Jakobsweg von Seant Jean Pied de Port bis ans Ende der Welt

Reisezeit: Mai / Juni 2015  |  von Thomas Eggers

880 km zu Fuß über den klassischen Jakobsweg.

Zugfahrt Bremen - St. Jean Pied de Port

Es geht los.......

Es geht los.......

7. Mai 2015

Es sollte nun wirklich losgehen. Es sollte endlich der Jakobsweg sein. Wie lange hatte ich ihn schon im Kopf? Es war etwa im Jahr 2000 da lag ich mit meiner damaligen Freundin, meiner jetzigen Frau, am Strand der griechischen Insel Samos und hatte dieses spezielle Buch von Paulo Coelho in der Hand. Es war das Buch über seine Reise über den Jakobsweg. Ein sehr spirituelles Buch, welches mich am Anfang teilweise in seiner spirituellen Sicht der Dinge überforderte. Egal ich las es zu Ende. Was begeisterte mich an diesem Buch? Die Beschreibung der Strapazen einen 800 km weiten Wanderweg zu erlaufen! Diese Strecke einfach stumpf zu Fuss zu gehen.....das war für mich schon spirituell genug!!!!
2006 schenkte meine Schwester mir das Hörbuch von Hape Kerkeling. Seine Schilderungen vom Camino waren mal soweit von Paulo Coelhos entfernt wie St.Jean Pied de Port von Santiago.
Als ich auf meinen Fernradreisen danach immer mal wieder an Meilensteine des Jakobsweg vorbeifuhr fragte ich mich immer öfter wann?
Im Niemandsland zwischen dem spanischen Tarifa und Cadiz traf ich 2013 auf meiner Radtour quer durch Spanien auf Erwin aus Turin der mit seinem Rad vom südlichsten Punkt Europas zum Nordcap fuhr und 3 Monate später bei mir zuhause ein Zwischenstopp einlegte. Er zeigte mir wundervolle Bilder von dem Abschnitt durch Nordspanien. Er fuhr den Jakobsweg in entgegengesetzter Richtung.

Nun war es soweit. Wir fuhren zum Bremer Bahnhof. Der Abschied von meiner Tochter war wie schon bei meinen letzten Aufbrüchen zu meinen Radtouren sehr schwer....

Die Fahrt im Zug ging von Bremen zunächst nach Köln. Hier musst ich einiges an Zeit überbrücken. (Die Bahn streikte und ich musste einen Zug ab Bremen eher als geplant nehmen). So lag ich eine ganze Zeit auf der Domplatte in der Frühlingssonne.

Von Köln ging es dann nach Paris Nord. Hier musste ich mit der U5 noch fix den Bahnhof wechseln und stieg dann in Paris Austerlitz in den Nachtzug nach Bayonne. Der lange Zug bestand fast nur aus Schlafwagen, nur der letzte Waggon war ein normaler Sitzplatzwaggon und ein Platz davon war leider meiner.

Paris Austerlitz

Paris Austerlitz

Ich hatte mal wieder nichts aus der Vergangenheit gelernt. Es war nicht meine erste Nachtfahrt in einem Zug auf einem Sitzplatz. Auf meinen damaligen Interrailtouren war es ja noch cool aber was war mit der Zugfahrt von München nach Bremen 2004 im vollgekotztem Fan Sonderzug nach Werders Meisterschaft? oder mit der Nachtfahrt von München nach Venedig bei meiner Radtour 2013? Nein, ein Bett in einem Zug ist jeden Euro wert!

Egal ich kam morgens um 8:30 Uhr in Bayonne an und stieg aus. Ich ging durch den Bahnhof mit dem Wissen, dass am heutigen Tag französischer Feiertag war und erst sehr spät ein Zug nach Seant Jean Pied de Port fahren sollte. So ging ich zunächst auf die Straße vor dem Bahnhof um ein Cafe zu suchen, um mich dort erst mal zu sammeln und zu überlegen wie ich hier wegkommen könnte. Ich fand aber irgendwie nichts und stand dann wieder auf dem Bahnhof. Am Infoschalter sah ich ein Paar um die 30 die auch nach Jakobsweg aussahen. Ich fragte Sie ob wir uns ein Taxi teilen wollten. Raffael und Gabi aus Brasilien waren sofort dabei, dazu kam dann noch ein Mann aus Südkorea, und so knallten wir 4 zusammen mit einer durchgeknallten Taxifahrerin in einer Höllentour nach St. Jean Pied de Port.

Taxifahrt mit Raffael und Gabi und Mr. Südkorea

Taxifahrt mit Raffael und Gabi und Mr. Südkorea

Unerwartet kam das Taxi doch tatsächlich unfallfrei in St. Jean Pied de Port an. Nachdem jeder von uns der Taxifahrerin 34 Euro gab trennten sich unsere Wege schon wieder. Ich schulterte meinen Rucksack, ging erst mal und setzte mich in ein Straßencafe in der Rue d Úhart. Ab hier waren überall Pilger zu sehen. Wußte nicht so ganz was ich an diesem Tag noch machen sollte. Sollte ich noch losgehen oder erst am nächsten Morgen? Der erste Trip nach Roncesvalles über die Pyrenäen sollte es in sich haben (das hatte ich zumindest mal in meinem Outdoor Reisführer gelesen). Man sollte hierzu morgens ganz früh los gehen, da es von 200 m üNN auf 1.400 m üNN gehen sollte. Nach den ersten Kilometer sollten hier noch 2 Schlafmöglichkeiten kommen: Hunto und Oricson. Diese beiden Aubergen sollten ständig voll sein und ein Bett immer vorbestellt werden. Danach sollte bis nach Roncesvalles nach 27 km nichts mehr, außer Wetternotholzunterstände kommen.
Ich entschied mich nach 2 Tassen Kaffee dafür, dass ich erst am nächsten Morgen losgehen sollte. So fragte ich mich zunächst zum Pilgerbüro durch und bekam den ersten Stempel.

Pilgerbüro in SJPDP

Pilgerbüro in SJPDP

Im Pilgerbüro fragte man mich, wo ich denn die Nacht schlafen wollte. Ich antwortete schnell: In der nächsten Herberge. Und so zeigte man mir die nächste Auberge auf einer Karte. Es war eine öffentliche und die erste und älteste Herberge am Ort und befand sich direkt am traditionellen Pilger Eingangstor durch welches die Pilger kommen sollten die den camino Frances gehen wollten.

Da die Herberge mit dem Namen Vieille Navarre noch geschlossen hatte ging ich durch das Tor, setzte mich hier auf eine Bank und döste in der Sonne.

Ich freute mich nun richtig auf die nächsten Wochen. Ich hatte tatsächlich so viel Zeit, dass ich es zu Fuss bis zum Ende der Welt bis nach Finisterre schaffen konnte. Hatte vor der Reise eine Seite im Netz gefunden, welches den kompletten Weg in 29 Etappen beschrieb. So viel Zeit hatte ich!

Ich weiß nicht wie lange ich auf dieser Bank vor dem Tor lag aber irgendwie fing an diesem Ort für mich die Tour wirklich bewusst an. Irgendwann erhob ich mich in der Sonne und schaute durch das Tor und erblickte auf einmal Raffael und Gabi. Sie saßen an der Straße vor der Herberge und warteten auch darauf das Sie öffnete. Ich ging durchs Tor und setzte mich zu ihnen und zu einer Tschechin so um die 60. Wir quatschten und die Zeit verging schnell bis zum Zeitpunkt als die Herberge die Pforten öffnete.

Die Herberge war super. Das freute und überraschte mich ein wenig. Ich hatte mir im Vorfeld der Reise mal wieder kaum Gedanken gemacht, weder über meine Ausrüstung noch über die Unterkünfte. Ich bin der Überzeugung, dass eine übertriebene Vorplanung einem Projekt den Reiz und den Spaß entziehen kann. Ist es wirklich erstrebenswert Nächte in den einschlägigen Foren zu verbringen um herauszubekommen welche Multifunktionsjacke das geringste Gewicht besitzt und welcher Wanderschuh auch bei hohen Temperaturen eine hohe Atmungsaktivität garantiert? Für mich ganz klar nein. Ich wollte nicht auf den Mount Everest steigen, ich ging nur einen Weg durch das zivilisierte Europa. Ich hatte tatsächlich nur vor einer Sache Respekt und das waren die Schlafsäle der Herbergen. Ich konnte meine Vorurteile nicht komplett ausblenden. Ich hatte mir unter staatlichen, kirchlichen oder was weiß ich von wem geführten Herbergen was anderes vorgestellt, als das was ich jetzt betrat. Es war eine total schöne Unterkunft.
Ich bezahlte 10 Euro, bekam einen Stempel in meinen Pilgerausweis und stellte meinen Rucksack an das Bett Nummer 112 in einen Raum des Hauses mit ungefähr 25 Hochbetten. Danach verlies ich die Herberge um ein wenig durch die Straßen von St Jean Pied de Port zu gehen. Ich lief irgendwie verloren umher und traf später noch Raffael und Gabi und setzte mich zu ihnen um mit ihnen zu Essen. Um 19:30 Uhr war ich in der Herberge. Unser Schlafraum war mittlerweile voll belegt und mir fällt im nachhinein auf, dass die Stimmung hier total speziell war. Man merkte, dass es hier der Anfang war. Es war eine gedämpfte Stimmung. Fast alle waren alleine hierher gekommen und ich merkte, dass dieses für viele eine neue Erfahrung war. Egal ich mochte auch diese 'Stimmung.
Ich legte mich auf mein Bett und sah mich um. Rechts neben mir konnte ich die Tschechin sehen und vor mir lagen Raffael und Gabi. Am Eingang quatsche ein alter Mann mit süddeutschen Dialekt sehr laut mit seiner Frau am Telefon. Es nervte wie er seiner Frau immer wieder beschrieb wie günstig er hier isst und trinkt. Ich dachte immer nur freu dich doch lieber darüber, dass Du hier bist und denke daran, dass dein letztes Hemd keine Taschen hat.
Und dann schlief ich ein

© Thomas Eggers, 2017
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Die Reise
 
Details:
Aufbruch: 07.05.2015
Dauer: 5 Wochen
Heimkehr: 10.06.2015
Reiseziele: Frankreich
Spanien
Der Autor
 
Thomas Eggers berichtet seit 9 Jahren auf umdiewelt.
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