Zu den Burgen im Zweimuldental

Reisezeit: Juli 2017  |  von Herbert S.

Esche-Museum

ehemalige Strumpfstrickfabrik Esche - heute Esche-Museum

ehemalige Strumpfstrickfabrik Esche - heute Esche-Museum

Da müssen wir natürlich hin, vielleicht kann ich einen Kontakt für unsere Rundstrick-Maschinen schaffen, denn in unserer Mannschaft ist niemand, der diese Maschinen bedienen kann. Und der Herr, von dem wir sie 'geerbt' haben ist verstorben. Auch dieses Museum ist wieder ein Höhepunkt, denn man kann die ganze Entwicklung vom ersten Wirkstuhl bis zu riesigen Rundstrickmaschinen verfolgen. Außerdem ist ein mit Kardendisteln bestückter Krempel zu sehen, den wir noch nie haben bewundern können.

früher Wirkstuhl - Handkulierstuhl ältester Bauart aus dem Jahre 1791

früher Wirkstuhl - Handkulierstuhl ältester Bauart aus dem Jahre 1791

Handkulierstuhl - Walzenstuhl zweinadlig mit Daumendrücker - um 1800

Handkulierstuhl - Walzenstuhl zweinadlig mit Daumendrücker - um 1800

Rundstrickmaschinen

Rundstrickmaschinen

Die Entwicklung der Rundstrickmaschinen zur Strumpfproduktion - wegen des kleinen Durchmessers Kleinrundstrickmaschinen genannt - begann zwischen 1850 und 1860. Die ersten Maschinen wurden mit einer Kurbel von Hand angetrieben. Sie hatten nur einen Nadelzylinder und konnten glatte Rechts/Links-Ware stricken: Stoffschläuche mit einer eindeutig rechten und linken Seite für so genannte Schneidstrümpfe, bei denen Ferse und Fuß mit Spitze zugeschnitten und vernäht wurden. Heute sind Rechts/Links-Kleinrundstrickautomaten in der Lage, komplette Strümpfe bzw. Socken zu fertigen - und tatsächlich werden gegenwärtig die meisten Strümpfe und Socken mit diesem effektiven Verfahren hergestellt.

Kleinrundstrickmaschine

Kleinrundstrickmaschine

Handrundstrickmaschine - 1931

Handrundstrickmaschine - 1931

Kratzenrauhmaschine - besetzt mit echten Kardendisteln

Kratzenrauhmaschine - besetzt mit echten Kardendisteln

Aber nicht nur die Maschinen sind imponierend - auch die lange Geschichte der Dynastie Esche.
Einem englischen Theologiestudenten sollte eines dieser weltbewegenden Kunstwerke gelingen: 1589 entwickelte William Lee den Handwirkstuhl. In der Minute konnte er wohl bereits 600 Maschen bilden - einem geübten Handstricker gelangen etwa 100.
[zum Unterschied:
Weben: verkreuzte Fäden -> nicht elastisches Gewebe
Stricken: eine Masche nach der anderen -> elastisches Gewebe
Wirken: ganze Maschenreihen auf einmal -> elastisches Gewebe]
[k]Dennoch versagte Königin Elisabeth I. das Patent, welches die Fertigung gewirkter Strümpfe erlaubt hätte. Sie begründete dies mit der nur in grober Qualität herstellbaren wollenen Ware. Ihre wahre Motivation war wohl Angst - um die Arbeitsplätze der Handstricker und um die Exklusivität feiner Strümpfe. Selbst eine Verbesserung Lees -auf seinem Stuhl konnte er nun auch Seidenstrümpfe wirken - änderte nichts an ihrem „Nein".
Woraufhin 1612 ein Minister des französischen Hofs Lee nach Rouen einlud. Hier sollte dieser die Strumpfwirkerei einführen. Um 1615 verlieren sich Jedoch seine Spuren ... Lees Bruder holte sieben der Leeschen Wirkstühle zurück nach England. Ein Wirkstuhl aber gelangte nach Venedig, seine Nachbauten verbreiteten sich in Europa. Nach 1685 flüchteten zudem zahlreiche auch in der Strumpfwirkerei tätige Hugenotten aus Frankreich - unter anderem nach Deutschland. Ihre Wirkstühle führten sie mit.
So stand um 1700 ein seidengängiger, nach Leeschem Prinzip gebauter Handwirkstuhl in Dresden. Hier griff ein gewisser Johann Esche (1682-1752) in die Geschichte ein...[/k]

Zur Geschichte des Strumpfes:

Der Fußlappen ist der Urahn des Strumpfes. Im 13. Jahrhundert wurden dann beide Strümpfe zu (Strumpf )Hosen vereinigt, aber im 16. Jahrhundert am Knie wieder von den Hosen getrennt: „In Deutschland war in der ersten Hälfte des 16. Jahrh. eine neue Mode geschaffen worden, welche das allmählich aus Bruch und Hose zusammengefügte Kleidungsstück des ganzen Unterkörpers wieder in zwei Theile zerschnitt Der obere reichte nur noch bis zum Knie und behielt den Namen Hose, während der andere zur Bekleidung des Unterschenkels diente und jetzt Strumpf genannt wurde." (Falke, Deutsche Tracht.- u. Modenwelt, 1858)
So schnell wie die neue Wortbedeutung alle ursprünglichen Inhalte (Strumpf = Rumpf) verdrängte, so rasch verdrängte der gestrickte und vor allem gewirkte Strumpf sämtliche Konkurrenz an adeligen Herrenbeinen: Selbst Englands höchster Orden wurde auf dem Strumpf getragen ...
Strumpf ist Trumpf

Ihren Zenit erreichte die HERRENSTRUMPFMODE im Barock und Rokoko. Der Adel glänzte mit in kostbare Seide gehüllten Beinen. Vornehmheit drückte sich neben dem Material auch in der Zahl der getragenen Strümpfe aus: Oft waren es bis zu drei Paar übereinander. Pralle - mitunter künstliche - Waden sollten zudem Farben, Muster und Verzierungen aus Gold oder Perlen gebührend präsentieren ... Dekadenz kurz vor dem Niedergang?
Tatsächlich kam mit dem Feudalsystem auch der Männerstrumpf ins Wanken: Ende des 18. Jahrhunderts ließen Freigeister den Strumpf unter Stulpenstiefeln verschwinden. So wurden in Deutschland mit der Werthertracht „Die Leiden des jungen Werthers" zum Leid der Strumpfhersteller. Die Französische Revolution 1789 bereitete schließlich europaweit den Abschied von sichtbaren Herrenstrümpfen und Kniehosen (Culotten) vor. Die revolutionären „Sansculotten" lehnten die aristokratische Kniehosenmode ab und führten Langhosen mit darunter getragenen Kniestrümpfen ein.

Oder wie Goethe und Schiller es in ihren Xenien formulierten: „Aristokratische Hunde, sie knurren auf Bettler, ein echter demokratischer Spitz kläfft nach dem seidenen Strumpf."

Von verbotener Pracht und geheimem Darunter

Den NIEDEREN STÄNDEN und dem aufstrebenden Bürgertum verwehrten Kleiderordnungen den Strumpfluxus. Allzu „üppige Pracht und Hoffarf wie das Tragen von „bordierten Handschuhen und Strümpffen" wurde durch sie „sampt und sonders verbothen". (Generale Kleider-Ordnung der Hansestadt Reval, heute Tallinn, 1691)
So begnügte sich der Bürger - auch weil seidene Strümpfe horrende Summen kosteten -zumeist mit (baum)wollenen Strümpfen. Die einfachen Leute, in der Stadt wie auf dem Lande, kleideten ihre Beine in derbes Tuch bzw. Leinwand oder strickten selbst.
1789 fasste die französische Nationalversammlung erstmals einen Beschluss, der Standesunterschied in der Kleidung abschaffte und die Kleiderpracht als Zeichen revolutionärer Gesinnung brandmarkte.
Adelige DAMEN durften wohl kostbare Strümpfe tragen - aber lange Zeit nur im Verborgenen. So galt es unter den Damen des 16. und 17. Jahrhunderts als größte Schande, wenn ihre Füße gesehen wurden - bis hin zur Prämisse: Eine spanische Königin hat keine Beine!
Doch unter steigendem Einfluss des französischen Hofes und seiner Moden fingen die Damen an, sich im „Retroussé" zu üben, dem Raffen der Röcke. Eine raffinierte Kunst, den zierlichen Fuß, die feinen Fesseln und noch mehr zu zeigen. Mit den Schuhen und Stiefeln, den Strümpfen und Strumpfbändern begann hier die Kultivierung der Dessous.
Das Aufkommen des Reifrockes um 1718 gebar die moderne weibliche Strumpfmode. Mit Beginn des 19. Jahrhunderts sollte der Strumpf schließlich eine vollkommen neue - mehr und mehr sichtbare - Stellung in der Kleidung der Frau einnehmen.
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Doch dann ist uns bei der Hitze nach Rückfahrt zumute, denn wir haben keinen Snack mitnehmen können, da unser Brot wohl die Witterung nicht vertragen hat und bereits nach drei Tagen schimmelte. Auf dem Rückweg beschließen wir dann statt wie ursprünglich geplant nach Grimma zu fahren, den kürzeren Weg zu unserem gestrigen Waldhaus zu nehmen – ich könnte nämlich so am Steuer einschlafen. Da hilft auch das Colditzer Schwarze Sau – Bier mit 6,8% nicht. Ulrike wählt den Sächsischen Sauerbraten, den ich gestern hatte und ich nehme einen Schweinekamm mit Bratkartoffeln und Zwiebeln. Gegen 19.00 Uhr können wir dann die Beine hochlegen und Nachrichten schauen – der 20erGipfel und die Gewalt tätigen Demonstranten. Für den Tatort fehlt uns die Motivation, vor allem da Ulrike wieder einmal meint, wir hätten ihn schon gesehen. Aber immerhin schaffe ich das Bordbuch noch für den heutigen Tag.

© Herbert S., 2017
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Wir lieben Schlösser und Burgen - der Freistaat hat eine SchlösserLand-Card herausgegeben, die mit 20€ für 10 Tage gültig, Zugang zu nahezu 50 Gebäuden ermöglicht. Die Freiberger und die Zwickauer Mulde vereinigen sich bei Colditz zur Vereinigten Mulde und durchfließen eine der schönsten Regionen von Sachsen. Unser Feriendomizil ist damit zentraler Ausgangspunkt zur Erkundung von ganz Sachsen, inmitten der Metropolen Dresden, Leipzig und Chemnitz.
Details:
Aufbruch: 03.07.2017
Dauer: 11 Tage
Heimkehr: 13.07.2017
Reiseziele: Deutschland
Der Autor
 
Herbert S. berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Herbert sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
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