Im Land der Regenbogen

Reisezeit: Juni 2016  |  von Herbert S.

Glasmuseum Frauenau

Glas zählt zu den ältesten Werkstoffen der Menschheit. Die ersten durch Menschen produzierten Objekte aus Glas, hauptsächlich Glasperlen, stammen aus 3500 v. Chr. und wurden in Ägypten gefunden.
Glas ist eine amorphe Substanz.
Hauptsächlich besteht Glas aus:
Quarzsand (Si02), Soda (Na2C03), Kalk (CaO) Das Gemenge wird in der Schmelzwanne oder im Schmelzhafen bei ca. 1400 Grad Celisus geschmolzen.
Die Entdeckung, dass Glas auch geblasen werden konnte, mittels einem Rohr, wird syrischen Handwerksleuten aus der Region Sidon-Babylon zugeschrieben. Zwischen 27 v. Chr. und 14 v.Chr.
Die Form des Rohres hat sich seitdem kaum geändert.

Folgerichtig beginnt der Rundgang des Glasmuseums Frauenau in 'Ägypten'

Das Glasmuseum Frauenau nimmt seine Besucher mit auf eine Reise durch die Geschichte des Glases. Die Ausstellung fasziniert mit einer umfassenden Sammlung einzigartiger Exponate, angefangen von den Gläsern der frühen Hochkulturen bis hin zu den Glas-Kunstwerken der Moderne. Die ruhmrelche Tradition und die Bedeutung des Glases in der Region Bayern und Böhmen begleiten den Besucher auf dem Weg durch das Museum.
Die erste Abteilung ist ein Spaziergang durch mehrere Jahrtausende und wichtige Schauplätze der Glasherstellung. Von Mesopotamien geht es über das antike Griechenland und Rom zu den gotischen Kathedralen, die mit ihren gemalten Glasfenstern die Menschen in Erstaunen versetzten. Die filigranen venezianischen Gläser bilden seit dem 15. Jahrhundert die Krone der Glasmacherkunst und symbolisieren den Aufbruch in die Renaissance. Ein barockes Gartenlabyrinth präsentiert Luxusgläser, die einst für die europäischen Herrscherhäuser eine Zier waren. Im Bereich des 19. Jahrhunderts lässt sich aufwändig veredeltes Glas mit einer großen stilistischen Vielfalt im Historismus entdecken.

Eingang zur Glasabteilung

Eingang zur Glasabteilung

Glasbehängte Kronleuchter inszenierten barocke Festlichkeit.
Kronleuchter oder Lüster bestimmten im Barock die repräsentative
Raumbeleuchtung. Die Metallgestelle waren zunächst mit Resten aus der Herstellung von Gefäßen aus Bergkristall bestückt. Ab dem späten 17. Jahrhundert wurden diese Behänge durch Glasperlen, Hohl- und Pressglas sowie beschliffene Abfälle aus der Spiegelproduktion ersetzt. Erste Lüster mit Glasarmen stellte 1726 die Firma Palme im nordböhmischen Pärchen nahe Haida her, das sich zu einem Zentrum der Kronleuchterproduktion entwickelte.
Die Lichtbrechung in den Schliffflächen erzeugt das charakteristische Funkeln der Lüster. Dies ermöglichte der barocken Festkultur erstmals eine prachtvolle Lichtinszenierung der Innenräume bei Tag und Nacht.

Der Historismus zeigte Geschichtsbewusstsein und setzte qualitätvolles Handwerk gegen die industrielle Massenproduktion.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begeisterte man sich in ganz Europa für nationale Geschichte und exotische Kulturen. Die Kunstgewerbebewegungen vermittelten traditionelle kunsthandwerkliche Techniken sowie Formen und Dekore vergangener Epochen und fremder Länder.
Man bemühte sich aber um die Entwicklung eigenständiger Entwürfe» die die Originale nicht kopieren, sondern an handwerklicher Qualität noch übertreffen sollten.
Die international erfolgreichen Glashütten des Bayerischen Waldes wie Theresienthal, Regenhütte oder Buchenau entwarfen »altdeutsche« Gläser im Stil von Mittelalter und Renaissance, die als Ideale der deutschen Kulturnation gesehen wurden.

Der Jugendstil / Art Nouvcau fand in der Natur seine Inspirationsquelle.
Die Jugendstilbewegung ab 1880 wollte zur ganzheitlichen Gestaltung und Reformierung der industrialisierten Gesellschaft beitragen. Aus der Formen- und Farbenwelt der Natur entwickelten Künstler, Handwerker und Architekten sinnlich-poetische Formen und Dekore.
Für das Glasgewerbe begründeten Emile Calle in Frankreich und Louis C. Tiffany in New York die einflussreichste Richtung des neuen Stils. Glasmanufakturen fertigten Unikate und Kleinserien in Überfang- und Ätztechnik oder mit schillerndem Lüstereffekt.
Durch die Zusammenarbeit mit Künstlern stiegen auch Glashütten wie Loetz in Klostermuhle oder Poschinger in Buchenau zu internationalem Rang auf. Mit strengeren Dekoren leiteten sie nach dem 1. Weltkrieg in den Art Déco über.

Über die schillernden Gläser des Jugendstils und Art Deco findet der Besucher den Weg zur modernen Glasgestaltung bis hin zur maschinellen Glasproduktion.
In einem zweiten Rundgang kann der Besucher die Glasherstellung angefangen vom Design bis zur Veredelung nachvollziehen. Zahlreiche originale Werkzeuge und Objekte aus Glashütten und Betrieben der Region machen das Ganze besonders anschaulich. Zudem gewährt die Abteilung einen lebendigen Einblick In das Leben und Arbelten In einer Glashüttensledlung, lässt aber auch die negativen Aspekte mit der Rückwärtsentwicklung der Glasindustrie im Bayerischen Wald nicht aus.

Einen „Ausweg" aus der Krise bietet die Glaskunst, die im Museum in einer umfangreichen Sammlung mit hochwertigen Exponaten präsentiert wird. Dokumentiert wird die Geschichte der internationalen Studioglasbewegung mit dem Frauenauer Erwin Eisch als einem ihrer Pioniere.

In der Studiensammlung sind die umfangreiche Ausstellung von Glasschmuck aus Gablonz an der Neiße und die Schnupftabakgläser aus der Region ein besonderer Blickfang.

Schnupftabakgläser aus dem Bayerischen Wald - (Sammlung der SCHAEFER-Stiftung)
Der Schnupftabak war im Bayerwald einst ein unverzichtbares Genussmittel. Zahlreiche Schnupftabakfabriken stellten das aromatische Pulver her. Viele passionierte Schnupfer machten ihren Schnupftabak aber nach streng gehütetem Rezept selbst.
Aufbewahrt wurde der Schnupftabak in kleinen, flachen Fläschchen aus Glas - typisch für den Bayerischen Wald mit seinen vielen Glashütten. Umgangssprachlich werden sie liebevoll „Bixl" genannt. Es gab einfache Gläser für den täglichen Gebrauch, die in manchen Glasfabriken zum Produktionsprogramm gehörten. Oft wurden sie aber von den Glasmachern „geschunden", also in den Arbeitspausen hergestellt. Kleine Kostbarkeiten waren die aufwändig gestalteten „Feiertagsgläser", die oft eine ganz persönliche Note hatten, wie einen Namen, ein Monogramm oder ein Zunftzeichen für den Beruf des Besitzers.
So klein die Schnupftabakgläser auch sind, es finden sich alle Glasmachertechniken und sämtliche Arten der Glasveredelung auf ihnen wieder. Heute ist kaum noch ein Tabakglas in Gebrauch. Die „Bixl" wurden in den letzten Jahrzehnten zu beliebten Sammelobjekten. Glasmacher und Veredler gestalten eigenwillige und höchst modern anmutende Kreationen, die die Schnupftabakgläser zu kleinen Kunstwerken werden lassen.

© Herbert S., 2016
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Alljährlich suchen wir uns eine kleine Region in Deutschland aus, wo wir wandern, besichtigen und golfen können. Diesmal ist es der bayrische Wald - der Landkreis um Cham nennt sich selbst das Land der Regenbogen, da mehrere Flüsse mit diesem Namen z.T. stark mäandrierend durch die schöne Landschaft fließen.
Details:
Aufbruch: 20.06.2016
Dauer: 11 Tage
Heimkehr: 30.06.2016
Reiseziele: Deutschland
Der Autor
 
Herbert S. berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Herbert sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
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