Sihanoukville

Reisezeit: September / Oktober 2005  |  von Johann Brucker

Mit brummendem Kopf in Sihanouk Ville erwacht

29.9. ich glaube Donnerstag:

Ich wachete auf und die pralle Sonne schien mir ins Gesicht. Eine Stimme fragt: "How are you?" Ich drehe mich zur Seite und blicke in das Lächeln von Phat. "Wie spät ist es?" frage ich ihn und erfahre, dass es 10:00 Vormittags ist. Mein Kopf schmerzte, als ich realisierte, dass ich die Nacht auf dem Strand verbracht hatte. Voller Scharm sprang ich auf und versuche, dass keiner die durchzechte Nacht mir ansieht, bis ich in mein Zimmer zu kommen. Ich nahm eine kalte Dusche und stelle fest, dass der Tag für mich gelaufen war. "Idiot!", dachte ich: "für was hast du vor zwei Wochen dem Alkohol abgeschworen und keinen Tropfen getrunken. Das du dich an einem wunderschönen Strand besäufst und den Tag versaust?" Ich beschloß wieder an den Strand zu gehen und mich unter einen Schirm zu legen. An der Bar orderte ich eine Flasche Wasser. Dann legte ich mich in den erstbesten Liegestuhl. Der lange Sandstrand war fast unbesucht. Nur einige Frauen und Kinder, die Waren verkauften, waren am Strand zu sehen. Trotz meiner Kopfschmerzen fühlte ich mich wohl und schloss die Augen. Plötzlich merkte ich, wie mich zwei weiche zarte Hände anfassten. Neben mir hatte eine Dame, ich würde sie auf 30 schätzen, im Sand Platz genommen. Neben ihr hatte sie einen kleinen Plastikkorb. "You want a massage?" fragte sie mit jammernder Stimme und treuherzigem Blick. Ich verneinte Ihre Frage. "Darf ich ihnen die Nägel schneiden? Bitte!", fuhr sie fort. Abermals höflich verneinend, neigte ich meinen Kopf zur Seite und versuchte wieder weiter zu schlafen. Nach einiger Zeit merkte ich, dass sie meine Hand gefasst hatte. "I can cut your nails..." und betrachtete dabei meine Hand von allen Seiten und drehte sie hin und her. Meine körperliche und geistige Verfassung ließ es nicht zu, mich länger zu wehren. Als ich kein Wort mehr von mir gab, begann sie unaufgefordert meine Nägel zu schneiden. Es war mir wahnsinnig peinlich. Bisher hatten bis auf meiner Frau und meiner Mutter nur eine Person meine Nägel geschnitten. Selbst das war mir immer peinlich. Sie war sicher eine halbe Stunde damit beschäftigt voller Liebe meine Nägel auf Vordermann zu bringen. Zum Abschluss rieb sie mir die Nägel mit einer Limette ein. Ich gab ihr 1000 Riel und bedankte mich und ließ ihr dann keine Beachtung mehr zukommen. Kurz danach kam eine Frau mit einem Tablett voller rotbraun überbackener riesiger Shrimps vorbei. Da musste ich zuschlagen. Fünf der Grossen gab sie mir für 1000 Riel, das sind etwa 20 Eurocent. Die Schale vom Schwanz wurde von ihr einseitig gelöst und das Fleisch mit einem Messer links und rechts vom unteren Teil der Schale getrennt. Danach wurde das Fleisch noch mit einem Gewürzgemisch eingerieben. Herrlich! Ich verschlang die Garnelen und lehnte mich wieder in den Liegestuhl. Ein Mädchen kam kurz danach ebenfalls mit Shrimps zu mir und fragte mich in gutem Englisch, ob ich welche wolle. Ich teilte ihr mit, dass ich gerade welche gegessen hatte und meinte vielleicht später. Das war nicht gut, denn jetzt wollte sie natürlich eine genaue Uhrzeit von mir wissen. Ich sagte 1 Uhr zu ihr. Den Wellen lauschend versuchte ich wieder Kraft zu finden. Die Zeit verging überraschend schnell. Plötzlich stand sie wieder vor mir und sagte, dass es nun 1 Uhr ist. Zum selben Zeitpunkt kamen zwei Mädchen mit einem bunten Kneudl Stofffäden ebenfalls zu meinem Tisch. In einem wunderschönen Englisch, die Mädchen waren ca. 8 Jahre alt, sprachen sie mich abwechselnd an. Gleichzeitig gefiel es mir mich mit ihnen zu unterhalten. Sie boten mir an, ein Armband zu knüpfen. Eigentlich wollte ich keines, ich war zu sehr mit meinem Zustand beschäftigt, als das ich einen klaren Gedanken fassen konnte. "we need the money for the english school...Please mister...i can write your name..." Ich dachte kurz nach und hatte eine Idee. Ich dachte damit die Mädchen beschäftigen zu können, ihnen Geld für die Schule zukommen zu lassen und einem dicken Freund eine Freude zu machen. Ich nahm meinen Kugelschreiber und schrieb den Namen auf ein Stück Papier. Sofort begannen zwei der Mädels ein Armband zu knüpfen. Das Shrimpsmädel beteiligte sich ebenfalls an den Knüpfarbeiten. Ich fragte die Mädles, ob sie Shrimps essen wollen. Und orderte dann fünf. Kurz danach kam ein Junge auf Krücken - er trug zwei Beinprothesen - ebenfalls zu uns. Alle wollten klarer Weise auch etwas machen und so Geld verdienen. Auf einem anderen Zettel notierte ich drei Namen. Daniela, Tristan und Sarafina. Alle waren sie nun beschäftigt und wir unterhielten uns wie sie heißen wo sie leben, wo ich herkomme... Ich zeigte Ihnen Fotos von meinen Kindern und genoss die jungen Menschen in ihrer wohl erzogenen Art. Es dauerte aber nicht lange und es gesellten sich zwei weitere Mädchen zu mir. Jetzt gingen wir langsam die Ideen aus. "I see you first in the morning, but you where sleeping..." Sprach mich dann ein anderer Junge an. Langsam wurde die Gruppe unruhig und sie konnten sich nicht mehr einigen wer mit wem knüpft und wer das Geld bekommt. Mit einem lauten "pssssssst" gewann ich ihre Aufmerksamkeit. "Ich suche für meine zukünftige Tochter einen Namen, könnt ihr mir schönen Kambodschanische Namen nennen?" fragte ich die Gruppe die nun auf sieben angewachsen war. Ich bekam viele Vorschläge, aber keinen der mir gefiel. Dann fragte ich die Mädchen, wie sie heißen. Eines der Mädchen, sie schien die älteste zu sein, hieß Shreyon. Mir gefiel der Name gleich auf Anhieb. Ein etwa zehnjähriges Mädchen mit einem wunderschönen Gesicht setzte sich an den Rand der Gruppe. "Don't forget about me..." das war wohl die größte Sorge, die ich hatte, jemanden zu vergessen...

Ich bat sie mir ein Band mit dem Namen Shreyon zu knüpfen. Und sie verschwand im Hintergrund. Bei ein paar Knabbereien unterhielten wir uns gut. Ab und zu musste ich einen Faden halten und die Buchstaben wiederholen. Ein junger Mann bewegte sich auf den Händen am Strand zu mir. Hinter dem Tisch erkannte ich nicht gleich, dass ihm ein Bein fehlte und dass andere total verkrüppelt war. Er steckte mir seine Hände entgegen. Ich reichte Ihm 1000 Riel und er bedankte sich herzlich. Nach und nach wurden die Bänder fertig und ich hatte einerseits Sorge, dass nicht alle etwas bekommen würden, und dass mir das Kleingeld ausging. So gegen 16:00 war nur mehr das Mädchen mit dem wunderschönen Gesicht über. Offensichtlich hatten sich Ihre Mutter und noch eine Frau zu ihr gesetzt und halfen ihr. Sie war die letzte die gekommen ist und hatte beim Knüpfen keine Hilfe. Mir war das Kleingeld ausgegangen. Ich gab ihr Bescheid, dass ich gleich wieder kommen würde. Aus Angst, dass das Mädchen die Schule versäumen würde, beeilte ich mich Kleingeld zu bekommen. Nach einigen Fehlversuchen wechselte mir dann ein Junge an der Bar. Das Mädchen kam auf mich zu und streckte mir das Band entgegen. Ohne es zu betrachten, gab ich ihr das Geld und wollte nur, dass sie zur Schule kommt. Es war ein schöner Nachmittag, der mir Freude bereitet hatte. Ich glaube ich habe an die 30 Dollar ausgegeben- gern gegeben.
Ich nahm eine Dusche und beschloss die Erlebnisse der letzten Tage wieder niederzuschreiben. Phat gesellte sich in der Bar zu mir und beobachtete mich beim Essen und wie ich Fotos vom Sonnenuntergang aufnahm. Die Bar hatte 5 PCs mit Internetanschluss. Nebenbei verkauften sie noch MP3s und CDs. Ein dickes Buch mit Soundtracks stand hier zur Verfügung. Nicht denkbar in unseren Breiten. Ich bat den weisen Jungen, der offensichtlich für die Raubkopien zuständig war, mir meine Fotos auf eine CD zu brennen.
"No woman no cry - sang Bob Marly... "Wie war..." musste ich bemerken und wischte eine Träne von meiner Wange. Ich schrieb noch eine Weile, aber irgendwie konnte ich nicht weiter. Es war vorauszusehen, dass aus diesem Tag nichts mehr wird. Um 9:00 beschloss ich zu Bett zu gehen. Mit Phat vereinbarte ich, dass er mich um 6:00 wecken sollte.

© Johann Brucker, 2006
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Wohl eines der Länder, die man nicht kurz beschreiben kann. Es ist zwar ein sehr perönlicher Reisebericht, aber ich denke, dass es wichtig ist, dass sich so viele Menschen wie möglich, dieser Perle (wenn nicht die letzte) annehmen und Ihren Beitrag für die weitere Existenz in seiner Art leisten. Nix für Touristen, alles für Menschen die Ihren Horizont erweitern wollen!
Details:
Aufbruch: 24.09.2005
Dauer: 16 Tage
Heimkehr: 09.10.2005
Reiseziele: Kambodscha
Sihanoukville
Der Autor
 
Johann Brucker berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.