Thüringen - Vom Bauhaus zurück in die Hallstatt-Zeit

Reisezeit: April 2009  |  von Herbert S.

Erfurt - unsere Kurzheimat

Wir wollten eigentlich eine Wohnung in Weimar für eine Woche mieten; aber dort haben sie uns nicht gefallen oder waren bereits belegt. Danach fanden wir eine kleine - sehr preiswerte Wohnung - im Norden von Erfurt, die wir wegen des schönen Wetters - und weil wir uns dort sehr wohlgefühlt haben - noch ein wenig verlängert haben.
Im übrigen haben wir festgestellt, dass Erfurt in fast allen Bereichen erheblich preiswerter ist als Weimar, das offensichtlich seine Goethe'sche Berühmtheit weitlich ausnutzt und Touristen ganz schön abzockt.

Küche in der Ferienwohnung

Küche in der Ferienwohnung

Am Anreisetag haben wir die Altstadt von Erfurt noch zu Fuß in ca. 30 min von dort erreicht und konnten erste Erinnerungen von unserem Besuch zu DDR-Zeiten auffrischen. Bereits vor Reiseantritt hatte ich mir die Feuerkugel zur 'Einnahme' der ersten Thüringer Spezialitäten ausgesucht.
Das Schwarzbierfleisch mit Speckbohnen und Thüringer Klößen war köstlich - natürlich paßte das Köstritzer Schwarzbier hervorragend dazu.
Am nächsten Morgen bin ich zur 50m entfernten Bäckerei gegangen, um drei frische Brötchen zu erstehen: 'Ich hätte gerne drei Brötchen' - 'Wir hamm nur Dobbelbrötchen'! Dafür waren zwei dieser Doppelbrötchen noch preiswerter als zu Hause drei normale! Nach dem Frühstück beginnen wir dann unseren Erkundungsstadtrundgang: Wir starten am Anger, dem Zentrum und Angelpunkt des ÖPNV von Erfurt. Entlang des Anger läßt sich Architekturgeschichte studieren. Es sind nahezu alle Baustile von Gotik über Barock, Renaissance, Neurenaissance- und Neogotik, Jugendstil und Art Deco bis hin zu neuzeitlichem Städtebau vertreten.

altes Hauptpostamt am Anger - 1892-1895 -
Neurenaissance

altes Hauptpostamt am Anger - 1892-1895 -
Neurenaissance

Kaufhaus am Anger

Kaufhaus am Anger

alle Stilrichtungen

alle Stilrichtungen

sind in der Angerstrasse vertreten

sind in der Angerstrasse vertreten

Im Haus Dacheröden trafen sich einst Schiller, Goethe und Humboldt

Im Haus Dacheröden trafen sich einst Schiller, Goethe und Humboldt

Von der Angerstrasse biegen wir rechts in eine Gasse zur Barfüßerkirche ab, da wir durch die Bauhausrecherchen auf die Skizzen von Feiningers Kirchen gestoßen sind. 1291 - 1430 als Kirche eines Franziskanerklosters erbaut, nach wechselvoller Geschichte 1944 teilweise zerstört wird sie seit nach dem Krieg als Außenstelle des z.ZT. geschlossenen Angermuseums genutzt.

das gleiche Motiv - von mir fotografiert - von Feininger skizziert

das gleiche Motiv - von mir fotografiert - von Feininger skizziert

Auf dem Weg zur Krämerbrücke passieren wir die neue Mühle, in der als letzter der ehemals 60 betriebenen Mühlen an der Gera die funktionstüchtige Wassermühle als technisches Museum präsentiert wird.

technisches Museum 'Neue Mühle'

technisches Museum 'Neue Mühle'

Überhaupt hat man bei dem sommerlichen Wetter ein wenig das Gefühl in einer Art Klein-Venedig zu sein. Die Wasserarme der Gera sind ruhig und bieten vielfach auf hölzernen Terrassen einen Ruheplatz einzelner Häuser oder Restaurants.

selbst Neubauten haben Bauhausformen übernommen und Terrassen 'in' die Gera gebaut

selbst Neubauten haben Bauhausformen übernommen und Terrassen 'in' die Gera gebaut

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Das nächste Highlight unterstützt noch einmal die Assoziation mit Italien: die berühmte Krämerbrücke - ähnlich vollständig bebaut mit Häusern wie die Ponte Vecchio als älteste Brücke in Florenz.

Die 120 m lange Brücke war im Mittelalter mit 62 Häusern 'bestückt'. Heute sind sie meist zu mehreren zusammengefaßt. Viele Boutiquen, Weinläden und Minirestaurants haben ihre Stühle in die enge Gasse gestellt.

Die 120 m lange Brücke war im Mittelalter mit 62 Häusern 'bestückt'. Heute sind sie meist zu mehreren zusammengefaßt. Viele Boutiquen, Weinläden und Minirestaurants haben ihre Stühle in die enge Gasse gestellt.

Früher gab es hölzerne Fundamente und auch eine Holzbrücke. Aber bereits Ende des 13. Jh. wurde mit der Steinbrücke begonnen. Z.T sind in den (hohen) Brückenpfeilern Keller für die Häuser untergebracht.

Früher gab es hölzerne Fundamente und auch eine Holzbrücke. Aber bereits Ende des 13. Jh. wurde mit der Steinbrücke begonnen. Z.T sind in den (hohen) Brückenpfeilern Keller für die Häuser untergebracht.

Krämerbrücke mit Ägidienkirche

Krämerbrücke mit Ägidienkirche

Ursprünglich waren an beiden Brückenenden Kirchen, die als Brückenkopf auch Mautstellen darstellten. Die Ägidienkirche gibt es auch heute noch und wieder einmal kann ich der Möglichkeit einer Turmbesteigung nicht wiederstehen.

Ägidienkirche

Ägidienkirche

128 Stufen!!

128 Stufen!!

Krämerbrücke von oben - links oben die drei markanten Türme der Severikirche

Krämerbrücke von oben - links oben die drei markanten Türme der Severikirche

Panorama nach Süden

Panorama nach Süden

Panorama nach Westen - mit Dom und Severikirche im Hintergrund - mit Krämerbrücke im Vordergrund

Panorama nach Westen - mit Dom und Severikirche im Hintergrund - mit Krämerbrücke im Vordergrund

Am Platz vor der Ägidienkirche beginnt die Futterstrasse - nach meinem Eindruck heißt sie so, weil dort ein Restaurant neben dem anderen liegt (aber das ist sicher nicht richtig). Wir finden dort ein Kabarett: 'das Lachgeschoß' im Dachgeschoß. Das derzeitige Programm 'Frauen sind keine Männer - aber das schaffen sie auch noch' buchen wir für einen der kommenden Abende. Das Kabarett wird privat betrieben und ist recht klein. Man sitzt an Tischen und kann während des Programms etwas trinken. Die Akteure verkaufen vor der Vorstellung und in der Pause selbst die Getränke. Es hat sich gelohnt.

untern Dach: das Lachgeschoss

untern Dach: das Lachgeschoss

Pause machen wir mit Thüringer Spezialitäten im Ratskeller.

Ratskeller mit mehreren Gewölben

Ratskeller mit mehreren Gewölben

Zentrum der Altstadt ist wohl der Fischmarkt, der Kreuzung zweier alten Handelsrouten.

Stadtmodell am Fischmarkt

Stadtmodell am Fischmarkt

Das Haus 'zum breiten Herd' (1584) ist im ersten OG mit fünf Frauenfiguren geschmückt, die die fünf Sinne darstellen.

Das Haus 'zum breiten Herd' (1584) ist im ersten OG mit fünf Frauenfiguren geschmückt, die die fünf Sinne darstellen.

neugotisches Rathaus auf der Ostseite des Fischmarktes

neugotisches Rathaus auf der Ostseite des Fischmarktes

das Renaissancegebäude 'Zum roten Ochsen' birgt heute die Kunsthalle - davor steht der hl. Martin in römischem Kriegergewand

das Renaissancegebäude 'Zum roten Ochsen' birgt heute die Kunsthalle - davor steht der hl. Martin in römischem Kriegergewand

Ankündigung vor der Kunsthalle - die Bauhausaustellung 'Kunstlichtspiele'

Ankündigung vor der Kunsthalle - die Bauhausaustellung 'Kunstlichtspiele'

Die Ausstellung 'Kunstlichtspiele' ist die einzige Ausstellung anläßlich des Bauhauses 2009 in Erfurt im April. Sie stellt die Licht-Kunst-Bewegung des 20. Jahrhunderts vor. Das elektrische Licht als Sinnbild für Modernität bringt Künstler aller Genres zu neuen Inspirationen.
Der Bauhaus-Künstler Lázló Moholy-Nagy u.a schufen diverse Konstruktionen (Licht-Raum-Modulator), die ausgestellt werden. Ein beeindruckendes Modell einer Festhalle aus Glas von Luckhardt ist zu bewundern.

Die Beschreibung der Ausstellung erfolgt hier, obwohl wir sie aus 'taktischen' Gründen erst an einem der letzten Tage besucht haben, um die Eintrittskarte innerhalb der nächsten 48 Stunden weiter nutzen zu können. Aber sie gehört halt zu Erfurt.

Leider ist innen mal wieder Fotografieren verboten. Eine Aufnahme des Bauhaus-Lichtkubus, den ich nirgendwo anders gesehen habe, mußte ich dann aber doch heimlich machen. Er setzt sich aus den Stabelementen der anderen Beleuchtungskörper des Bauhauses zusammen.

Leider ist innen mal wieder Fotografieren verboten. Eine Aufnahme des Bauhaus-Lichtkubus, den ich nirgendwo anders gesehen habe, mußte ich dann aber doch heimlich machen. Er setzt sich aus den Stabelementen der anderen Beleuchtungskörper des Bauhauses zusammen.

Der Weg zum großen Dom-Platz ist nicht weit. An seiner Flanke sind die zahlreichen Fachwerkhäuser aufwändig restauriert.

am Domplatz

am Domplatz

Mariendom von Erfurt

Mariendom von Erfurt

Blick vom Petriberg auf Mariendom und Severikirche

Blick vom Petriberg auf Mariendom und Severikirche

Der Petersberg ist eine etwa 231 Meter hoch gelegene Erhebung, die nördlich von Mariendom und Severikirche liegt. Auf dem Gelände erstreckt sich die Zitadelle Petersberg. Im Inneren befindet sich die Peterskirche, die einst größte romanische Klosterkirche Thüringens.

Zugang zur Zitadelle

Zugang zur Zitadelle

Citadelle Petriberg - sternförmig wie alle Zitadellen

Citadelle Petriberg - sternförmig wie alle Zitadellen

erhaltener aber noch nicht restaurierter Kasernenbau - die nebenan gelegene Petrikirche ist heute ein Kunstforum

erhaltener aber noch nicht restaurierter Kasernenbau - die nebenan gelegene Petrikirche ist heute ein Kunstforum

Wir verlassen den Petriberg und gelangen in den nördlichen Teil der Stadt.

Kornhofspeicher -  1465-1473 im Auftrag des Stadtrates errichtet und im mittelalterlichen Originalzustand

Kornhofspeicher - 1465-1473 im Auftrag des Stadtrates errichtet und im mittelalterlichen Originalzustand

der Johanneskirchturm dient der Augustinerkirche als Glockenturm

der Johanneskirchturm dient der Augustinerkirche als Glockenturm

in der Johannesstrasse gibt es auch noch einen 'Nostalgie'-Laden

in der Johannesstrasse gibt es auch noch einen 'Nostalgie'-Laden

Das Stadtmuseum Erfurtliegt in der Johannesstrasse. Der Hauptsitz ist das Haus zum Stockfisch. Interessant ist auf der Internetseite unter 'Hausgeschichte' die frühere Bestimmung des Gebäudes als Mantelfabrik um 1900 und als Waren- und Möbel-Creditanstalt mit alten Fotos.

Stadtmuseum im Haus zum Stockfisch
Renaissanceportal mit vor- und zurückspringenden Quadern

Stadtmuseum im Haus zum Stockfisch
Renaissanceportal mit vor- und zurückspringenden Quadern

Im Stadtmuseum werden zahlreiche Exponate, Urkunden, Schriftstücke und Karten zur Geschichte der Stadt Erfurt gezeigt, aber auch multimediale Darstellungsformen geboten.

Detail der Fassade

Detail der Fassade

Das Haus stehet in Gottes Hand Zum Stockfisch ist genand

Das Haus stehet in Gottes Hand Zum Stockfisch ist genand

Der Rundgang nähert sich seinem Ende, vorbei an der Kaufmannskirche und über eine der Ringstrassen gelangen wir zum Parkplatz unseres Autos.

Kaufmannskirche

Kaufmannskirche

Rechtschaffen müde gibt es nur noch eine Kleinigkeit und die Planung für den nächsten Tag.

© Herbert S., 2009
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Die Ankündigungen zu zahlreichen Ausstellungen anläßlich des 90. Jahrestages der Eröffnung des Bauhauses Weimar veranlaßte unsere Reise nach Thüringen. Das Thema Bauhaus ist natürlich in Deutschlands geschichtsträchtiger Mitte nicht die einzige Sache, mit der man sich beschäftigen muß.
Details:
Aufbruch: 06.04.2009
Dauer: 12 Tage
Heimkehr: 17.04.2009
Reiseziele: Deutschland
Der Autor
 
Herbert S. berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Herbert sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
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