtung Ptan und hier fangen dann so die Straßen an, die eigentlich nur noch aus Löchern bestehen. Außer uns ist natürlich auch niemand mehr unterwegs und nun kennt unser Navi auch die Straße nicht mehr. Aber das können wir ihm nicht übel nehmen, es funktioniert schon viel besser als wir vorher gedacht hätten. Glücklicherweise gibt es hier auch nur eine Straße, d.h. verfahren wird schwierig. Höchstens das Fahren an sich ist nicht so einfach und Jessi flucht ordentlich. Und es gibt doch andere Fahrzeuge, die befinden sich aber nicht auf unsere Löcherpiste sondern schön neben an auf dem Feld, wo man zwei schön Spurrinnen sieht. Scheint zumindest schneller auf dem Weg zu gehen, trotzdem keine wirklich erstrebenswerte Alternative. Nach 13 km Löchern sind wir in Ptan angekommen und haben die Wahl links oder rechts. Da unsere M4 laut Himmelsrichtung tendenziell eher links liegen sollte, nehmen wir den Weg. Hier landen wir allerdings nach wenigen Metern in einer Ansammlung von Landmaschinen und dem zugehörigen Bauernhof. Und natürlich zweigen hier diverse doppelte Spurrinnen in die umliegenden Felder. Jetzt sind wir wirklich irgendwo im nirgendwo. Die Rettung ist aber schnell in Sicht, ein Bauer mit Spitzhacke über der Schulter kommt uns entgegen. Jessi versucht sich irgendwie den Weg Richtung Efremov, dem nächst größeren Ort an der M4, erklären zu lassen und so wissen wir zumindest welchen Feldweg wir nehmen sollen und dass wir irgendwie irgendwann rechts müssen.

Kurz drauf kommt auch schon der vermeintliche Abzweig, Feldweg trennt sich von Feldweg und wir fahren rechts. Immerhin gibt's hier jetzt Fahrrinnen in beide Richtungen d.h. wir haben vier schwarzen Spuren vor uns, scheinbar sind wir schon im Gebiet der Schwarzerde angekommen. Da unsere Richtung schon recht abgefahren und wüst aussieht entscheiden wir uns für die Gegenrichtung. Wird schon keiner entgegen kommen bzw. zur Not weichen wir dann halt aus. Zwischen den Spurrinnen wächst übrigens auch Getreide, scheinbar wurde die "Straße" erst nach dem Aussähen angelegt. Oder aber der Wind, der hier wirklich kräftig pustet, hat die Samen verweht. Dank des Sonnenstands orientieren wir uns mal links mal rechts, irgendwo scheint es überall hinzugehen, aber außer uns ist keine Menschenseele zu sehen. Strommasten, die ja ansonsten ganz gerne auf menschliche Behausungen schließen lassen, übrigens auch nicht mehr.

Jetzt sind wir wohl wirklich irgendwo im nirgendwo. Wenn man den Motor ausmacht, hört man draußen nur den Wind durch die Bäume und über die Felder wehen, ansonsten nichts mehr. Sollten wir aus den Feldnirvana nicht wieder herausfinden, beschließen wir einfach an Ort und Stelle zu übernachten. Aber so weit kommt es dann doch nicht. Auf der schwarzen Erde fährt es sich übrigens ziemlich gut, deutlich besser als auf der vorherigen Schlaglochpiste. Also wenn Jessi in Zukunft die Wahl hat zwischen Lochfraßstraße und Feldweg, dann doch lieber den Feldweg. Nach bestimmt 20 Kilometern kommt uns dann doch mal ein Auto entgegen, inzwischen gibt es natürlich nur noch eine Fahrspur. Aber nein, es kommt uns nicht entgegen. Das Auto steht einfach da und bekommt einen Reifen gewechselt. Kann ja schon mal passieren. Und so ist ein Papa fleißig, während seine beiden Kinder uns mit großen Augen angucken. Jessi fragt auch hier noch mal nach dem Weg, aber anscheinend sind wir schon in richtiger Richtung unterwegs. Und so bedanken wir uns herzlich und umrunden den Defender einmal durchs Kornfeld.

Kurze Zeit später kommen wir dann tatsächlich in eine Häuseransammlung, so dass wir kurz drauf auch schon wieder auf einer Schotterpiste sind, diesmal aber weniger Löcher. Und kaum zu glauben, aber wahr, plötzlich fängt an einer Bushaltestelle niegelnagelneue Asphaltdecke an. Beeindruckend! Und die M4 ist auch nicht mehr weit. Mehr oder weniger kommen wir sogar genau dort drauf, wo wir geplant haben.

Wir folgen unserer nun bestens ausgebauten Landstraße bis nach Yeletz/Jelez und steuern dort das Hotel Yeletz/Jelez an (und damit sind wir jetzt dort angekommen, wo Jessi angefangen hat den Bericht zu schreiben, jetzt fehlt nur noch das WIFI zum hochladen). Dieses wird sowohl in unserem Reiseführer als auch in unserem Navi erwähnt und scheint das einzige vor Ort zu sein. Ausgeschildert ist's übrigens nicht, man muss wohl schon wissen, wie man hin kommt. Das Hotel liegt zwar schön zentral im Ort, aber dank des ausgeklügelten Einbahnstraßensystems der schachbrettartig angelegten Straßen bzw. dank der Einfahrt-verboten-Straßen ist es echt nicht einfach zu finden. Zu Fuß ist es unübersehbar, 9 Etagen und knall blau gestrichen.

An der Rezeption erfahren wir, dass das zugehörige Restaurant bis 1h auf hat und der nächste Schaschlik-Grill weit weg ist. Also drehen wir eine Runde mit Ceddy durch den Ort in der Hoffnung doch etwas anderes als das Hotel Restaurant zu fnden. Im Stadtpark ist gerade Open Air Disko und somit auf der Straße die Hölle los. Trotz unseres ungewöhnlichen Hundes sind wohl die kurzen Röcke und gefährlich hohen High Heels gerade die interessanteren Dinge zum Gucken. Wir laufen Richtung Fluss um allerdings festzustellen, dass es keine Uferpromenade oder ähnliches gibt, sondern nur ein ziemlich zu gewuchertes Ufer. Dank des bereits dort planschenden Schäferhunds muss Ceddy auf sein Abendbad verzichten und wir laufen unverrichteter Dinge wieder zurück in den Ort. Das einzig noch offene Geschäft scheint eine Videothek zu sein, nennt sich zumindest 5D. Die Pizzeria Milano hat soeben geschlossen, im Stadtpark ist immer noch die Hölle los, aber gibt nix zu essen und somit gehen wir doch zurück zum Hotel, bringen Ceddy nach oben und gehen ins angeschlossene Restaurant, welches aber nur durch einen Seitengang zu erreichen ist. Im Eingangsbereich ist alles in rot ausgestattet, der Boden, die Wände, sogar die Decke ist rot verkleidet. Wir betreten das Restaurant durch eine Tür und sind überrascht, dass auch hier lautstarke Disko-Musik läuft, allerdings auf der Tanzfläche sich gerade mal zwei Damen tummeln. Wir werden dezent in eine Ecke gesetzt, auf eine plüschige Sofaecke, natürlich auch in rot. Die Speisekarte gibt's nur auf Russisch, aber unser Kellner zeigt uns erfreut, dass es Bilder zu allen Gerichten gibt. Allerdings scheitern wir schon an der Bestellung eines Biers, denn hier gibt es als Spezialität nur deutsches Paulaner zu trinken. So ganz will unser Kellner nicht verstehen (oder wir können es nicht erklären), dass wir nicht in Russland sind um dann Paulaner zu trinken. Und so bestellen wir Wasser (was nie geliefert wird), irgendwas frisches (was sich als frisch gepresster Orangensaft entpuppt) und Wodka. Diesen bekommen wir in einer schicken Karaffe, allerdings nur 100 Gramm geliefert (lässt sich aber glücklicherweise nachfüllen). Während wir nun auf unser Essen warten, betrachten wir fasziniert das restliche Publikum und stellen fest dass der O-Saft wohl das typische Begleitgetränk zum Wodka ist. Werden wir uns merken. Und wir stellen fest, dass unser diesjähriger Urlaub hier doch noch mal ganz anders wird als vorher. Was im letzten Jahr noch einem Schnupperkurs zu Russland für Anfänger glich, wird jetzt doch eher etwas für Fortgeschrittene. Die Kommunikation mit unserem Kellner läuft mehr mit Händen und Füssen, aber das liegt eher an der lautstarken Musik hier drin als an den fehlenden Vokabeln. Wir fühlen uns auf jeden Fall hier echt wohl, das Essen war lecker (Hähnchen Schaschlik und leckerer Eintopf mit Schwein und Champignons) und mit gerade mal 1000 Rubel sind wir wirklich günstig zu einem Abendessen mit echt russischen Eindrücken gekommen. Auf dem Weg ins Zimmer sind wir überrascht aufgrund der Leere und Ruhe in der Straße, die Open Air Disko scheint noch vor Mitternacht zu Ende zu sein. Und so lassen wir uns glücklich und zufrieden ins Bett fallen!

Der Kreml von Rjasan

Der Kreml von Rjasan

Irgendwo im Nirgendwo

Irgendwo im Nirgendwo

Es gibt auch zweispurige Feldwege

Es gibt auch zweispurige Feldwege

Unser Hotel in Yeletz

Unser Hotel in Yeletz

Und hier unser Zimmer mit malerischer Blümchentapete

Und hier unser Zimmer mit malerischer Blümchentapete

Du bist hier : Startseite Asien Russland Weiter gen Süden
Die Reise
 
Worum geht's?:
Mit dem Wohnmobil starten wir erneut in Vyborg und werden uns dann zur Schwarzmeerküste durcharbeiten um uns den Olympiastandort 2014 anzusehen, bevor er touristisch komplett erschlossen. Dann gehts noch ein paar Tage auf die Krim. Zurück wird es durch die Ukraine und Polen gehen. Die Vorbereitungen starten jetzt ;-)
Details:
Aufbruch: 02.06.2011
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 25.06.2011
Reiseziele: Russland / Russische Föderation
Deutschland
Finnland
Ukraine
Moldau
Rumänien
Ungarn
Österreich
Der Autor