Myanmar (Birma) 2009/10

Reisezeit: Dezember 2009 - Januar 2010  |  von Peter Kiefer

Stahlhelm und gutes Benehmen: Pyay

Eine Marktfrau in einer Zeit, in der Plastik noch keine besondere Rolle spielt.

Eine Marktfrau in einer Zeit, in der Plastik noch keine besondere Rolle spielt.

Am Morgen ist es kein Problem auf dem etliche Kilometer vom Stadtzentrum entfernt liegenden Busbahnhof eine Verbindung ins nördlich am Irrawaddy-Fluss gelegene Pyay zu finden. Fahrzeit zirka sieben Stunden. Myanmar wird ländlich. In den Dörfern traditionelle Bauweisen, das heißt verschachtelte Dächer über Häusern aus Stein oder Holz, häufiger noch einfache Hütten auf Stelzen mit Wänden aus dicken Bastmatten und Strohdächern. Alles reiht sich ein in einen, von außen betrachtet, idyllischen Rahmen, der durch dichte, Schatten spendende Bäume geschlossen wird. Man hat, wohl auch deshalb, weil der Verkehr sehr dünn ist und Pferde- und Ochsenkarren unterwegs sind, ein Gefühl, als ginge es da draußen völlig lautlos zu, von trägen Tropen. Und in einem fort Stupas, in jedem Weiler, auf fast jedem Hügel, größere, kleinere, alle golden strahlend, wenn auch nur mit Bronze oder gelber Farbe angestrichen.

Buckelrinder bewähren sich vor allem im Schlamm und wie jetzt in der Trockenzeit auf tiefen, sandigen Wegen.

Buckelrinder bewähren sich vor allem im Schlamm und wie jetzt in der Trockenzeit auf tiefen, sandigen Wegen.

Pyay erreichen wir erst nach Einbruch der Dunkelheit und fahren mit zwei Trischas in die Stadt. Im Unterschied zu Rikschas, wie man sie anderswo in Asien kennt, sind bei den Trischas die beiden Sitze neben dem Fahrrad angebracht und so, dass man gegebenenfalls Rücken an Rücken sitzt. Diese Sitze sind ausgesprochen schmal, für einen Rucksack noch ausreichend, für europäische Durchschnittshintern aber ein eisernes Korsett, in das man sich mühsam hineinzwängen muss. Das Myat Lodging House, in dem wir landen, ist nicht das Gelbe vom Ei. Es ist stickig in dem kleinen Zimmer und der Strom ist abgeschaltet, was verhindert, dass man den Ventilator benutzen kann. Stechmücken gibt's auch. An einem Kreisverkehr mit dem großen Reiterstandbild des Nationalhelden Boyoke Aung San, ironischerweise des Vaters der noch immer unter Hausarrest gestellten Aung San Suu Kyi, sitzen wir in einem Restaurant und begegnen dort W., einem jungen Englischlehrer, dessen Englisch vielleicht noch ein bisschen entwicklungsbedürftig ist. Er erzählt uns mit einigem Stolz, dass er schon einmal vor dem Eiffelturm gestanden hat, als er von holländischen Freunden nach Europa eingeladen worden war. Wir kommen sehr rasch aufs so zu sagen Wesentliche, auf die politische Situation in Myanmar und auf die genannte Lady zu sprechen. Um keinen Verdacht zu erregen - W. warnt vor Spitzeln - vermeiden wir es Namen zu nennen. W. war zweimal im Leben Mönch, eine Selbstverständlichkeit in diesem Land wie bei uns etwa Kommunion und Ersatzdienst. Die Mönche, die zuletzt 2007 auf die Straße gegangen waren und gegen die Militärs protestiert hatten, bezeichnet W. als, wörtlich, nicht-menschliche Wesen, weil sie lediglich nach Bedürfnislosigkeit strebten und demzufolge keine politische Durchsetzungskraft hätten. Eine zweifelhafte Aussage angesichts dessen, dass der Mönchsaufstand im Zusammenhang mit gestiegenen Benzinpreisen ausgebrochen war und viele der jungen Mönche, genau wie W., bald wieder ins zivile Leben zurückgekehrt sind. Er möchte, dass wir am folgenden Morgen seiner Studentenklasse begegnen, wir sagen gerne zu, wissen aber nicht, ob wir es zeitlich schaffen werden. Tatsächlich schaffen wir es dann nicht, auch weil wir nach einer anstrengenden Nacht zuletzt ein bisschen zu lange schlafen und uns dann zunächst um eine Weiterfahrt mit dem Bus bemühen müssen.

Blumen für den Buddha.

Blumen für den Buddha.

Pyay hat wenige Anziehungspunkte, vor allem aber erfüllt sich unsere Hoffnung nicht, hier eine Fähre zu finden, die den Irrawaddy hinauf nach Norden schippert. Das liegt an der trockenen Jahreszeit, in der der Fluss im unteren Teil nicht genügend Wasser mit sich führt. Es bleibt uns also nichts anderes übrig, als wieder mit dem Bus zu fahren und deshalb muss ich, um überhaupt für den Nachmittag noch einen Platz zu bekommen, zum Busbahnhof und dort etwas reservieren. Dabei kommt das Faktotum unseres Hotels ins Spiel, ein kleiner dicker, indischstämmiger Mann mit aufgerissenen Augen und einem geschäftigen Mundwerk, das heiser und ein bisschen verzerrt klingt. Er packt mich auf sein Motorrad und will mir deshalb einen Helm auf den Kopf drücken. Das Ding hat Schrammen und ist die Kunststoffausführung eines deutschen Stahlhelms der Wehrmacht. Vielleicht hätte ich das noch geschluckt, was es mich aber ärgerlich zurückweisen lässt, ist das aufgemalte Hakenkreuz. Der Dicke grinst nur und sagt: Is German. Er ist ein geschäftstüchtiger, zugleich auch ein hilfsbereiter Kerl und nun ist er der Landser, ich kriege dafür seinen Helm. Auf dem Busbahnhof lassen sich zunächst nirgendwo mehr Tickets auftreiben für diesen Tag. Der Mann, einen Kopf kleiner als ich, bittend, erklärend, knarzend, läuft dauernd vor mir her, von einem Büro zum nächsten, immer diesen bescheuerten Nazihelm auf dem wackelnden Kopf, und ich weiß nicht, ob ich mich auch noch darüber amüsieren soll. Am Ende ergattern wir wenigstens noch zwei Notsitze (und mein Dicker ergattert eine kleine Provision, was seinen Eifer natürlich auch erklären kann).

Sie verkauft das Thanakaholz, das sie auf ihre Wangen aufgetragen hat.

Sie verkauft das Thanakaholz, das sie auf ihre Wangen aufgetragen hat.

Die Suche nach einem Büro des Schifffahrtsamts, um weiteren Aufschluss über Orte mit Fährverbindungen zu erhalten, bleibt erfolglos. Ein freundlicher älterer Herr - er drückt uns ein Kärtchen mit seinem Namen in die Hand, ist Anwalt - lädt uns, als wir ihn nach dem Weg fragen, in sein Auto ein und kutschiert uns zu irgendeinem Hotel, das Schifffahrten organisieren soll, an denen wir aber gar nicht interessiert sind und die zu dieser Jahreszeit ohnehin nicht stattfinden. Dann die Fahrt. Unsere Sitze im Mittelgang des Busses sind erwartungsgemäß unbequem, nur der Blick aus dem Fenster entschädigt noch für eine Weile. Aber es ist eine lange Fahrt nach Nyaung U, das in unmittelbarer Nähe zu der legendären Tempelstadt Pagan liegt, unserem nächsten Hauptziel. Kurz nach Mitternacht steigen wir in einer kleinen Stadt aus und müssen dann noch mehr als drei Stunden darauf warten, bis ein Bus vorbeikommt, der in unsere Richtung weiterfährt. Zum ersten Mal auf dieser Reise ist es kühl geworden, ein Pullover reicht nur notdürftig aus. Wir kommen mit ein paar Frauen ins Gespräch, die hier als fliegende Händlerinnen mit einem Korb voll Obst, Nüssen und Chips unterwegs sind. Das Zutrauen wächst rasch und am Ende schenkt eine dieser Frauen Karin sogar eine Fotografie von sich. Eine einfache Frau wie sie hat bestimmt nicht viele eigene Fotos, Karin versucht daher eine höfliche Ablehnung, aber die Frau lässt sich nicht beirren. Als uns dann endlich in den frühen Morgenstunden ein Bus mitnimmt, folgt herzliches Händeschütteln und Winken. Im Bus läuft ein Film über den Videoschirm über gutes Benehmen im Buddhatempel und es folgt noch ein mindestens fünfzigstrophiges Gebet, das die Frau, die neben mir sitzt von Anfang bis zum Ende mitspricht. Übrigens ist es Heiligabend und wir müssen uns noch nach einer Herberge umsehen ...

© Peter Kiefer, 2010
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Mehr als zwanzig Jahre ist es her, dass Karin und ich in Südostasien gewesen sind. Wer freilich Myanmar, das ehemalige Birma, besucht, wird kaum bemerken, dass sich in all der Zeit etwas verändert hat. Es ist es ein Land, in dem es vermutlich mehr Buddhastatuen gibt als Einwohner.
Details:
Aufbruch: 19.12.2009
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 10.01.2010
Reiseziele: Myanmar
Der Autor
 
Peter Kiefer berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
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