Railroad Crossing - mit dem Zug quer durch die USA: New York - San Francisco

Reisezeit: Mai / Juni 2007  |  von Markus Keune

Die Zugfahrt einer guten Bekannten musste storniert werden. Heraus kam ein Gutschein, den sie auf meinen Namen ausschreiben ließ - eine nette Geste, doch musste ich so eine Tour finden, die teuer genug ist, den ganzen Gutscheinwert abzufahren. Dann erfülle ich mir halt einfach den Traum und fahre einmal quer durch die ganze USA - mit dem Zug!

16.05.2007 Düsseldorf - London - New York

Wie schon im Prolog erwähnt, konnte ich meinen Urlaub ein wenig verlängern, indem ich einen Tag vor dem ersten Urlaubstag bereits nach der Arbeit in die USA fliegen werde.
Der Tag beginnt sehr früh, um wenigstens noch so lange wie möglich so tun zu können, man wäre unheimlich beschäftigt. Unheimlichen Spaß macht es dabei auch, einem Mitarbeiter nach dem anderen davon in Kenntnis zu setzen, dass man in wenigen Stunden in New York sein wird Natürlich persönlich, man will ja schließlich auch die neidischen Blicke ernten.
Hach, so schlimm ist der Tag ja doch nicht. Besonders bei meinem letzten Meeting hörte ich mich schon fast wie einer der super wichtigen Manager an: "So, ich erkläre dir das System mal eben kurz. Habe aber nicht lange Zeit, muss in 10 Minuten zum Flughafen, denn ich fliege gleich nach New York." Und schon hatte ich wieder 3 Leute von der Arbeit abgehalten, die mich erstmal neidisch nach meinen Reiseplänen ausfragen.
Einer meinte sogar, besonders schlau zu sein: "Ja, wenn du wieder da bist, ist alles vorbei und dann freue ich mich auf meinen Urlaub Mitte September." Macht mir überhaupt nichts aus, denn bereits Anfang September bin ich ja schon wieder drüben. Einmal ducken, um nicht vom umherfliegenden Radierer getroffen zu werden, komme ich der Aufforderung "raus!!!" nach und mache mich auf dem Weg zum internationalen Airport von Düsseldorf.

British Airways hat seit letztem Jahr die Möglichkeit abgeschafft, als normalsterblicher Passagier der Bretterklasse im Voraus Sitzplätze zu reservieren. Dies kann man nur noch 24 Stunden vorher beim Online-Checkin - oder auch nicht, wie in meinem Fall. Ich bekam ständig die Aufforderung, es würden noch Daten fehlen, jedoch konnte ich nicht mehr. Felder für den Taufname des Kuscheltiers, Highscore des Lieblingsspiels oder was sonst noch fehlen könnte, habe ich einfach nicht finden können.
Jedenfalls bin ich vom neuen System überhaupt nicht überzeugt, eher im Gegenteil. Auch schneller geht es am Flughafen kaum, da man entweder lange braucht, um mit den Angestellten die laienhaft gemachten Fehler zu korrigieren oder hinter solchen Leuten anstehen muss, um seinen Koffer los zu werden. Vom schleichenden Personalabbau mal ganz zu schweigen.

Und danach beginnt sie wieder, die große Langeweile. Im usa-reise-Forum hatte ich diesen Umstand bereits bemängelt und man gab mir den Tipp, nicht nur still dazusitzen, sondern ein wenig das ganze Geschehen zu beobachten. Also laufe ich ein wenig auf und ab: Mir ist langweilig.
Auf dem Rollfeld sehe ich einen Kofferwagen im Kreise fahre - dem ist scheinbar auch langweilig. An einem Gate steht ein Bus, der Passagiere zu einem weit entfernt parkenden Flugzeug bringen soll und im Terminal wird immer und wieder der Name einer Person ausgerufen, die wohl noch auf dem Flug fehlt. Den Leuten im Bus ist sicher auch langweilig.
Die Blicke der In der Reihe vor meinem Gate wartenden Leute treffen immer wieder meine. Auch sie beobachten wohl die Umgebung, also schließe ich daraus, ihnen ist auch langweilig. Und wenn diesen Satz noch irgendwer liest und die Maus schon mal oben rechts über dem kleinen X platziert hat, habe ich die Situation wenigstens realistisch wiedergegeben: Dir ist nun auch langweilig!

Ok, machen wir es kurz: Ich fliege zuerst nach London und habe einen Sitz in der hoch gelobten Reihe mit den Notausgängen bekommen. Doch so toll sind die Plätze gar nicht. Man hat zwar ein wenig mehr Beinfreiheit, dafür fehlt aber am Fenster die Armlehne, man sitzt direkt über dem Flügel und sieht fast nichts.
Eine kleine positive Überraschung ist der servierte Snack. Hier hat British Airways noch nicht den Rotstift angesetzt. Selbst auf einem einstündigen Hopser bekommt man noch ein kleines Plastikbrötchen, wohingegen auf einem über fünfstündigen inneramerikanischen Flug der Magen schon mal Selbstgespräche führen muss.

Endlich durchbrechen wir die Wolkendecke wieder und landen. In London habe ich etwa 3,5 Stunden Aufenthalt und ich habe mir geschworen, nicht mit der U-Bahn zu fahren, da es sich nicht lohnt, aber meine Pläne habe ich schon oft genug über dem Haufen geworfen: Ich kann es einfach nicht lassen. Es reicht immerhin, nach Acton Town und zurück zu fahren und dabei die Atmosphäre der Londoner Rush Hour auf sich wirken zu lassen.

Zurück am Flughafen reihe ich mich in die ewig lange Schlange an der Sicherheitskontrolle ein. Noch 2 Stunden bis Abflug. Über Band werden immer und immer wieder dieselben Tipps gegeben, wie man an der Kontrolle Zeit sparen könnte, doch scheinbar hört niemand hin. Ich ignoriere irgendwann auch die sich alle 48 Sekunden wiederholende 14 Sekunden lange aus 176 Buchstaben bestehende Meldung. Leid tun mir nur alle, die hier arbeiten.
Neugierig machen mich schon eher die Schilder, dass hier ein neues Body-Scan-Verfahren angewendet wird und dazu zufällig Personen ausgewählt werden. Noch hadere ich, ob ich mir wünschen soll, ausgewählt zu werden, um meine Neugierde zu befriedigen, da werde ich auch schon prompt aus der Reihe genommen.
In 3 verschiedenen Morgen-Gymnastik Positionen muss man eine Weile verharren, während eine kleine Ladung Röntgen-Strahlen meine Lebenserwartung um ein paar Minuten verkürzt.
Noch 1,5 Stunde bis zum Abflug.

Da man ja bekanntlich Flüssigkeiten nicht mehr so ohne weiteres durch die Sicherheitskontrolle bringen kann, muss ich mir halt im Duty Free Bereich etwas zulegen. Im erstbesten Shop gibt es eine Wasserflasche für 1,80 £. Meine Finanzmittel belaufen sich auf exakt 1,79 £. Das darf doch wohl nicht wahr sein! Aber Konkurrenz belebt ja bekanntlich das Geschäft, also probiere es nebenan und bekomme eine kleinere Flasche für 1,39 £. Die Differenz fülle ich einfach mit abgewischten Schweißperlen auf.

Der Vorteil von Heathrow ist, dass der Flughafen so riesig ist. Ich habe sogar Glück und mein Gate ist am weitesten entfernten Ende, so dass ich mich am Gate angekommen nur etwa 10 Minuten beschäftigen muss, bevor das Boarding beginnt. Ich sehe Maschinen landen und bin echt erstaunt, wie lange das vordere Fahrgestell dabei in der Luft bleibt. Heute lerne ich echt eine ganze Menge.

Im Flieger schlage ich direkt die Board-Zeitschrift auf, um mich nach dem heutigen Fernsehprogramm zu erkunden. Finden kann ich allerdings nur eine Sammlung von etwa 200 Filmen und Programmen, doch wo steht, was die Holzklasse sehen darf?
Nach dem Start dann die beste Neuigkeit: Aus den 200 Kanäle können auch wir Sparfüchse wählen! Außerdem gibt es sogar Fußstützen (sind mir die früher nur nie aufgefallen?), Kopfhörer kostenlos (längst nicht mehr selbstverständlich), Wein kostenlos zum Essen und lauter solcher Kleinigkeiten. British Airways wird mir zunehmend sympathisch.

Aber nach dem Hochmut kommt bekanntlich der tiefe Fall. Gerade noch darüber gefreut, dass die Anreise nicht so langweilig wurde wie befürchtet, entscheidet mein Schicksal, ich solle mich doch intensiv mit den kahlen Wänden des JFK-Airports vertraut zu machen. Nach 10 Minuten Stop-and-Go endlich um die nächste Kurve und da trifft mich der Schlag. Eine riesig lange Schlange führt in den großen Raum der Immigration.
Nach über einer Stunde finde ich mich im Zickzack vor den Schaltern wieder und darf in diesem Terminal heute als vorletzter in die USA einreisen. Ich habe keine Ahnung, wo die ganzen Menschen geblieben sind, die ich auf dem Weg vom Flugzeug bis zum Ende der Schlange überholt hatte. Und ganz hinter gesessen hatte ich auch nicht. Es bleibt ein Rätsel.
Jedenfalls merkt man, dass auch der Grenzbeamte bald Feierabend haben möchte und die Fragen reduzieren sich auf ein Minimum. Dann endlich seine erlösenden Worte: "Welcome to the United States!" Nie zuvor habe ich die Worte lieber gehört. Endlich wieder da, ich kann es echt noch nicht glauben (und das wird auch noch ein paar Tage dauern).

Vor dem Terminal fahren inzwischen keine Shuttle-Busse mehr und um 1 Uhr nachts habe ich auch keine Lust, mit der U-Bahn zu fahren. Die nächste Schlange wartet am Taxistand auf mich, doch vorher werde ich von einem New Yorker angesprochen, der sich ein Taschengeld verdient und Leute nach Manhattan fährt. Eigentlich soll man ja nur in lizenzierten Taxen mitfahren, aber nach 25 Stunden auf den Beinen und ewigem Rumstehen sinkt die Hemmschwelle und ich will einfach nur weg. Großer Zufall, der Herr, der schon im Flieger neben mir saß, teilt nun auch das Vehikel nach Manhattan mit mir.
In Brooklyn halten wir noch kurz an einer Tankstelle und es folgt mal wieder so ein Moment, wo ich froh bin, nicht alleine zu sein. Die Gegend ist dunkel, die Fenster des Kassenhäuschens dicht vergittert. Endlich kommt unser Fahrer und zugleich typischer New Yorker zurück, um auf der Autobahn mit fluchen und hupen fortzufahren.

Gegen 2 Uhr erreichen wir mein Hotel in Chinatown, ich bezahle etwas über 50$ (Taxi kostet um die 45$, aber dann wäre ich um 3 noch nicht hier) und ziehe mich in meine kleine Zelle zurück. Aus Sparsamkeit habe ich ein sehr bescheidenes Hotel in Chinatown gewählt. Die Zimmer haben keine Fenster, sind etwa 3m² groß und die Wände mehr als dünn. Durch den Spalt an der Tür dringt nicht nur das Licht des Flurs ins Zimmer, sondern man kann auch Umrisse der Leute erkennen, die am Zimmer vorbei gehen (und natürlich auch hören).
Das schlimmste ist aber die nicht abschaltbare Klimaanlage direkt über dem Bett, weswegen ich mich auch anders herum als vorgesehen ins Bett lege und mit allen möglichen Bettdecken zudecke. Nicht, dass ich mich noch erkälte. Es ist nach 2 Uhr, als ich endlich einschlafe, doch schon folgt die nächste kleine Überraschung.

Übernachtung: Sun Bright Hotel - New York, NY

© Markus Keune, 2007
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Die Reise
 
Details:
Aufbruch: 16.05.2007
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 02.06.2007
Reiseziele: Vereinigte Staaten
Der Autor
 
Markus Keune berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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