Heidschnucken und Backsteingotik

Reisezeit: September 2012  |  von Herbert S.

Freilichtmuseum Kiekeberg

Ebenfalls durch einen Flyer aufmerksam geworden, 'mußten' wir auch das Freilichtmuseum am Kiekeberg besichtigen, da die Kunststätte Bossard mit 6 € Eintritt ein Kombiticket anbot, das uns für 2 € dann hier Einlaß gewährte.

Da ich selbst am Aufbau und der Konzeption eines Textilmuseums beteiligt bin, ist natürlich alles was mit Weben zu tun hat ein fotografisches Muß.

Ein Teil der gezeigten historischen Gebäude stammt aus (einem)
Heidedorf.
Die bäuerliche Wirtschaft der Nordheide ist geprägt vom Umgang mit dem Vieh, da die Böden hier karg waren und sich lediglich für wenige Feldfrüchte eigneten.
Ein anderer Teil zeigt Gebäude aus (einem) Marschendorf.
Entlang der Elbe zieht sich das fruchtbare Gebiet der Winsener Marsch. Auf den ertragreichen Böden wurden Rindvieh- und Pferdezucht, Ackerbau und Gemüseanbau betrieben. Daneben lebten viele Familien von der Elbe.
Sie sind nicht im einzelnen vorgestellt, sondern lediglich einen Anreiz geben evt. selbst zu erkunden.

Auf ein Gebäude möchte ich näher eingehen, da es eigentlich in solch einem Freilichtmuseum singulär ist: die Nissenhütte als Notunterkunft der Nachkriegsjahre

Nissenhütten wurden ab Herbst 1945 als Notunterkünfte in den zerstörten Großstädten Nordwestdeutschlands von den britischen Besatzungsbehörden aufgestellt
Ursprünglich wurden diese Billighütten von der britischen Armee im Ersten Weltkrieg in Frankreich als provisorische Truppenunterkünfte und Lagerschuppen verwendet Sie erhielten ihren Namen nach dem Konstrukteur, dem kanadischen Offizier Peter Norman Nissen. Nissen war längst tot, als diese Hütten in Deutschland erstmalig auch als Notunterkunft für Zivilisten eingesetzt wurden
Obwohl nicht als winterfeste Behausungen geeignet, mussten obdachlose Flüchtlinge und Ausgebombte darin viele Jahre zubringen Noch 1955 lebten allein in Hamburg mehr als 10 000 Menschen in solchen Hütten.

nicht 'wintertauglich' wurden sie mit umgebauten Bombenhüllen als Öfen beheizt.

nicht 'wintertauglich' wurden sie mit umgebauten Bombenhüllen als Öfen beheizt.

Als Unterkunft fur deutsche Zivilisten wurden sie im Landkreis Harburg nicht genutzt. Doch auch hier standen häufig Nissenhütten, als Lagerschuppen und als Schulküche (in Winsen) oder im Ausländerlager in Heidenau.

Eine Besonderheit ist der Wassererlebnispfad, der bereits nahe des Eingangs mit einer historischen Wasserschnecke beginnt.
Manche Teile der Marsch lagen so tief, dass das Wasser nicht von selbst durch die Siele ablaufen konnte. Hier musste das Wasser mit mechanischer Hilfe auf die andere Seite des Deiches gehoben werden. Zu diesem Zweck wurden zunächst einfache Schöpfräder gebaut. Im 18. Jahrhundert waren hierzu archimedische Schnecken verbreitet. Angetrieben wurden die Schnecken von kleinen Windmühlen.

diese hier darf man über die Handkurbel betätigen!

diese hier darf man über die Handkurbel betätigen!

Moderne 'Spielzeuge zu diesem Thema stehen in einem anderen Teil des Freilichtmuseums

So funktioniert eine Rieselwiese
Diese frühe Form einer künstlichen Be- und Entwässerung funktionierte ganz natürlich: In einer Rieselwiese benässen aufgestaute Flüsse oder Bäche den Boden über angelegte Gräben. Erst diese Technik machte es möglich, die Niederungen überhaupt zu bewirtschaften!
Angelegt wurden Rieselwiesen vor allem im 19. Jahrhundert. Bis dahin waren die Russniederungen zu sumpfig und die Geestböden zu sandig, um dort Grünfutter anzubauen. Die kombinierte Technik aus Be- und Entwässerung ermöglichte es den Landwirten im Landkreis Harburg schließlich, ihre Erträge zu steigern: Zunächst wird entlang eines Wasserlaufs eine gleichmäßig abfallende Fläche angelegt und in gewölbte Beete unterteilt. Das Gelände muss dafür so exakt wie möglich ausgemessen werden. Anschließend werden Bewässerungsgräben auf den Rücken der Beete ausgehoben, die den Wiesen Flüssigkeit zuführen: Das Wasser "rieselt" langsam zu den Seiten der Gräben hinab. Dabei wird nur so viel Wasser von dem durch Schleusen aufgestauten Fluss oder Bach ausgeleitet wie nötig. Während des Rieselns wird das Wässer außerdem mit Schwebstoffen angereichert, es führt der Erde Nährstoffe zu, reinigt und entsäuert sie. Überschüssiges Wasser leiten die Entwässerungsgräben zwischen den Beeten ab. Auf diese Weise tut die Rieselwiese zu jeder Jahreszeit ihren Dienst: Im Sommer bewässert sie, im Herbst düngt sie durch im Wasser gelöste Nährstoffe, im Winter entwässert sie und lüftet den Boden.
Später wurden Rieselwiesen meist durch unterirdisch angelegte Drainagen ersetzt.

Das Modell wurde angelegt nach dem historischen Vorbild der Rieselwiese auf dem Wiedenhof bei Jesteburg, einer Außenstelle des Freilichtmuseums. Sie funktioniert heute genau wie im 19. Jahrhundert: künstliche Bewässerung auf natürliche Art.

Das Modell wurde angelegt nach dem historischen Vorbild der Rieselwiese auf dem Wiedenhof bei Jesteburg, einer Außenstelle des Freilichtmuseums. Sie funktioniert heute genau wie im 19. Jahrhundert: künstliche Bewässerung auf natürliche Art.


Im modernen Gebäude des Museums befindet sich eine Austellung zur Landwirtschaft. Hier begeistert vor allem die große Sammlung an historischen Traktoren - hier eine kleine Auswahl:

Eine weitere Ausstellung zeigt die Nachkriegszeit auf dem Lande.
In den 1950er Jahren war vieles in Bewegung: Die Zeit des Wirtschaftswunders mit bunter Mode, elektrischen Haushaltsgeräten und modernen Bauernhöfen.
Eine ähnliche Ausstellung hätten wir auch im Rahmen des Deutschen Salzmuseums in Lüneburg anschauen können.

© Herbert S., 2012
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Das schöne Wetter nutzend machen wir uns auf in die Lüneburger Heide zum Wandern und besuchen die Städte Lüneburg und Uelzen
Details:
Aufbruch: 01.09.2012
Dauer: 9 Tage
Heimkehr: 09.09.2012
Reiseziele: Deutschland
Der Autor
 
Herbert S. berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Herbert sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
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