Mit dem Boot durch Preußens Streusandbüchse

Reisezeit: April - September 2008  |  von Doris Sutter

Havelland

Grüß Gott dich Tag, du Preußenwiege,
Geburtstag und Ahnherr unsrer Siege,
Und Gruß dir, wo die Wiege stand,
Geliebte Heimat, Havelland!

(Theodor Fontane, im Mai 1872)

"Die Havel ist ein aparter Fluss", schrieb Theodor Fontane in seiner Wanderung durch die Mark Brandenburg. Recht hat er!
Von ihrem Ursprung als kleiner Wiesenbach im Mecklenburgischen, bis zu ihrer Mündung in die Elbe bei Havelberg ist der Fluss ca. 320 km lang, doch Luftlinie sind es gerade mal ca. 80 km. Gefälle hat sie so gut wie nicht.
Aus Norden, aus Tegel und Spandau kommend, macht die Havel im Berliner Ortsteil Wannsee einen scharfen Bogen und fließt in westlicher Richtung nach Potsdam. Von hier aus wollen wir das Havelland erobern.

Berlin auf dem Wasser, das ist nicht nur Spree, das sind auch Scharfe Lanke, Marina Lanke, Havel und die Badewanne der Berliner, der Wannsee. Schön ist die Fahrt an Schwanenwerder und der Pfaueninsel vorbei. Blauer Himmel spiegelt sich im blauen Band der Seen. Es geht geschäftig zu. Viele Segler und Motorboote sind unterwegs, dazwischen die Weiße Flotte. An unserer Steuerbordseite die Heilandskirche am Schlosspark Sacrow. Vor uns die Glienicker Brücke, auf der zu Zeiten des kalten Krieges die Agenten getauscht wurden.

Pfaueninsel

Pfaueninsel

Heilandskirche

Heilandskirche

Glienicker Brücke

Glienicker Brücke

Im Tiefen See das futuristische Hans-Otto-Theater, daneben eine Marina für bis zu 20 m lange Boote und der Anleger von Aldi Potsdam. Die Einfahrt zur Alten Fahrt hinter der Freundschaftsinsel ist vorübergehend gesperrt worden, es soll ein Wettangeln stattfinden. So gibt es derzeit keinen kostenlosen Anleger in Potsdam.

Aldi Potsdam

Aldi Potsdam

Das ist schade, denn Potsdam muss man gesehen haben.
Wir finden einen Liegeplatz in der Neustädter Havelbucht mit Blick auf das Pumpenhaus von Sanssouci, im Stil einer Moschee. Von hier aus sind es nur ein paar Schritte zur Straßenbahn und auch zu Fuß ist es nicht weit in die Altstadt. Potsdam lebt. Die Bauwut der preußischen Könige, allen voran Friedrich der Große, hat Potsdam zu einer wahrhaft königlichen Stadt gemacht. Knobelsdorff, Schinkel und seine Schüler konnten sich hier austoben und haben ein einzigartiges Baudenkmal erschaffen. Eingebettet in die malerische Fluss- und Seenlandschaft der Havel, des Tiefen Sees, des Jungfernsees und des Templiner Sees ist die einstige Residenzstadt der preußischen Könige und heutige brandenburgische Landeshauptstadt immer einen Landgang wert. Am Brandenburger Tor - es ist sogar 21 Jahre älter als das in Berlin - ist die Touristen-Information mit einem sehr anschaulichen und wirklich brauchbaren Stadtplan. Mit Tram oder Bus ist man schnell von einem zum anderen Ende der Stadt gefahren. Nach Babelsberg zum Beispiel, um die ehemalige Filmstadt zu besichtigen. Wer gut zu Fuß ist, sollte sich die Stadt mit ihren wunderbaren Häuserschluchten, Kirchen und Schlössern erlaufen.

Hans-Otto-Theater

Hans-Otto-Theater

Brandenburger Tor Potsdam

Brandenburger Tor Potsdam

Sanssouci

Sanssouci

Kaiserbahnhof

Kaiserbahnhof

Kunst an der Platte

Kunst an der Platte

Holländisches Viertel

Holländisches Viertel

Rathaus

Rathaus

Russisches Viertel

Russisches Viertel

Pumpstation für die Springbrunnen des Schlosses

Pumpstation für die Springbrunnen des Schlosses

Der Yachthafen Potsdam bei km 23 ist 15 Jahre alt und bietet Platz für Boote bis 18 m. Eine Marina mit Waschmaschine und Trockner, einer Slipanlage, Gästezimmer und Bootscharter.
Nicht nur nachts sind alle Katzen grau, auch wenn es regnet, verschwimmen die Farben von Templiner See und Schwielowsee mit dem Grau des Himmels. Auch ein Wassersport-Eldorado ist kein Garant für ewigen Sonnenschein.

Tankstelle

Tankstelle

Yachthafen Potsdam

Yachthafen Potsdam

Schiewlowsee

Schiewlowsee

Wer ein kleineres Boot hat, findet in Caputh eine Möglichkeit anzulegen um Schloss Caputh und das Sommerhaus von Albert Einstein zu bewundern. Obwohl Nichtschwimmer war er ein begeisterter Segler. Fonty nannte Caputh übrigens das Chicago des Schwielowsees.
Der Schwielowsee bietet einige nette Ankerbuchten und an seinem Ende die winzige Stadt Ferch mit einigen alten reetgedeckten Fischerkaten und einem japanischen Bonsai-Garten am Ortsausgang.
Nirgendwo sonst gibt es ein so wunderbares Wassersportrevier, wo unberührte Natur und zahllose Sehenswürdigkeiten an Land so dicht beieinander sind.
Die Inselstadt Werder grüßt schon von weitem mit dem Turm der Kirche Zum Hl. Geist. Gleich daneben ist eine Windmühle, die aber nur von Mittwoch bis Sonntag zu besichtigen ist. Werder ist weit über seine Grenzen hinaus bekannt für seinen Obstanbau, den Obstwein und das Baumblütenfest im Mai. Rund um die Insel gibt es Liegeplätze auch für größere Boote.

Werder

Werder

Blick auf die Insel Werder mit der Windmühle

Blick auf die Insel Werder mit der Windmühle

Jesus als Apotheker in Werder

Jesus als Apotheker in Werder

Die Havel zeigt sich weiterhin von ihrer schönsten Seite. Idyllisch mäandert sie durch Wiesen und Waldgebiet. Nie kann sie sich entscheiden wohin ihr Weg nun wirklich führen soll. Ihre Arme umschlingen unzählige Inseln, bilden Seen und Buchten. Es ist ein reiner Irrgarten. Um diese Seen und Seitenarme zu erkunden, hat der Skipper drei Möglichkeiten. Entweder er verzichtet gleich darauf und bleibt im betonnten Fahrwasser, oder das Boot ist so klein, dass er seinen Tiefgang vernachlässigen kann, oder er braucht eine gute Karte und ein topp funktionierendes Lot, denn diese seitlichen Gewässer können sehr flach sein und oft sind sie auch verkrautet. Außer einem Echolot ist auch ein Geschwindigkeitsmesser auf den Brandenburger Seen unverzichtbar. Wer kann schon genau 6 km/h abschätzen, außer der Blitzlichtlampe der Wasserschutzpolizei. Sie ist hier sehr präsent und es sei jedem Skipper angeraten sich an die Verkehrsschilder am Ufer zu halten. Wusstet ihr eigentlich, dass bereits die alten Römer ein Patentlog hatten? Sie zogen Schaufelräder hinter ihren Schiffen her, deren Umdrehungen es ihnen ermöglichte die Entfernung zu schätzen. Ein waches Auge muss man auf die vielen Netze im Wasser haben, ihre Fischstäbchen, verengen manchmal sogar das betonnte Fahrwasser.

Fischstäbchen verengen das Fahrwasser

Fischstäbchen verengen das Fahrwasser

Dann haben wir sie erreicht - die Stadt im Land - Brandenburg in Brandenburg - die Stadt im Fluss! Wir schleichen uns in den Stadtkanal und legen am Jungfernsteig vor der nur 2,80 m hohen Steintorbrücke an. Es ist eine Einbahnstraße für uns, dafür liegt man ruhig und preiswert. 5 € für das Boot, Strom und Wasser aus dem Automaten. Duschen und Toiletten kann man benutzen. Auch ein idealer Platz für einen größeren Einkauf, denn Aldi ist in diesem Viertel. Auf der Straßenbrücke nach rechts, am Brennabor-Hof vorbei, dann gleich links. Sehr schön an einem Park gelegen ist der Liegeplatz Salzhof an der Jahrtausendbrücke. Er ist gebührenpflichtig, aber Service gibt es nicht. Als wir dort lagen herrschte sehr viel Boots- und Schiffsverkehr, entsprechend unruhig geht es zu. Boote mit einer Höhe über 2,80 m müssen die Vorstadtschleuse in der Havel nehmen, Boote mit weniger Höhe müssen die Sportbootschleuse des Stadtkanals benutzen.
Auf 3 Inseln haben die Wenden ihre Festung "Brennabor" erbaut. Die Havelarme und Kanäle, die die Stadt durchziehen, sind sehr reizvoll. Hätten die Hohenzollern im 15.Jh. ihre Residenz nicht nach Berlin verlegt, wäre Brandenburg vielleicht heute die Hauptstadt Deutschlands. Es gibt einige sehr schöne Kirchen und Bauwerke zu bewundern und natürlich den Dom.

Brandenburg in Sicht

Brandenburg in Sicht

der Roland von Brandenburg

der Roland von Brandenburg

Moses hat über die Toppen geflaggt

Moses hat über die Toppen geflaggt

Die Beetzseekette mit vielen Anlegemöglichkeiten bietet sich zum Baden und Wasserski fahren an. Sie zweigt in Höhe des Silokanals von der Havel Richtung Norden ab.
Über die Brandenburger Niederhavel verlassen wir die Stadt und erreichen den Breitlingsee. Hier gibt die Havel noch einmal alles. Buhnenwerder, Kleinwerder, Wusterau trennen die große Wasserfläche in Breitlingsee, Möserscher See und Plauer See. Die Bezeichnung Werder für eine Insel ist ein Übrigbleibsel der slawischen Entstehungszeit. Tiefgehende Boote müssen sich an die betonnten Fahrrinnen halten, wenn sie die Seen erkunden oder die kleinen Orte besuchen wollen. Manche Untiefe könnte dem Propeller nicht gut bekommen.
Im Plauer See ändert die Havel ihre Richtung und fließt als Westliche Havelseenplatte am Naturpark Westhavelland vorbei. Eine überaus reizvolle Stecke mit kleinen Seen und vielen romantischen Seitenarmen. In Höhe Havelberg verbindet sich die Untere-Havel-Wasserstraße (was für ein prosaischer Name für diesen reizenden Fluss) mit der Elbe.

Wir verlassen die Havel im Plauer See und streben über den 56 km langen Elbe-Havel-Kanal (EHK) Elbe und Mittellandkanal zu. In Genthin vereinigt sich der EHK mit dem 1745 gegründeten Plauer Kanal. Förenalleen begleiten den Kanal, teilweise dichter Laubwald, ein Maisfeld oder einfach nur Natur. In Burg legen wir im Sportboothafen der Wassersportfreunde 1924 eV. an und finden sehr freundliche Aufnahme. Michael Gnensch, der Hafenmeister, ist ab 16 Uhr im Restaurant Hafenschänke, das seine Frau Malve führt, zu finden. Ein uriges Lokal mit sehr viel maritimem Flair und sehr guter, preiswerter Küche. Wo sonst bekommt man noch ein frisch gezapftes Bier für 1,60 €. Auch ein Besuch des mittelalterlichen Städtchens lohnt sich.
In Burg sind wir bereits in Sachsen-Anhalt. Hier endet unsere Spazierfahrt durch die Havelseen

Warten vor der Schleuse Zerben

Warten vor der Schleuse Zerben

der Roland von Burg

der Roland von Burg

alt neben restauriert

alt neben restauriert

Hexenturm

Hexenturm

Hafen der Wassersportfreunde Burg

Hafen der Wassersportfreunde Burg

Und hier endet auch unsere Reise durch die neuen Bundesländer.
Den Rückweg über Mittellandkanal, Dortmund-Ems-Kanal und den Rhein,habe ich ja bereits beschrieben.

© Doris Sutter, 2008
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Begleitet Beluga und ihre Crew auf ihrer Bootstour durch Preußens Gloria und die neuen Bundesländer. Die Bootsreise begann am Rhein, führte über den Dortmund-Ems- und Mittellandkanal zur Elbe, über die mecklenburgische Seenplatte nach Berlin, die Oder ins Stettiner Haff und in den Amazonas des Nordens, in die Peene. Aber lest doch einfach selber.
Details:
Aufbruch: April 2008
Dauer: 5 Monate
Heimkehr: September 2008
Reiseziele: Deutschland
Polen
Der Autor
 
Doris Sutter berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Doris sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
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