Ich braus dann mal davon - einmal um die Welt

Reisezeit: Oktober 2011 - Januar 2012  |  von Peter Theisen

Mit Sicherheit

Unsicheres Gefuehl

Ich sitze im Flieger von Lima nach Guyaquil, der Wirtschaftsmetropole Ecuadors. Ich habe eine Tageszeitung abgegriffen, die gross mit der Sicherheitslage in Peru aufmacht. "Miedo en las calles" - "Angst in den Strassen" heisst die reisserische Ueberschrift in blutroten Lettern. Darunter ein vermummter Mann, der eine Pistole in ein Wagenfenster haelt. Nach der Umfrage der Zeitung "Peru 21" ist die Sicherheit auf den Strassen mit grossem Abstand das wichtigste Problem der Peruaner. Weit vor Arbeitslosigkeit, Korruption oder Naturkatastrophen (obwohl hier immer wieder schlimme Erdbeben vorkommen). Ich bin erstaunt. 44 Prozent der Befragten geben an, in den letzten zehn Monaten Opfer von Raub oder einer gewaltsamen Attacke geworden zu sein. Ich wundere mich, weil ich drei Wochen lang in einem Land unterwegs war, in dem ich mich keine Minute unsicher gefuehlt habe. War ich nur in den "guten" Gegenden unterwegs, hatte ich einfach nur Glueck? Wenn ich in meinem Reisefuehrer blaettere, werde ich nervoes. Da steht zum Beispiel ueber Lima: "An Straenden, an denen bereits gewaltsame Uebergriffe stattgefunden habe, sollte man besonders wachsam sein. Man sollte immer offiziell lizenzierte Taxis benutzen, besonders nachts. ....Vom Flughafen wird berichtet, dass Diebe beobachten, welche Passagiere wertvolles Handgepaeck in den Fahrgstraum eines Taxis nehmen, und dem Wagen dann folgen, um unterwegs an einer roten Ampel blitzschnell zuzuschlagen. Es wird empfohlen, das gesamte Gepaeck im Kofferraum zu verstauen." (Lonely Planet dt Ausgabe Suedamerika, 2010, S. 871, sieh mal Karl-Theodor, so macht man das!).
In der Tat finde ich auch, dass Taxifahrten der gefaehrlichste Teil der Reise sind. Man ist einem Menschen, den man nicht kennt, vollkommen ausgeliefert. Als Reisender kann man da auch relativ wenig ausrichten. Der erste Augenschein ist eminent wichtig. Ein freundliches Gesicht ist keine Garantie, aber schon ma ein Indiz, dass derjenige vielleicht doch kein Moerder ist. Manchmal kann man sich den Chauffeur aber nicht aussuchen. Ich geh dann manchmal um den Wagen rum und tu so, als wuerde ich mir das Nummernschild merken. Dann setze ich mich vorne neben den Fahrer und tue so, als wuerde ich eine SMS schreiben - der Fahrer soll denken, ich wuerde Freunden das Kennzeichen des Taxis mitteilen. Keine Ahnung, ob das hilft. Meinen Nerven auf jeden Fall! In jedem Fall versuche ich den taxista immer in ein Gespraech zu verwickeln. Meistens ist dann schon nach wenigen Saetzen klar, dass der finster dreinblickende Geselle doch ein ganz anstaendinger Kerl ist.

In Bombay hatte ich allerdings mal eine Situation, die mich wirklich in Angst versetzte. Am Flughafen schwirrten Dutzende befoerderungswuetige Maenner um mich herum. Es war bereits Nacht und ich waehlte schnell einen aus. Der Mann fuhr mich allerdings nur ein paar Hundert Meter weiter in ein Slumgebiet und forderte mich auf, in den vor uns parkenden Wagen zu steigen. Aus diesem stieg ein duesterer Typ aus, der kein Wort Englisch sprach, und lud mein Gepaeck (und meine ziemlich teure Kameraausruestung) in sein Auto um. Wir fuhren los, und ich war ziemlich sicher, dass er gleich abbiegen wuerde, mir eine Pistole an den Kopf setzen und zumindest ausrauben wuerde. Wir fuhren durch eine duestere Gegend. Alle Versuche, den Mann in ein Gespraech zu verwickeln, endeten in einer Sackgasse. Er ignorierte es einfach. Ich wurde ernsthaft nervoes und nahm mein Handy raus. Ich tat so, als wuerde ich mit Bekannten reden, sagte immer wieder und immer lauter "Taxi" und "Hotel". Mein Fahrer sollte glauben, ich wuerde Freunde oder das Hotel oder die Polizei informieren, dass ich mich in Gefahr befinde. Am naechsten Tag hatte ich ein Interview mit einem grossen Bollywood-Produzenten. Einem wirklich wichtigen und beruehmten Mann in Bombay. Ich rief seinen Namen dem Fahr zu. "Do you know Mister...?" Irgendwann ein kaum wahrnehmbares Nicken des Piloten, eine winzige Beruhigungspille fuer mich. Jetzt nahm ich die Videokamera raus und begann zu filmen. "Wenn Du mich jetzt um die Ecke bringst, ist das dokumentiert, vielleicht taucht das Band irgendwo auf, vielleicht hast Du keine Zeit mehr, es zu vernichten, weil Du schnell weg musst. Ueberleg es Dir gut, ob Du so einen Menschen umbringst, der filmt und wichtige Leute kennt." Alles Psychologie, alles Nervenspiel. Anderthalb Stunden dauerte die Horrorfahrt. Jede Sekunde rechnete ich mit der Attacke. Es war Kopfkino der uebelsten Art. Irgendwann kamen wir wieder auf groessere Strassen, irgendwann las ich "Zentrum" und ahnte, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Irgendwann oeffneten baertige Maenner mit Turban und sanftem Laecheln die Tuere des Taxis und trugen meine Koffer in den Palast des Taj-Mahal-Hotels (auf das wenige Monate spaeter ein grausamer islamistischer Anschlag veruebt wurde, bei dem Hunderte Menschen starben. Was auch zeigt, dass unsere Sicherheit ziemlich viel mit Zufall zu tun hat).

Aber zurueck nach Lateinamerika. Ich treffe immer wieder Menschen, die mir erzaehlen, dass sie gehoert haben, wie jemand ueberfallen wurde. Nie habe ich jemanden getroffen, der selbst betroffen war. Das soll nicht heissen, dass es das nicht gibt. Aber merkwuerdig ist es schon. Die Gefahr ist auch ein Mythos. Und gerne wird in puncto Gefahr ein Vergroesserungsglas ueber die Suedamerikakarte geschoben. Dabei wette ich, dass die meisten Reisenden von anderen Travellern in Hostels bestohlen werden.

Der Mythos ist aber auch bereits in den Koepfen der Suedamerikaner selbst. In Bolivien erzaehlen mir die Leute, dass ich in Peru gut aufpassen muesse - da sei es gefaehrlich. Ich erlebe Peru aber als ueberaus zahm. Als ich in Guyaquil in Ecuador auf dem Weg zum Flughafen der Taxifahrerin erzaehle, dass ich nach Cali in Kolumbien fliege, schaut sie mich an, als wuerde ich dem sicheren Tod entgegen reisen. "Man muss halt aufpassen, wie ueberall in Suedamerika", sage ich ihr. "Und mit dem ganzen Drogengeschaeft habe ich ja nichts zu tun." - "Ja, aber sie nehmen die Touristen dort als Geiseln", entgegnet sie. Dass viele Suedamerikaner noch nie aus ihrem eigenen Land gekommen sind, traegt zur Legendenbildung bei.

In Suedamerika muss man immer auf der HUT sein, oder? (Hier eine Attacke mit einem billigen, pampigen Schinken/ Kaese - Sandwich auf einen Fast-Vegetarier auf dem Flug von Lima nach Guyaquil.

In Suedamerika muss man immer auf der HUT sein, oder? (Hier eine Attacke mit einem billigen, pampigen Schinken/ Kaese - Sandwich auf einen Fast-Vegetarier auf dem Flug von Lima nach Guyaquil.

Ich will mich nicht lustig machen ueber die Sicherheitslage, aber Panik ist wirklich nicht angebracht. Es reichen einige einfache Verhaltenregeln, um das Risiko schon mal erheblich zu senken. Diese Regeln stehen in jedem besseren Reisefuehrer: Geld und Kameras nicht zu demonstrativ raushaengen - und -baumeln lassen. Dunkle Strassen meiden. Vorher bei den Einheimischen (oder an der Hotelrezeption) informieren, welche Gegenden sicher sind. Nachts immer nur das Noetigste mitnehmen und im Ueber-Falle das Geld ohne Zoegern rausruecken, dann passiert in der Regel auch nichts Schlimmeres (sind schliesslich Alle gute Katholiken, die Lateinamerikaner. So einen Diebstahl kann man zur Not ja noch beichten. Bei Mord ist das nicht mehr so einfach...).
Findet man sich dann doch mal in einer schlechten Gegend wider, hilft es oft, Selbstbewusstsein zu zeigen. Ein Mensch, der mit erhobenem Kopf und festem schnellen Schritt geht, wird nicht so schnell Opfer wie jemand, der unsicher um sich schaut und zoegerlich seinen Weg sucht.

Nachts ist Lima am Schoensten. Allerdings gilt das Centro (hier die Kathedrale) dann als hochgefaehrlich.

Nachts ist Lima am Schoensten. Allerdings gilt das Centro (hier die Kathedrale) dann als hochgefaehrlich.

Mit einer teuren Kamera sollte man hier eigentlich nachts nicht rumlaufen. Ich habe das Glueck, dass mich eine Bekannte, die ueberaus freundliche Cristina, durch die Nacht cruist. Ich muss nur mal kurz die Fensterscheibe runterfahren und dann abdruecken.

Mit einer teuren Kamera sollte man hier eigentlich nachts nicht rumlaufen. Ich habe das Glueck, dass mich eine Bekannte, die ueberaus freundliche Cristina, durch die Nacht cruist. Ich muss nur mal kurz die Fensterscheibe runterfahren und dann abdruecken.

Manchmal springe ich aber auch kurz aus dem Wagen, wenn ich denke, dass das Motiv das Risiko lohnt. Trotzdem alles bisschen wacklig, aber das Stativ baue ich hier nachts nicht auf....

Manchmal springe ich aber auch kurz aus dem Wagen, wenn ich denke, dass das Motiv das Risiko lohnt. Trotzdem alles bisschen wacklig, aber das Stativ baue ich hier nachts nicht auf....

San Francisco in Lima

San Francisco in Lima

Als wir in La Paz sind, hoeren wir von einem jungen Oesterreicher, der seit Wochen verschwunden ist. Wahrscheinlich ist er nachts in eine falsche Strasse abgebogen. Oft haben solche Geschichten auch mit Drogen zu tun. Laesst man sich auf Deals mit krummen Gestalten ein, begibt man sich sozusagen freiwillig in Lebensgefahr. Das ist ziemlich dumm und kann natuerlich nicht nur in Lateinamerika, sondern ueberall auf der Welt passieren. Inzwischen bin ich in Kolumbien angekommen. Cali und Medellin liegen auf meiner Route. Orte, die vor wenigen Jahren Beinamen wie "die moerderischste Stadt der Welt", "Hauptstadt der Drogenkartelle", etc, trugen. Ich bin (an)gespannt, glaube aber, dass es schon gut gehen wird - mit der gebotenen Vorsicht und dem Quentchen Glueck, das man auf einer Reise immer gut brauchen kann...

© Peter Theisen, 2011
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Zunaechst geht es nach Suedamerika. Bolivien, Peru, Ecuador und Kolumbien. Dann komme ich fuer Weihnachten kurz zuueck, dann ueber SiIngapur, Indonesien, Australien, Neuseeland in die Suedsee (Samoa, Fiji, etc)
Details:
Aufbruch: 07.10.2011
Dauer: 3 Monate
Heimkehr: 15.01.2012
Reiseziele: Bolivien
Peru
Ecuador
Kolumbien
Der Autor
 
Peter Theisen berichtet seit 12 Jahren auf umdiewelt.
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