Zwischen Heimweh und Fernsucht

Reisezeit: Februar 2009  |  von Mel Meyer

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Vorläufig angekommen

18. Februar 2009

Die Suche einer Unterkunft war leider nicht so erfolgreich, wie erhofft. Eine tierfreundliche Pension war mein erster Versuch, der nach sieben Kilometern an einer verbarrikadierten Brücke scheiterte, um die kein Weg herumführte. Glücklicherweise gab es einen Plan B: Ich war an einem Hotelroutenplan vorbeigekommen. Nun sind Hotels oft teurer, als die 30 Euro, die mir für die Übernachtung vorschwebten. Am sinnvollsten wäre es daher wahrscheinlich mir einen kleinen Familienbetrieb zu suchen. Ich verglich die Zahl der vorhandenen Betten und fand eins mit nur 15 Stück in der hübsch klingenden Seestraße.
Was ich dort fand war allerdings kein schnuckeliger Familienbetrieb, sondern eine Villa, deren niedrige Bettenzahl wohl ausschließlich auf die enorme Zimmergröße zurückzuführen war. Wie ich aus dem Namen der Straße hätte erahnen können, lag dieser Prachtbau unmittelbar am Bodensee. Selbst im Dunkeln ein überwältigender Anblick für zwei Städter, den wir auf einem ausführlichen Mitternachtsspaziergang genossen!

Hier wollte ich mir den Sonnenaufgang ansehen! Morgens um kurz vor 2.00 Uhr war ohnehin nicht mehr daran zu denken noch eine andere Unterkunft zu finden. Also wurde das Auto umgebaut und der Schlafsack eingeweiht. Durch die Atemluft hatten wir zwar innerhalb von zwei Stunden Frost an der Innenseite der Scheiben, mit dem kleinen Wärmehund an meiner Seite war die Kälte aber einigermaßen auszuhalten. Und praktisch war natürlich, dass ich mich nicht einmal anziehen und aufstehen musste, um Pepper rauszulassen Einfach Autotür auf - Pepper absetzen - 2 Minuten warten - Pepper wieder an Bord holen - Autotür zu und weiterschlafen. Klasse!

Als ich gegen 6.46 Uhr wach wurde, hatte gerade die Dämmerung eingesetzt. Genau richtig, für den Sonnenaufgang am Bodensee! Immer der Sonne entgegen in der klirrenden Kälte. Herrlich ruhig. Nur die ersten verrückten Jogger und ein paar Gleichgesinnte, die ihre Hunde auslüften gingen.

Pepper war in einem Zustand der grenzenlosen Verzückung. So viel Wasser und Unmengen merkwürdig aussehenden Geflügels darauf. Die noch verschlafen dahintreibenden Möwen wurden unsanft aus ihrer Ruhe gerissen, als Pepper entdeckt hatte, wie viel Spaß man beim Jagen dieser Dinger haben kann.

Gegen den langsam einsetzenden Hunger wagte sie sich dann auch noch auf kulinarisches Neuland. Hund muss ja alles mal probiert haben:

Wer es mag?!

Jetzt wurde es aber langsam doch Zeit eine Bleibe, einen Kaffee und eine Duschgelegenheit zu organisieren. Eine junge Frau am See hatte mir den Weg zur Jugendherberge beschrieben, den ich wagemutig in Angriff nahm. Leider war die Beschreibung für eine Ortsunkundige irreführend, so dass ich (obwohl schon auf dem richtigen Weg) die Gegenrichtung einschlug, um dort weiter zu suchen. In das Studium der Wegweiser vertieft, sah ich erst im letzten Augenblick, dass der Wagen vor mir schräg zum Stehen gekommen war und damit meine Abbiegerspur blockierte. Mein Bremsmanöver wurde allerdings von einem mit Laub bedeckten feuchten linken Fahrstreifen boykottiert. Und so konnte ich nur zugucken, wir Rubinchen sich - langsam rutschend - ein blaues Auge einfing:

Sorry Mama!

Der Fahrer des angestoßenen Renaults stieg aus seinem Wagen, sah sich die gruselige Beschädigung an und befand, wir sollten uns erst einmal an den Straßenrand stellen. Durch das "Entknäulen" unserer Fahrzeuge sprang die Delle aus dem Heck, so dass alles gleich gar nicht mehr so schlimm aussah:

Leider war Pepper durch ihre Transportbox am sofortigen Einsatz des Welpenblicks zur Schlichtung gehindert. Ich entschied mich gegen einen Imitationsversuch und erklärte dem jungen Mann meine Situation. Wir haben vorsorglich die Adressen ausgetauscht, falls der Schaden größer sein sollte, als er jetzt aussieht. Nachdem er mir versichert hatte, dass er vermutlich keine Reparatur vornehmen lassen würde und mir den Weg zu der gesuchten Jugendherberge beschrieben hatte, trennten sich unsere Wege und ich hoffe, dass ich nie wieder von ihm hören werde.

Mit der nun passenden Beschreibung war es fast kein Problem mehr die Herberge zu finden. Dort angekommen erklärte mir die noch etwas unbeholfene Empfangsdame: "Zimmer kein Problem, aber mit Hund leider unmöglich." Das erste Mal, dass Pepper nicht alle Türen öffnet, sondern eine verschließt? Die nochmalige Rückfrage bei ihren Kolleginnen brachte keine neuen Erkenntnisse, aber drei Neugierige hervor. "Oooooch, wie süß!" Man würde ja so gern eine Ausnahme machen, aber wegen eventueller Allergiker, die künftig zu Besuch kommen möchten, sei dies leider unmöglich. Ein weiterer Spieler betrat die Bühne - der Chef von det Janze, wie ich später erfuhr. Selbst ganz verzückt hätte auch er mir den Hund sofort abgenommen, damit ich Zimmer bekommen kann.
Wenigstens den Tipp erhielt ich, dass im Humboldt-Institut Zimmer für 25 Euro zu haben seien. Komischer Name für ein Hotel... trotzdem fix zu Fuß auf den Weg gemacht: Zimmer wären frei, der Hund kein Problem. Ob ich denn Studierende sei? - Äh? Nö! Hm,ja dann sei das leider doch nicht möglich. Man würde nur an Mitglieder der Universität vermieten. So ein Pech aber auch.

Ich war kaum aus dem Institut, als aus einem langsam vorbeifahrenden Wagen der Chef der Herberge fragte, ob denn alles geklappt hätte. Leider nein. Dann solle ich halt wieder nach oben gehen - mit seiner ausdrücklichen Genehmigung.
Die Damen waren bereits durch ein Telefonat informiert. Man hätte herausgefunden, dass es rechtlich möglich wäre Tiere unterzubringen, wenn man ein extra Zimmer dafür einrichtet, das dann eben nicht an Allergiker vermietet wird. Also wurde umgehend ein Hundesalon ernannt, den wir inzwischen bezogen haben. Bis Sonntag wohne ich jetzt mit Halbpension, Seeblick und direkter Sonne im Zimmer. Es hätte kaum schöner kommen können und Pepper hat die Hunderechte in Konstanz nun maßgeblich mitgestaltet.

  • 18.00 Uhr: Dämmerungs-Blues


Den ganzen Tag waren wir spazieren und sind dementsprechend erschöpft. Ich durchlebe gerade mein Abendtief, das mich die Einsamkeit besonders intensiv wahrnehmen lässt. Was nützt einem all die Freiheit, wenn man die schönen Momente nicht mit dem Menschen teilen kann, den man liebt?
Ich verabschiede mich von meinem Wunsch nach Freiheit und wünsche mir statt dessen Zufriedenheit. Keine Ahnung, wo ich die verloren habe und wann der Trieb begann, dass etwas anders sein müsste, als es ist. Glücklich zu sein mit dem was man hat ist der Schlüssel - und ich habe jeden Grund dazu!

© Mel Meyer, 2010
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Die Krise ist da - eine Reise muss her. Geld mal wieder Mangelware... Zum Glück gibts Eltern und Freunde! Mütterliches Auto, väterliches Navigationssystem, dazu freundschaftliche Reiseutensilien und gutgemeinte Ratschläge. Eine Prise Spontanität, ein Hang zu Italien und zum Extremen, ein Leihwelpe und los geht die Fahrt! Das Ziel: In Berlin losgehen und bei mir ankommen...
Details:
Aufbruch: 16.02.2009
Dauer: 11 Tage
Heimkehr: 26.02.2009
Reiseziele: Deutschland
Tschechische Republik
Schweiz
Italien
Der Autor
 
Mel Meyer berichtet seit 14 Jahren auf umdiewelt.
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