Jakobsweg von Seant Jean Pied de Port bis ans Ende der Welt

Reisezeit: Mai / Juni 2015  |  von Thomas Eggers

Cizur de Menor nach Puente la Reina

Gestern Nacht kamen Maria und Alesssandro erst später in den Schlafraum. Ich glaube sie hatten sich nun ihren konkreten Plan zusammengeschustert. Wir sollten noch 2 gemeinsame Wandertage zu viert haben. Wie immer war Maria die erste die von uns vieren wach war. Als ich mir morgens die Zähne putzte beobachtete ich 2 Typen auf dem Rasen bei ihren asiatischen Entspannungsübungen qigong??? Keine Ahnung!!!! Wir gingen morgens zum frühstücken wieder in die Bar von gestern.

Neben unserem Tisch fiel mir ein älterer dicker Mann auf, der zusammen mit 2 jüngeren Frauen am Tisch sass. Sie gehörten nicht zusammen und sprachen auch nicht zusammen. Der Mann hatte einen deutschen Reiseführer auf dem Tisch liegen. Irgendwie spürte ich seine Unsicherheit.
Ich sprach ihn an und fragte ihn wo er denn herkommt. Er war sichtlich froh, dass ich Deutsch sprach.
Er sagte er komme aus Sachsen, drauf folgte der Nebensatz "da wo die schönen Mädchen wachsen". Er passte hier so überhaupt nicht her. Er wirkte körperlich ziemlich am Ende. Er sagte das sein Rücken kaputt sei und er mit dem Bus weiter fahren wolle. Er wisse nur nicht von wo ein Bus fuhr. Da er kein Englisch und kein Spanisch sprechen konnte sagte ich ihm, dass ich es für ihn herausfinden werde. Er freute sich sehr darüber. Leider bekamen wir heraus, dass von Cizur de Menor keine Busse fuhren sondern von Pamplona. Darauf sagte er, dass er dann doch weitergehen wollte, denn wieder zurückgehen nach Pamlona wolle er nicht. Ich wußte nicht welche Strecke uns an dem Tag erwarten sollte und ich traute ihm nicht mehr viel zu. Er ging noch los als wir noch in der Bar waren.

Während wir noch weiter in der Bar frühstückten kamen 2 von meinen "Brasilianern" rein. Und noch bevor wir wieder weiterzogen machten wir ein Foto zusammen.

von links: das brasilianische Paar, Maria, ich, Nilton, Alessandro

von links: das brasilianische Paar, Maria, ich, Nilton, Alessandro

Dann gingen wir noch kurz in einen kleinen Laden und deckten uns mit Nüssen und anderen kleineren Sachen ein. Dann ging es aus Cizur de Menor heraus. Alessandro und Maria gingen immer ein großes Stück hinter Niton und mir. An diesem Tag waren viele Perigrinos unterwegs. Irgendwann traf ich auf den Sachsen der unter einem Baum saß und eine Zigarette rauchte. Ich grüßte ihn ein letztes Mal und hätte heute gerne gewußt wo und wie seine Reise endete.

In einem Waldstück warteten wir auf Maria und Alessandro. Maria hatte sichtlich Schmerzen. Sie sagte Sie habe was am Fuß. Sie sagte sie benötige Wasser um den Fuß abzuspülen. Irgendwann kam ein kleiner Bach indem das Wasser aber ziemlich brackig wirkte. Ich machte den Vorschlag noch ein wenig weiter zu gehen um zu schauen ob es eine bessere Wasserstelle gab. Wir gingen also noch etwas weiter und kamen an einen See. Das Wasser wirkte aber überhaupt nicht gut, außerdem kamen wir nicht an das Wasser heran, deshalb beschlossen wir zurück zu gehen. Am Bach wieder angekommen wusch Maria sich die Füße und es schien etwas besser zu werden. Ich denke Sie hatte eine allergische Reaktion.

Dann gingen wir weiter. Wir kamen an eine Stelle wo für einen hier gestorbenen jungen belgischen Perigrino ein Kreuz aufgestellt wurde. Hier trafen wir auf einen weiteren Italiener und eine deutsche Frau. Es war mittlerweile heiß. Die deutsche Frau saß im Gras und sagte mir das Sie die Asche ihres verstorbenen Bruders bei sich hatte. Als ich ihr eine von meinen Orangen reichte und sie siezte blickte Sie mir in die Augen und sagte dass es auf diesem Weg keine Barrieren geben sollte und wir die Strapazen gemeinsam teilen und wir uns doch alle duzen sollten. Wie recht sie doch hatte. Auf diesem Weg gesiezt werden gleicht einer Beleidigung. Ich siezte auf diesem Weg keinen einzigen Menschen mehr!!

Wir blieben noch eine Weile unter diesen Bäumen im Schatten. Ich dachte, was für ein merkwürdiger Ort.
Der nächste Ort war von hier schon zu sehen. Angekommen in Zariquiegui kamen wir an eine Kirche mit Wasserbrunnen. Hier tranken wir ausgiebig und füllten unsere Wasserflaschen auf. Das wichtigste aber war, dass Maria sich hier ihren Fuss so abwaschen konnte, dass Sie erstmal keine Probleme mehr mit dem gehen haben sollte. Vor der Kirche saß ein dünner, ärmlicher brasilianischer Perigrino mit seiner Gitarre. Nilton erzählte mir später, dass der Gitarrenspieler seit mehreren Jahren auf der Reise war.

Alessandro

Alessandro

Wir waren nun auf dem Aufstieg zur bekannten Passhöhe Puerto del Perdon. Ich führte intensive Gespräche mit Nilton über Emotionen und musste ständig die Emotion der Ungeduld unterdrücken. Ich wußte, dass ich in meinem Plan, in 29 Tagen ans Ende der Welt zu gehen, hinterherhinkte. Aber wie blöd waren diese Gedanken eigentlich. Es war alles perfekt. Ich musste es einfach akzeptieren.

kurz vor der Passhöhe

kurz vor der Passhöhe

Oben an der Passhöhe kamen wir an den Punkt wo die Eisenfiguren stehen. Abseits von den Figuren stand ein kleiner Verkaufswagen. Oben war es so cool. Wir trafen den athletischen 60 jährigen wieder mit dem wir auf dem Weg nach Roncesvalles gegangen waren. Wir setzten uns, tranken Cola und aßen Chips (dank des Verkaufswagens). Die Stimmung war so cool. Wir saßen mit Australiern, Kanadiern, Kiwis und Amerikanern vor den Eisenfiguren. Mir fiel zum ersten Mal auf, wie glücklich ich sein konnte, den Weg schmerzfrei zu gehen. Die meisten hatten mittlerweile mit teilweise schlimmen Blasen oder irgendwelchen Wehwechen aller Art zu kämpfen.

auf der Passhöhe Puerto del Perdon

auf der Passhöhe Puerto del Perdon

Blick zurück

Blick zurück

Waren wir nicht bis hier ein eingeschworenes Team waren wir es spätestens beim Abstieg. Maria nahm einen Stein und schrieb es auf

In einer Mörderhitze kamen wie ins Dorf Uterga. Wir lagen am Brunnen und sammelten unsere Vorräte zusammen und aßen Salami, Kekse und tranken Bier. Neben uns machten sich Australier breit und vor uns spielte ein kleines Kind aus dem Dorf mit seinem Feuerwehrauto.

Es war heiß, sollte noch heißer werden und wir waren schon weichgekocht. Aber ich war nicht mit irgendjemandem zusammen auf einem Trip, nein ich war mit einer stempelsüchtigen brasilianisch -italienischen Horde unterwegs. Irgendjemand von den Dreien kam doch tatsächlich darauf, dass es hier im Rathaus einen Stempel geben sollte! Ich fragte mich zunächst wie so ein kleines Dorf überhaupt ein Rathaus besitzen konnte? Dann fragte ich mich welches dieser paar Häuser denn das Rathaus sein sollte? Aber als ob jemand von den Dreien einen Spähtrupp losgeschickt hätte standen wir doch tatsächlich wenige Minuten später in einem ganz alten Raum vor einer Frau die uns freundlich einen Stempel in unsere Pässe drückte. Meine drei Freunde grinsten breit und waren seelig . Ich liebte sie mittlerweile auch besonders dafür.

Wir gingen anschließend weiter. Durch die Hitze schlugen wir uns von Wasserbrunnen zu Wasserbrunnen. In Obanus trafen wir auf einem Perigrino der uns bestätigte, dass es nur noch zirka 3,5 km bis nach Puente la Reina sein sollte. Er hatte schon hier in einer Herberge eingecheckt und bemerkte, dass wir fertig aussahen.

In Puente la Reina kamen wir tatsächlich auf dem letzten Loch pfeifend an. Der Ort zog sich auch noch. Maria konnte nur noch auf Socken gehen.....

Wir kamen zu der Alberge Puente. Sie hatten nur noch 4 Betten frei. Aber vor uns stand ein Tscheche. Er wollte irgendetwas reservieren aber die Frau von der Herberge verstand ihn nicht. Da er ein wenig Deutsch sprach konnte ich dolmetschen. Er war ziemlich fertig und wollte dann die Betten doch nicht und verschwand.

Somit freuten wir uns. Wir bekamen einen eigenen Raum mit einem eigenem Badezimmer ganz oben in der Herberge. Das war ein echter Glücksgriff und es waren die letzten Betten im Haus.

Wir gingen abends wieder zusammen essen und tranken viel Sangria.

Später saßen wir noch zusammen mit einem Engländer auf dem Balkon und tranken Bier und Wein aus einem Automaten.

Chillen auf dem Balkon

Chillen auf dem Balkon

Abends in unserem Raum lagen wir in unseren Etagenbetten und hatten mal wieder Lachkrämpfe. Ich hatte gerade mit Maria immer wieder hammerlustige Verständigungsprobleme. Ich war mittlerweile bei Maria der "tu disco" was in ihrem süditalianoslang "der deutsche" heissen sollte. Allessandro, der Römer, sagte mir mal, das Maria so einen süditalienischen Slang hatte, das er sie selbst manchmal nicht verstehen konnte.

In der Herberge sah ich auch das erste Mal ein Vermisstenfoto von Denise. Denise war eine 40 jährige Amerikanerin, die seit etwa 2 Monaten auf dem Jakobsweg kurz hinter Astorga vermisst wurde. Es wurde dazu aufgerufen speziell nach Astorga die Augen nach ihr aufzuhalten. Zuhause erfuhr ich nach der Tour, dass Sie ermordet wurde und nicht weit vom Weg gefunden wurde. Unglaublich.

© Thomas Eggers, 2017
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Die Reise
 
Worum geht's?:
880 km zu Fuß über den klassischen Jakobsweg.
Details:
Aufbruch: 07.05.2015
Dauer: 5 Wochen
Heimkehr: 10.06.2015
Reiseziele: Frankreich
Spanien
Der Autor
 
Thomas Eggers berichtet seit 9 Jahren auf umdiewelt.
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