Zwei Gwunderfiz am umä luegä

Reisezeit: August 2013 - April 2015  |  von Zwei Gwunderfiz a.

Kolumbien: 50) El Cerrejon – Cabo de la Vela – Cartagena

Von Mompóx aus fuhren wir Richtung Nordosten. Je weiter wir uns „Venezuela näherten“, umso günstiger wurde das Benzin. Die Polizei duldet die „Privattankstellen“, da es sonst kaum Erwerbsmöglichkeiten für die Menschen hier gibt. Das war zumindest die offizielle Information für uns.

So sieht eine "Privattankstelle" aus

So sieht eine "Privattankstelle" aus

DEN Arbeitgeber der Region besuchten wir selbst, den größten Steinkohletagbau der Welt, El Cerrejón. 14000 Menschen sind damit beschäftigt, täglich 24h Steinkohle abzubauen. Diese wird per Zug nach Puerto Bolivar transportiert, dort auf Schiffe verladen, die dann Europa und China beliefern. Um 1Tonne Steinkohle zu gewinnen, werden 18 Tonnen Erde bewegt.

Diese überdimensionierten LKW`s kannten wir bereits von der Kupfermine in Chile.

Diese überdimensionierten LKW`s kannten wir bereits von der Kupfermine in Chile.

Von der Polizei bewacht, schlummerten wir auf dem Parkplatz.

Von der Polizei bewacht, schlummerten wir auf dem Parkplatz.

Es wurde mit jedem Kilometer wärmer und wir freuten uns schon auf die Meeresbrise beim Cabo de la Vela. Dieser Zipfel Kolumbiens ist das Departamento La Guajira. Es ist nur dünn besiedelt, u.a. mit dem indigenen Stamm der Wayuu. Wir hatten schon Einiges von diesen scheinbar eigenwilligen Menschen gehört und waren neugierig, was uns erwartet. Die Wege wurden sandig und ringsherum wuchsen nur noch Kakteen und Dornenbüsche. Alles sehr trocken. Die Menschen sind angewiesen, vom LKW wöchentlich mit Wasser versorgt zu werden. Die Hütten, in denen die Wayuu leben, bestehen aus ein paar zusammengenagelten Holzbrettern. Die Gesichter der Menschen sind kaum zu erkennen, da sie zum Schutz vor Sonne und Sand meist mit einem Tuch bedeckt sind. Als wir am späten Nachmittag unser Plätzchen direkt am Meer gefunden hatten, dauerte es nicht lang und der Nachbar mit 7 seiner 11 Kinder stand bei uns. Dunkle Augenpaare schauten uns neugierig an. Ein gegenseitiges Mustern, Staunen, dann ein Lächeln auf den Lippen. Wir alle sind Menschen und doch liegen Welten zwischen uns. Der Nachbar erklärte uns, dass er morgens früh fischen geht und wir dann gern was bei ihm kaufen könnten .
Wir verbrachten einen sehr relaxten nächsten Tag mit Baden, Lesen und dem Beobachten der Kitesurf-Anfänger.

Harter sandiger Untergrund als Fahrbahn.

Harter sandiger Untergrund als Fahrbahn.

So leben die Wayuu.

So leben die Wayuu.

Unser Schlafplatz am Meer

Unser Schlafplatz am Meer

Den Strand hatten wir ganz für uns allein ...

Den Strand hatten wir ganz für uns allein ...

Das ist Cabo de la Vela Downtown - noch sehr sehr verschlafen, aber der Tourismus hält Einzug.

Das ist Cabo de la Vela Downtown - noch sehr sehr verschlafen, aber der Tourismus hält Einzug.

Am 27. März verließen wir morgens um 9 Uhr Cabo de la Vela und nahmen den Weg in Richtung Punta Gallinas unter die Räder. Wir hatten uns kurz zuvor beim Militär informiert, ob der Weg für uns sicher sei. Mit Vorfreude auf den nördlichsten Punkt des südamerikanischen Festlands fuhren wir los. Mit GPS und Karte sollte es klappen, den Weg zu finden. Die Region ist flach und wie schon in der Salzwüste führen auch hier mehrere Wege zum gleichen Ziel. Wir passierten das Dörfchen Portete und kurz drauf waren wir zur falschen Zeit am falschen Ort.
Das Folgende wird aus Sicht der Gwunderfizin geschildert:
Etwas 200 m vor uns standen 4 Typen mit 2 Mopeds, die miteinander beschäftigt waren. Ein Moped davon stand genau in unserer Fahrspur. Claudio schaltete runter und fuhr langsam ran. Plötzlich drehten sich die 4 Typen um, einer zog eine Pistole und im nächsten Augenblick fiel schon ein Schuss. Die Fahrerscheibe zersplitterte und Claudio schrie auf. Er war im rechten Oberarm getroffen. Mein Kopf realisierte noch, dass wir überfallen werden, dann war er leer. Unsere beiden Türen wurden aufgerissen und wir wurden aus dem Auto gezerrt. Sofort schnappten sich die flinken Hände GPS, Kamera, MP3 Player etc. Ich stand auf der Beifahrerseite und hatte Claudio weder im Blick, noch hörte ich ihn. 2 Typen tasteten mich komplett ab auf der Suche nach Wertsachen. Einer fuchtelte immer mit der Pistole rum. Dann sollte ich die Schiebetür öffnen. „Tranquillo“ war das Einzige, was ich sagen konnte. Ich öffnete die Tür und in der nächsten Sekunde verschwanden die 4 Täter. Ein anderes Moped kam angefahren und hatte die Vier zur Flucht bewegt. Das vorbeifahrende Pärchen reagierte nicht auf meinen Hilferuf. Ich lief ums Bussli und fand Claudio, der an die Seite gelehnt stand. Ein Blutfleck war am Bussli, aber Claudio konnte sich noch halten. Er hatte gar nicht realisiert, dass er angeschossen war. Mit schlotterten die Knie. In mir war Panik, dass die Vier zurückkommen. Claudio kletterte mit Mühe hinten ins Bussli. Völlig aufgelöst bastelte ich eine Art Druckverband, gab ihm Wasser und bat ihn, nicht ohnmächtig zu werden. Ich entfernte grob das Glas vom Fahrersitz, sprang hinters Steuer und fuhr so schnell der Weg es zuließ. Jedes kommende Moped verursachte Herzpochen – und das Moped ist in Guajira DAS Fortbewegungsmittel!

Ca 15 Minuten später erreichten wir die medizinische Abteilung in Puerto Bolivar. Hier wurde Claudios Wunde von einem Arzt untersucht, während mich im Warteraum die Polizei befragte. Ich erzählte, als wäre ich nicht dabei gewesen. Es war wie ein schlechter Film! Etwa eine halbe Stunde später konnte ich zum Arzt. Er erklärte mir, dass die Verletzung nicht lebensbedrohlich sei. Das Einschussloch hatte er bereits mit 3 Stichen genäht, nun müssten wir ins Spital nach Uribia um auf einem Röntgenbild sehen zu können, wo genau das Projektil steckt. Es gab zwar am Arm eine Art Austrittsloch, aber das war nur eine Verletzung von innen her, das Projektil steckte noch im Arm. Erstes Aufatmen.
Claudio fuhr im Ambulanzwagen und ich folgte im Bussli mit einem Polizisten zur Sicherheit auf dem Beifahrersitz. Der Kollege schlief während der Fahrt seelig, es war ja Mittagssiesta.
In Uribia wurde geröntgt und dann folgte ich wieder der Ambulanz nach Maicao. Dort wurde Claudio in der Notaufnahme postiert. Ich sorgte mit der Polizei dafür, dass jemand auf das Bussli schaute - durch die fehlende Scheibe war es ja offen - und wurde dann mit aufs Revier genommen. 2,5 Stunden benötigte man(n) für das Protokoll, das am Ende doch nicht ganz stimmte. Ich hatte Durst, fror in der klimatisierten Wache und war genervt – ich wollte zurück zum Krankenhaus um zu wissen, was los ist. Kurz vor 22 Uhr lieferten mich die Herren wieder am Spital ab. Sie sicherten mir zu, dass am nächsten Vormittag ein Kollege kommt, der uns hilft, ein Ersatzfenster zu bekommen.
Zurück in der Notaufnahme erklärte uns der behandelnde Arzt, dass Claudio jetzt entlassen ist. Der Arm ist geschwollen und erst wenn diese Schwellung abklingt und keine Entzündung da ist, kann das Projektil entfernt werden, ca in 1 Monat. Bis dahin gibt es Antibiotika und täglichen Verbandswechsel. Wir gingen zum Bussli und blieben für diese Nacht auf dem Spitals-Parkplatz. Claudio hatte den ganzen Tag nichts zu essen bekommen und wir stärkten uns mit einer kleinen Brotzeit. Wir redeten über das was passiert war und waren für den Moment einfach nur glücklich, mit dem Leben davon gekommen zu sein und gemeinsam im Bussli zu sitzen. Wir hielten uns ganz fest und versuchten etwas Schlaf zu finden.

Nachdem wir am Samstag Arztbericht und Röntgenbild aus dem Spital geholt hatten und bis zum Mittag vergeblich auf die Polizei gewartet hatten, machten wir uns los. Wir wollten unser Fensterglück in Riohacha versuchen. Leider war auch dort an einem Samstag nichts mehr zu machen und so gingen wir ins dortige Spital zum Verbandswechsel. Ungläubiges Staunen und Bedauern des Vorfalls waren die Reaktionen des Personals. Da wir mit unserem Bussli nirgends mehr einfach so stehen konnten, gingen wir in ein Motel fürs Wochenende. Hier hatten wir ein Zimmer und das Bussli parkte direkt neben uns, somit konnten wir beruhigt schlummern. Wir ignorierten auch die Tatsache, dass es nebenbei ein Stundenmotel war …

Montagmorgen standen wir vor dem Acrylgeschäft, in dem uns geholfen werden sollte, allerdings kommt der entsprechende Kollege montags erst am Nachmittag. OK, dann besuchen wir eben zuerst die Polizei. Ich hatte in Maicao vergessen, um eine Kopie des Protokolls zu bitten, das wollten wir jetzt nachholen. Auf der Wache sprach ich mit einem jungen Polizeimayor namens Lopez und erklärte das Geschehene. Er wusste sofort Bescheid und binnen 5 Minuten hatten wir das Protokoll in der Hand. Kurz drauf parkten wir im Hof der Polizei und saßen auf einen Kaffee beim Polizeichef von Guajira. Er bedauerte aufrichtig, dass uns das passiert ist. Nach etwas Smalltalk und Händeschütteln verließen wir sein Büro und folgten Mayor Lopez und seinen Kollegen durch Riohacha. Sie wollten uns helfen, das fehlende Fenster zu ersetzen. Schon beim 2. Anlauf hatten wir Glück. Aus Acryl wurde etwas Passendes gebastelt und die Polizei half tatkräftig beim Einbau. Im Anschluss luden sie uns auf einen Meeresfrüchtecocktail ein und geleiteten uns noch zum Spital. Hier verabschiedeten wir uns von Mayor Lopez, der echt auf Zack war.

Hier wurde die Acrylscheibe zugeschnitten.

Hier wurde die Acrylscheibe zugeschnitten.

Polizei in Action beim Einpassen der "Scheibe".

Polizei in Action beim Einpassen der "Scheibe".

Echt hilfsbereit und super nett, Mayor Lopez in unserer Mitte.

Echt hilfsbereit und super nett, Mayor Lopez in unserer Mitte.

Nach Verbandswechsel führte uns der Weg nach Palomino in ein beschauliches Dörfchen am Meer. Hier standen wir für drei Nächte um etwas abschalten zu können. Die Verschiffung hatten wir für Mitte April geplant und dann wollten wir zwei eigentlich noch ein bisschen karibisches Inselflair genießen … aber nun durfte Claudio weder lang in die Sonne noch im Meer baden – also war eine Planänderung nötig. In Palomino hatten wir Internet – solang es Strom gab - und wir organisierten Verschiffung und Heimflug.

Chilliges Plätzchen in Palomino

Chilliges Plätzchen in Palomino

Ostern verbrachten wir dann unter schattenspendenden Kokospalmen am Playa Los Angeles. Hier erlebten wir die kolumbianische Campingkultur hautnah. Oftmals kam jemand zu uns und fragte neugierig nach dem Bussli, dem WOHER und WOHIN. Die Kolumbianer sind sehr offene Menschen, die sich unglaublich freuen, dass Touristen ihr schönes Land bereisen.
Wir genossen die letzten Tage in gefühlter Freiheit mit Meeresrauschen zum Einschlafen bevor es endgültig nach Cartagena ging.

Lauschiger Platz unter Kokospalmen

Lauschiger Platz unter Kokospalmen

De Wellen waren riesig und die Strömuung so stark, dass Schwimmen unmöglich war!

De Wellen waren riesig und die Strömuung so stark, dass Schwimmen unmöglich war!

Das war eine echte Wohltat ... keine dröhnende Mucke sondern Meeresrauschen

Das war eine echte Wohltat ... keine dröhnende Mucke sondern Meeresrauschen

In Cartagena bereiteten wir zuerst das Bussli fürs Verschiffen vor. Das hieß Packen, Treffen mit dem Agenten Luis um Papiere zu unterschreiben und Bussli aufräumen. Am 10. April verabschiedeten wir uns vorübergehend von unserem treuen und verlässlichen rollenden Zuhause, ein komisches Gefühl.. Da Claudios Arm nicht so beweglich ist, war die Abwicklung im Hafen sowie das „in den Container fahren“ diesmal Frauensache. Gut festgezurrt wird das Bussli bis Ende April hoffentlich schadensfrei nach Hamburg schwimmen.

Drei weiße VW Busse an einem Fleck, seltener Zufall!

Drei weiße VW Busse an einem Fleck, seltener Zufall!

Für die sehr intensive polizeiliche Autokontrolle musste alles ausgeräumt werden.

Für die sehr intensive polizeiliche Autokontrolle musste alles ausgeräumt werden.

Bussli ist reisefertig verpackt - gute Überfahrt!

Bussli ist reisefertig verpackt - gute Überfahrt!

Ab jetzt waren wir zwei Backpacker, unterwegs mit dem Rucksack. Wir quartierten uns in einem Hostal ein und erkundeten in den verbleibenden Tagen die Altstadt von Cartagena. Bei 75% Luftfeuchtigkeit und Temperaturen bis zu 40° geschieht hier alles ein paar Takte langsamer. Mühevoll ist das Hin- und Herspringen zwischen der heißen Außenwelt und den mega klimatisierten Restaurants und Kaffees. Cartagena ist einerseits schick mit unzähligen Boutiquen und Hotels und nur ein paar Meter außerhalb der schicken Touristenzone ist es vorbei mit „Glanz & Goria“. Wir bummelten durch die kleinen Gassen, genossen einen letzten Strandtag am Playa von Castillo Grande und schlemmerten nochmals Fisch und Meeresgetier.

Farbenfrohe kleine Gassen

Farbenfrohe kleine Gassen

Total geniale Außendekoration eines argentinischen Restaurants.

Total geniale Außendekoration eines argentinischen Restaurants.

Ein Leckerschmaus, Parilla Marisco an Knoblimarinade

Ein Leckerschmaus, Parilla Marisco an Knoblimarinade

Cartagena de Indias

Cartagena de Indias

Altstadt

Altstadt

Wir mussten uns entscheiden Stadttour mit Kutsche..

Wir mussten uns entscheiden Stadttour mit Kutsche..

oder mit Chiva

oder mit Chiva

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Freisein, Land & Leute kennen lernen, die Seele baumeln lassen, Sonnenuntergänge geniessen, Berge besteigen, Sich einlassen auf Neues, eigene Grenzen ausloten & vielleicht überwinden oder einfach gesagt: Zeit haben um die Welt mit eigenen Augen zu entdecken. Nach ca einem halben Jahr Planung starten wir in Buenos Aires ...
Details:
Aufbruch: 10.08.2013
Dauer: 20 Monate
Heimkehr: 16.04.2015
Reiseziele: Argentinien
Uruguay
Chile
Bolivien
Paraguay
Brasilien
Peru
Ecuador
Kolumbien
Der Autor
 
Zwei Gwunderfiz a. berichtet seit 11 Jahren auf umdiewelt.
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