In Düsseldorf daheim, in der Welt zu Hause

Reisezeit: Oktober 2010 - Oktober 2011  |  von Marius Schebaum

Indonesien: Vom Backpacker zum Flashpacker

Pokemon-Weiterentwicklung zum Flashpacker!

"Sankt Petra, Sankt Petra...
Ritt geschwind,
durch Schnee und Wind,
fand den armen Mann,
der hatte nur noch Lumpen an..."
...Und hatte maechtig Mitleid mit ihm
und gab ihm heldenhaft die Haelfte seines Mantels oder so aehnlich...

Ihr wisst schon was ich meine, dieser total soziale Typ, der dem armen, verhunzten Bettler seinen Mantel gegeben hat und ihn damit gerettet hat. Jetzt muss man diese kleine Anekdote von damals ein bisschen aufpeppen, um sie den heutigen Zeiten anzupassen...
Heutzutage spielt sch das Ganze nicht vor den Stadttoren ab, sondern durch die fortgeschrittene Globalisierung und billge Fernfluege befinden wir uns mitten auf Bali und viele Menschen arbeiten mittlerweile, gepraegt durch japanische Zeichentrickserien mit Hilfsmitteln wie Pokebaellen, aber der Kern der Geschichte ist ungefaehr der Gleiche: Sozialarbeiterin Petra Schebaum liest dreckigen Backpacker auf der Strasse auf bzw. faengt ihn mit einem gezielten Wurf eines ihrer Pokebaelle aus ihrem Pokedex und freut sich erstmal, ein neues Pokemon gefangen zu haben, davon kann man schliesslich nie genug haben. Allerdings war dieses kleine "Backpacker-Pokemon" in einem erbaermlichen Zustand, denn es hatte seit Tagen nicht warm geduscht, extrem low-budget gelebt und war schon seit Monaten nicht mehr in klimatisierten Fahrzeugen gefahren, geschweige denn in sauberen Zimmern geschlafen. Nun hatte die Pokemon-Trainerin im Laufe der Jahre mit dem Aufpeppeln ihrer Pokemons soviel Geld verdient, dass sie sich einen gewissen Standard leisten konnte und sie war sich ziemlich sicher, dieses zerschundene Pokemon in einen vorzeigbaren Turnier-Zustand zu bekommen, vielleicht mit ein wenig zusaetzlicher Reiseerfahrung seine Weiterentwicklung zur naechsten Stufe, einem Flashpacker, hinzubekommen...

Und sie gab sich wirklich alle Muehe: Zunaechst buchte sie fuer sich und das kleine Backpacker-Pokemon ein luxurioeses Resort, bei dessen Anblick der Kleine erstaunt und ueberwaeltigt mit offenem Mund da stand! So saubere Betten, ein eigenes Badezimmer mit sauberen, weissen Handtuechern, bereit gestelltem Shampoo und sogar gesponserten Zahnbuersten! Und dann schlich das veraengstigte Pokemon auf leisen Sohlen zur Komode in dem geraeumigen, licht-durchfluteten Zimmer und beruehrte vorsichtig den DVD-Player (mit bereit liegenden DVDs) und den Fernseher, ueber den er angeblich frei verfuegen konnte!
Unvorbereitet sprang in einer Ecke des Zimmers eine Klimaanlage mit feinstem Lavendel-Aroma an und das zuvor an Luftfeuchtigkeit und klebrigen Schweiss-Film auf der Haut gewoehnte Rucksack-Pokemon schrack zusammen und verzog sich eingeschuechtert in eine Ecke des Zimmers.
Die erfahrene Trainerin Frau Schebaum vermutete, dass der abrupte Wechsel von schaebigen Hostels und asiatischen Scheiss-Loechern anstatt westlichen Toiletten vielleicht doch ein wenig zu schnell vollzogen worden war und dass man das verschreckte Pokemon langsamer in die zivilisierte westliche Touristen-Welt eines etwas gehobenen Flashpackers (wie sie selbst eine war mit ihren ueber 40 Jahren Reiseerfahrung) heranfuehren musste. Also vielleicht dem Pokemon zum Anfang ein ordentliches Resort-Menu und ein paar gepfelgte Bintang Hopfenschorlen spendieren, damit es erstmal zu Kraeften kam, denn es hatte schuechtern erzaehlt, dass es sich tagelang in Indonesien nur von Strassenstaenden ernaehrt hatte.

Nach einer der komfortabelsten Naechte der letzten Monate fuer das junge Reise-Pokemon in einem herrlich nach frisch gewaschenen Laken riechenden grossen Bett, schlich es morgens unbemerkt von seiner noch schlafenden Lehrerin ins Badzimmer und bestaunte die exzellente Einrichtung, die so ungewohnt fuer einen Backpacker war. Langsam drehte der Kleine an dem warmen Duschhahn und liess einen erschreckten Schrei hoeren, als das Wasser tatsaechlich heiss dampfendes und sauberes Wasser freigab! Eine warme Dusche, was fuer ein Segen fuer das an grosse, kalte Wasch- und Duschbecken gewoehnte Pokemon! Also den ganzen Dreck und Schmutz der letzen Tage auf Java abgewaschen und eine richtige Toilette zum draufsetzten benutzt und ganz schwach begann sich das deutsche Pokemon an sein frueheres Leben in der zivilisierten Welt zu erinnern. Wie lange war das schon hergewesen? Fast 10 Monate mittlerweile!

Auf einer seiner Erkundungstouren in dem zwischen Reisterrassen und schatten-spendenen Palmen gelegenen Resort mitten im Herzen Balis stiess Marius (die Trainern hatte das Pokemon so lieb gewonnen, dass es ihm einen Namen gegeben hatte) auf den glasklaren Swimming-Pool direkt unter der erhoehten Terasse, auf der die Beiden ihre Mahlzeiten einzunehmen pflegten und war sofort hin und weg! Ein richtiger Suesswasser-Pool, den Kellen-Duscher benutzen konnte, wann immer er wollte! Also warf er sich sichtlich befreit von den Strapazen der letzten Wochen wie ein kleines Kind im Spassbad in den angenehm kuehlen Pool und schlummerte anschliessend seelig in einem der Liegestuehle am Rand des Schwimmbeckens. Seine Trainerin beobachtete die Szene von der Terrasse aus mit einem Laecheln, denn sie wusste, dass das kleine Pokemon mittlerweile den ersten Schritt zur Weiterentwicklung zum Flashpacker gemeistert hatte, naemlich die Scheu vor ein wenig Luxus-Tourismus abzulegen und die Annehmlichkeiten der finanziellen Unterstuetzung zu schaetzen zu wissen.

Der naechste Schritt war der Transport: So gab es von dem etwa ausserhalb gelegenen Resort einen voll-klimatisierten, gratis Shuttle-Bus in die Stadt, der einen jederzeit und jederorts wieder zurueck zum Resort brachte abends. Zunaechst straeubte sich das an stinkende und ueberfuellte Huehner-Busse gewoehnte Pokemon, doch schon bald schien es ihm selbstverstaendlich sein privates Transport-Shuttel an der Rezeption zu ordern oder sich abends ohne schlechtes Gewissen ein Bier oder eine eiskalte Cola aus der Mini-Bar im Zimmer zu nehmen. Wie lange er schon keinen eigenen Kuehlschrank mehr bessesen hatte (weshalb er auch zunaechst den verzeibaren Fehler machte, morgens ein Namensschild an die Bierflasche zu kleben, aus Angst, ein anderer Backpacker koenne ihm die Lebensmittel klauen, wie er es sonst gewohnt war aus Backpacker-Hostels).

Als die Erfahrungs-Punkte des kleinen Backpackers durch die neuen luxurioesen Reise-Erfarungen stetig gestiegen waren und es sich in einem gesunden, gewaschenen und wohl ernaehrten Zustand befand, beschloss seine Trainerin, den naechsten Schritt zu wagen: Eine pauschal organisierte Tages-Tour! Aus Erzaehlungen wusste sie, wie schwer es einem Backpacker-Pokemon faellt, sich gefuehrten all-inclusive-Touren anschzuschliessen, anstatt harakiri-maessig auf eigene Faust diverse Flusslaeufe, aktive Vulkane oder Gletscher entlang zu klettern, immer auf der Suche nach dem naechsten Kick. Nun wurden die Beiden allerdings direkt am plaetschernden Fisch-Teich vor ihrem Resort von einem Privatwagen abgeholt, an einen Aussichtspunkt mit Cafe gefahren (klimatisiert natuerlich) und dort mit im (P)reis enthaltenen Snacks verkoestigt. Danach ging es von einem Guide gefuehrt auf Mountainbikes durchs balinesische Hinterland, vorbei an endlosen, gefluteten Reisterrassen, undurchdringlich scheinendem Dschungel und durch kleine Einheimischen-Doerfer, in denen die balinesischen Kinder einen frenetisch winkend und "Hello"-rufend begruesst haben. Ganz bewusst hatte die Trainerin eine sportliche Aktivitaet gewaehlt fuer die erste organisierte Tagestour des Pokemons seit Monaten, da es als Spezialattacke von Geburt an bereits "Sport treiben" besessen hatte und auch in seiner herrenlosen Zeit als Backpacker immer wieder von sich aus diese Attacke ausgefuehrt hatte.
Da sich diese Methode aus gut organisierter und komfortabler Guiding-Tour auf dem Fahrrad bereits bewaehrt hatte, entschloss sich Frau Schebaum, mit ihrem neuen Lieblings-Pokemon weitere Erfahrungspunkte auf dem Weg zur baldigen Weiterentwicklung zu sammeln und eine gefuehrte Vulkan-Nachtwanderung miT anschliessendem Sonnenaufgang zu organisieren vom naechsten Hotel aus. Denn angeblich hatte Marius als Backpacker bereits eine solchen Wanderung unternommen (auf eigene Faust, ohne die Gegend oder die Besonderheiten eines Vulkans zu kennen der kleine Danger-Ranger) und wuerde nun einen noch hoeheren Vulkan mit fachkundiger Local-Fuehrung erleben, um weiterhin Schritt fuer Schritt zu lernen, wie man als Flashpacker Touren von der Hotelrezeption organisieren liess und sich in die Haende eines bezahlten Guides begab... Und das kleine Pokemon erzaehlte nach diesem Trip begeistert von dem Sonnenaufgang auf dem Gipfel des Vulkans mit Blick auf einen entfernte Bergkette und den darunter liegenden, blau schmmernden Kratersee und die anchliessende Wanderung auf dem gruen bewachsenen Kratergrad hinunter durch schwarze Asche zum See. Es sah sogar von selbst ein, dass es diesen schmalen Pfad des von nebligem Morgengrauen umhuellten Vulkans ohne Guide nicht gefunden haette und in diesem Moment wusste seine Trainerin, dass die Weiterentwicklung nahe bevorstand... Da das kleine Pokemon nach seiner letzten Backbacker-Wanderung allerdings seine festen Schuhe weggeworfen hatte, musste es seine erste organisierte Vulkan-Wanderung mit Flip-Flops bewaeltigen, was zwar mehr oder weniger ohne Schaden zu nehmen funktioniert hat, allerdings versprach der kleine Marius seiner Retterin, sich dann nach seiner Weiterentwicklung ordentliche Flashpacker-Wanderschuhe zu kaufen.

Den letzten Funken zur Weiterentwicklung gab dann allerdings die Frage der Weiterreise in den naechsten Zielort, denn hier wurde der Backpacker auf eine echte Zerreiss-robe gestellt: Es gab einen lokalen Abenteurer-Bus, der laut zahnlosem Turban-Touri-Preller in entweder einer halben Stunde oder einer Stunde indonesischer Zeit eintreffen sollte und eine guenstige Transport-Variante fuer zumindest den ersten Teil der Strecke (danach haette man das weitere Fortkommen spontan organisieren muessen) dargestellt haette.
Die zweite Option, von seiner Trainerin, der erfahrenen Flashpackerin praeferiert, war ein privater Jeep-Transport mit der zahnlosen Grinsebacke in den Zielort, womoeglich direkt vor die Einfahrt zum Hotel fuer den doppelten Preis. Vor der gemeinsamen Zeit mit seiner Trainerin haette das Backpacker-Pokemon sich schnell fuer den Huehner-Bus entschieden, doch nach einem kurzen Moment des Abwaegens und Bildern der letzten Flashpacker-Erlebnisse in seinem geistigen Auge entschied er sich fuer den Privat-Transport und in diesem Moment wusste seine Trainerin, dass die Verwandlung bzw. das naechste Pokemon-Level des Flashpackers erreicht war!

Die Beiden reisen noch heute gluecklich und harmonisch durch Bali und erleben zahlreiche spannende Flashpacker-Abenteuer (wie zum Beispiel unter einem Dschungel-Wasserfall schwimmen oder einen schwimmenden, hinduistischen See-Tempel besuchen) und ich bin mir sicher, dass das kleine Pokemon auf ewig seiner Foerderin, seiner persoenlichen Sankt Petra, dankbar sein wird fuer die Rettung aus dem Backpacker-Sumpf und der Reinkarnation zum zivilisierten Flashpacker und wer weiss, vielleicht investiert der Kleine ja bald tatsaechlich seiner Trainerin zu Liebe (die wie eine Mutter fuer ihn geworden ist im Laufe ihrer gemeinsamen Reise) in ordentliche Wanderschuhe fuer die naechste Lava-Wanderung

© Marius Schebaum, 2010
Du bist hier : Startseite Asien Indonesien Vom Backpacker zum Flashpacker
Die Reise
 
Worum geht's?:
Mein Around-the-World-Ticket, mein Backpacker-Rucksack und Ich in einem Jahr einmal links rum um die Welt von Lateinamerika über Mittelamerika, USA, Fiji, Neuseeland, Australien und Indonesien bis nach China...
Details:
Aufbruch: 10.10.2010
Dauer: 12 Monate
Heimkehr: 10.10.2011
Reiseziele: Brasilien
Paraguay
Bolivien
Peru
Panama
Costa Rica
Nicaragua
Vereinigte Staaten
Fidschi
Neuseeland
Australien
Indonesien
Malaysia
Hongkong
China
Katar
Türkei
Deutschland
Der Autor
 
Marius Schebaum berichtet seit 13 Jahren auf umdiewelt.
Bild des Autors