TimeOut in Südamerika

Reisezeit: April - August 2008  |  von Beatrice Feldbauer

Woche 8 31. Mai - 6. Juni 2008: Russisch

Sonntag. Ich bin sehr spät erwacht und erinnerte mich sofort: Heute ist Sonntag, heute brauchst du nichts zu tun. Keine Pläne, keine Ausflüge. Ausser vielleicht, den letzten Bericht online zu stellen. Und so kam es, dass ich das Frühstück ersatzlos strich und weiterschlief. Später strich ich auch das Mittagessen. Das heisst ich schief bis in die Puppen und gegen Mittag machte ich mir einen Tee und holte ein Yoghurt aus dem Kühlschrank. Ich startete das Internet, checkte die Mails und hörte Radio DRS. Die sendeten heute den ganzen Tag Abstimmungsergebnisse. Wenigstens nicht in Spanisch. Ich hatte gestern so viel spanisch gehört, dass ich mir heute einen Tag Pause gönnte. Ich blieb also zu Hause und kümmerte mich um den Haushalt, konkret heisst das, um die Wäsche. Da hatte sich inzwischen wieder einiges angesammelt.

Irgendwann erinnerte ich mich, dass der Bericht von gestern immer noch nicht online war. Und dann war ich eine ganze Weile beschäftigt, denn die Verbindung wollte nicht so richtig klappen. Vielleicht war der Bericht zu lang, vielleicht waren es zu viele Fotos. Jedenfalls musste ich immer wieder die Seite neu aufstarten, um die Fotos für den Bericht aufzuladen. Es brauchte einige Geduld, bis alle Fotos online waren aber irgendwann hatte ich es geschafft.

Als es draussen dunkel wurde, hatte ich genug vom Alleinsein. Irgendwas musste doch heute noch laufen. Also raus auf die Strasse, da liegen ja bekanntlich die Geschichten. Ich suchte ein nettes Restaurant, aber das war heute am Sonntag-Abend gar nicht so einfach. Viele waren geschlossen und in dem einen, das mir gefallen hätte, sass niemand. Also schlenderte ich weiter.

Durch die ganze Hauptstrasse. Es herrschte ziemlich starker Verkehr. Die Autos fuhren im Schritttempo durch die Stadt. Mir war nicht klar, ob das ein Sonntagabend-Vergnügen sei, abends durch die Stadt zu pendeln, oder ob die Wagen einfach nicht schneller fahren konnten. Jedenfalls knatterte jedes Auto in einer anderen Tonart und es waren Wagen unterwegs, die bei uns direkt auf dem Schrottplatz gelandet und bestimmt keinen Meter mehr selber gefahren wären. Aber hier scheint das nichts auszumachen. Solange ein Auto noch ein Geräusch von sich gibt und sich aus eigener Kraft weiterbewegen kann, bleibt es auf der Strasse. Auch der öffentliche Kleinbus schnaufte durch die leicht ansteigende Strasse.

Vor der Touristeninformation versammelten sich die Leute. Da war etwas los. Natürlich musste auch ich nachsehen, was es da zu sehen gäbe. Ein paar junge Typen führten etwas Ähnliches wie ein Strassentheater auf. Mit Jonglieren, Feuerspeien und Musik unterhielten sie die Leute. Nach dem sensationellen Sprung durch den brennenden Reifen war dann allerdings auch dieses Spektakel zu Ende und der Hut ging reihum. Ich hatte doch gewusst, dass die Geschichten auf der Strasse liegen.

Inzwischen waren auch im Restaurant ein paar Leute eingekehrt und so trat ich ebenfalls ein. Es war ein Asado, ein Grillrestaurant und über dem Feuer hingen zwei Lämmer, die nach und nach in Stücke geschnitten serviert wurden. Mir schien das etwas trocken auszusehen und so bestellte ich mir ein kleines Rindsfilet. "Es ist leider nicht so klein", entschuldigte sich der Kellner, als er mir das riesige Stück Fleisch hinstellte. Es ist wohl gar nicht möglich, hier ein kleines Stück Fleisch zu bekommen, dafür gibt es in diesem Land einfach zu viele Rindviecher.

ein typischer Asado

ein typischer Asado

Am Nebentisch ging es hoch her. Vier Frauen schienen sich bestens zu unterhalten und ich fragte mal nach, was für eine Sprache sie den sprechen würden. Russisch. Es waren vier Russinnen aus Moskau, die alle im Tourismus arbeiten und hier auf einer Weiterbildungsreise waren. Sie konnten alle mehr oder weniger englisch und so wurde es ein sehr lustiger internationaler Abend. Nastrovje. Alles ausser spanisch.

die beiden Männer haben sich nur für die Foto hingestellt

die beiden Männer haben sich nur für die Foto hingestellt

Jetzt ist es Montag-Morgen 10.00 Uhr (bei euch 15.00).Draussen wird es gerade hell und ich sitze wieder einmal im Internet-Café. Im Apartment hat es seit gestern Abend keinen Internet-Anschluss mehr. Diego muss den Spezialisten anrufen.

Und ich schlage mich mit diesem unglaublich langsamen Internet rum. Brauche alle Geduld der Welt, und muss mich auf meine Hände setzen, damit ich nicht dauernd etwas unterbreche, während die Übermittlung läuft. Ich hoffe, ihr geniesst diesen Bericht ein wenig und lest ihn ganz langsam, denn ich habe fast jeden Buchstaben einzeln wegfliegen sehen. Zum Glück war er nicht so lang. Aber ich weiss jetzt wieder, warum ich meinen Laptop mitschleppe. Es ist soooooo viel einfacher, mit dem eigenen Computer zu arbeiten.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Nicht Nichtstun steht im Mittelpunkt. Sondern etwas tun, wofür im normalen Alltag zu wenig Zeit bleibt. Meine beiden Leidenschaften Reisen und Schreiben möchte ich miteinander verbinden. Und wenn mich dabei jemand begleitet, umso schöner. Es sind vor allem Geschichten, die ich erzähle und erst in zweiter Linie Beschreibungen von Orten und Gebäuden. Ich möchte versuchen, Stimmungen herüberzubringen. Feelings, sentimientos. Wenn mir das manchmal gelingt, ist mein Ziel erreicht.
Details:
Aufbruch: 12.04.2008
Dauer: 4 Monate
Heimkehr: 03.08.2008
Reiseziele: Uruguay
Brasilien
Paraguay
Argentinien
Chile
Bolivien
Peru
Guatemala
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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