Kirgistan - Kasachstan

Reisezeit: Juli / August 2014  |  von Peter Kiefer

Noch'n Wasserfall - Karakol

Wie für sie gemacht: eine Bushaltestelle.

Wie für sie gemacht: eine Bushaltestelle.

Noch'n Wasserfall - Karakol

Heute ein Bad? Wir überlegen. Dann sagen wir: Ach nö. So ein Badetag (womöglich noch mit Vollpension) erscheint uns zuletzt wenig aufregend. Nach dem Frühstück sind wir also wieder on the road, trampen zwei Dörfer weiter und besteigen dann einen Minibus nach Karakol, das abseits vom See, an dessen östlicher Spitze liegt. Es ist, obwohl wir etwa von der Mitte des Südufers des Yssyk Köl starten, noch immer ein langer Weg. Am frühen Nachmittag endlich sind wir angelangt. Im Hotel »Neofit« schraubt eine Gruppe von Tschechen an ihren Mountainbikes. Sie wollen damit am morgigen Tag nach Jeti Oghüz fahren. Wir übrigens auch, allerdings ganz konventionell im Minibus. Aber zuerst einmal diese Stadt. Viel ist nicht los, doch es gibt, durchaus unerwartet, einen Zoo. Durch einen Park gelangt man dorthin. Dieser Park ist freilich wie eine Vorwarnung, er scheint nicht viel Pflege zu erfahren, Plastikmüll liegt in großen Mengen herum. Ein paar Liebespärchen im Schatten stört das sicher nicht. Dann der Zoo. Zu bieten hat er nicht viel, das war auch so zu erwarten. Aber was da ist, macht keinen besonderen Spaß sich anzusehen. Die Gehege etwa für Pferde - wer muss sich Pferde in Kirgistan ausgerechnet im Zoo betrachten? - oder Kamele sind zumindest ausreichend groß. Harmloses Federvieh sperrt man in Käfige. Und - gar nicht harmlos - zwei kleine Adler genauso. Deren Gittergehäuse liegt tief im Schatten und ist niedrig genug, um gar nicht erst den Gedanken ans Fliegen aufkommen zu lassen. Eine Anzahl Stachelschweine drängelt sich am Boden gleich daneben. Schlimm sieht der Käfig eines jungen Bären aus, im Halbdunkel läuft er dauernd am Gitter hin und her und streckt seine Schnauze durch die Stäbe heraus. Ein einsamer Steinbock hat wohl schon aufgegeben und steht in seinem Käfig(!) einfach nur da. Der Zoo ist nicht groß, zum Glück, möchte man sagen, denn da ist schon genug Tristesse und man hat hinterher beinahe Lust den Notruf einer Tierschutzorganisation anzuwählen. Er ist - aber da bin ich sicher etwas ungerecht - ein Spiegelbild dieser Stadt Karakol. Im Gegensatz zu den anderen Städten und Dörfern, die wir in Kirgistan gesehen haben, hat sie weniger Bäume, wenig Schatten. Eine der größeren Seitenstraßen, die, nachdem man wohl den Straßenbelag entfernt, aber dann nicht mehr erneuert hat, sieht aus wie drei Minuten nach Weltkriegsende. Ich merke schon, ich komme im Augenblick gar nicht mehr aus dem Schimpfen heraus. Das sollte ich lassen, denn wir machen eine sehr abwechslungsreiche Reise in einem Land, das im Allgemeinen überaus freundlich zu seinen Besuchern ist. Gerade deshalb habe ich es zuweilen vermerkt, wenn es anders war. Wir sind, wie gesagt, im Osten Kirgistans und da ist vom Ramadan, der ohnedies in den letzten Zügen liegt, nun fast gar nichts zu spüren. Die Schnapsregale der kleinen Lebensmittelläden sind wie überall im Land gut gefüllt, gegessen wird überall und zu jeder Zeit. Wir verzehren an diesem Abend ein gebratenes Huhn, das freilich zu groß ist für unseren geschrumpften Magen. Das morgendliche Frühstück sei auch erwähnt - wegen der Räumlichkeiten. Die betritt man durch einen Hintereingang. Könnte man den vorderen benutzen, stiege man in ein buntes Drachenmaul und beträte dann ein auf "urig" stilisiertes Restaurant mit Chambres séparées. Wir lassen den kleinen Vorhang an dem unsrigen doch lieber offen. Das Fenster in unserem Zimmer hingegen kann man gar nicht öffnen, weil nirgends eine Öffnung vorgesehen ist. Die Frau an der Rezeption ("Das haben wir gleich!") staunt selbst darüber. Notgedrungen hatten wir deshalb die halbe Nacht die Tür offen stehen lassen, nur um bessere Luft zu bekommen. Die tschechischen Radfahrer, denen wir gestern Abend noch in der Stadt begegnet waren, haben sich längst vor uns auf den Weg nach Jeti Oghüz gemacht. In der Basargegend suchen wir nach einem Bus, der uns dorthin bringen könnte, offenbar gibt es keinen. Folgerichtig landen wir wieder in einem Taxi. Damit es freilich starten kann, sind erst einmal drei starke Männer mit Anschieben beschäftigt. Auf der Landstraße dreht unser Uralt-Lada dann allerdings mächtig auf. Hier in der Provinz fällt die, man kann sie kaum anders nennen, wilde Fahrweise der Kirgisen nicht so sehr auf wie im Stau der Großstadt, trotzdem wird überall gefahren - Karin hat es auf den Begriff gebracht - wie geritten wird. Man drängelt von der Seite, schießt ohne Vorwarnung in kleine Lücken, fährt nach jeweils eigenen Regeln. Mit einem weiteren alten Lada gelangen wir in die Nähe eines Sanatoriums, dessen Bedeutung lediglich im historischen Besuch eines russischen Präsidenten liegt. Uns interessiert jedoch der Weg durch eine Schlucht, um schließlich zu einem Wasserfall zu gelangen. Nein, auch den kriegen wir niemals zu Gesicht. Die Straße ist unangenehm steinig, aber das macht nichts angesichts dieses malerischen Tals, das wieder Bilder aus den heimischen Alpen wachruft. Andererseits fahren ständig Autos und Kleinbusse mit Touristen vorbei (meist russischen), was die Beschaulichkeit mit der Zeit einschränkt und uns irgendwann veranlasst zu sagen: Bis hierher und nicht weiter. Wir kehren also nach mehr als zwei Stunden Fußmarsch wieder um. Auf dem Hin- wie dem Rückweg begegnen wir welchen von unseren Tschechen. Beim Radrennen würde man sagen: Das Feld ist weit auseinandergezogen. Als wir zur Hauptstraße zurückkommen und eine Rast einlegen, kommt der allerletzte Radfahrer, verirrt sich an der einzigen Weggabelung, kommt wieder zurück, wir sagen ihm, wo's längs geht, aber er winkt nur ab und hat genug und wird genau wie wir niemals diesen Wasserfall zu Gesicht bekommen. Sicher beeindruckender als dieser ist eine bestimmte Felsformation, die wir bereits auf dem Hinweg passiert hatten, eine massive Wand aus rotem Konglomerat, die von der einen Seite betrachtet den bezeichnenden Namen Sieben Stiere trägt, von der anderen Gebrochenes Herz. Die Namen gehen auf eine Legende zurück. Wohlbekannt in Kirgistan, tauchen sie in Bildern und Volksliedern auf. Adler, die ansonsten zur Jagd abrichtet werden, hocken zum Zweck von Erinnerungsfotos auf Steinen oder auf den Armen ihrer Besitzer. Wird dabei der Unterarm ein wenig gesenkt, öffnen sie, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, ihr Gefieder. Der Anblick hat etwas Wild-Erhabenes. Wo dann die bizarr ausgewaschenen Felsen enden, stehen keine Jurten mehr, wird kein Honig mehr feilgeboten, wird es schnell ruhig. Schon beim ersten Winken hält ein Kleinbus, in dem sich drei Holländerinnen durchs Land kutschieren lassen. Direkt an unserem Hotel setzen sie uns ab. Bald treffen auch die ersten Tschechen ein und so sind wir bald wieder vollzählig. Am Abend ist es kühl und wie schon am Vortag regnet es zwischenzeitlich, das Fenster bleibt auch jetzt verschlossen.

Durchs wilde Kirgistan.

Durchs wilde Kirgistan.

© Peter Kiefer, 2014
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Zentralasien stand schon viele Jahre auf unserer Agenda, nun endlich hatte sich eine Gelegenheit ergeben. Es war eine recht bewegte Reise, auch im körperlichen Sinn, denn Kirgistan, das Hauptziel, ist ein fast durchweg gebirgiges Land. Spaziergänge wurden rasch zu Wanderungen, das Reiten auf Pferden spielte eine Rolle.
Details:
Aufbruch: 12.07.2014
Dauer: 4 Wochen
Heimkehr: 08.08.2014
Reiseziele: Kirgisistan
Kasachstan
Der Autor
 
Peter Kiefer berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
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