Leinen los und los!

Reisezeit: April - Oktober 2007  |  von Doris Sutter

Unterwegs in Noord-Holland

Im Nordwesten der Niederlande liegt die Provinz Nordholland wie eine Halbinsel zwischen Nordsee und Ijsselmeer.

Vom Ijsselmeer kommend wollen wir Nordholland erkunden. Eine Provinz, die bei Urlaubern lange nicht so beliebt und begehrt ist wie Friesland oder Zeeland.
Und natürlich, wenn wir schon mal hier sind, auch den Käsemarkt in Alkmaar besuchen.
Nach einer einmalig schönen Tour über das Ijsselmeer, das sich wie ein Spiegel vor uns ausbreitet, erreichen wir Medemblik
Medemblik ist der älteste Ort im einstigen Westfriesland. Vor dem Bau des Nordhollandkanals im 19. Jh. war es ein wichtiger Hafen zur Nordsee. Heute ist das beschauliche Städtchen fest in Wassersportlerhand. Hier befindet sich das nationale Regattazentrum in dem u.a. die olympischen Segelsportler trainiert werden.
Jede Menge Dampf wird gemacht für die Dampfkleinbahn nach Horn und das Dampfmaschinenmuseum.

Einfahrt Medemblick

Einfahrt Medemblick

Die Route die Manfred auf der Übersichtskarte aussucht hat eine Durchfahrtshöhe von 4 bis 5 m und führt über die Westfriese Vaart nach Kolhorn und weiter über den Omval-Kolhorn-Kanaal Richtung Alkmaar.

Hat man die lebhafte Durchfahrt von Medemblik und die beiden Schleusen hinter sich, liegt die schnurgerade Westfriese Vaart vor dem Boot. Sie durchquert den Wieringermeer Polder, der 5 m unter dem Niveau des Ijsselmeeres liegt.
Der Polder ist erst 76 Jahre alt. Im Frühjahr 1945 wurde der Polderdeich von den deutschen Besatzern gesprengt und Millionen Kubikmeter Wasser strömten in den Polder. Die Bevölkerung war rechtzeitig evakuiert worden und gleich nach der Befreiung machten sich die Holländer daran den Wieringermeer Polder ein zweites Mal dem Wasser abzuringen.
Wer nicht weichen will, muss deichen!

Westfriese Vaart

Westfriese Vaart

Hier gibt es keine Weiden und Wiesen mehr. Hier wird Landwirtschaft im großen Stil betrieben. Felder reihen sich aneinander so weit das Auge reicht, nur unterbrochen von einigen Bauerhöfen und riesigen Gewächshäusern.
Abwechselnd durchstoßen wir mit angehaltenem Atem Wolken von Jauche und Gülle.
Nach eineinhalb Stunden erreichen wir Middenzee. Der kleine Ort ist relativ modern, nichts Altes, Pittoreskes zu entdecken, aber wunderbar zum einkaufen. Die Gemeinde hat einen Anleger und einen Hafen gebaut. Man kann nicht sagen, dass sie überlaufen sind.
Weiter geht der gut ausgebaute Kanal, immer noch schnurgerade. Baumalleen säumen ihn, jeder Baum im gleichen Abstand zum anderen. Einige Grünschnäbel sitzen an seinem Ufer und quaken ein wenig empört wegen der Ruhestörung.

Kolhorn

Kolhorn

Unsere Fahrt endet abrupt in Kolhorn. Der Weg über den Omval-Kolhorn-Kanaal ist uns verwehrt. Die Brücke vor Alkmar ist derzeit nicht passierbar. Auch die Route Kanaal Schlagen-Kolhorn können wir vergessen, da sind die Brücken nur 2,90 m hoch und nicht beweglich.

Da ist guter Rat teuer. Was bleibt uns? Zurück ins Ijsselmeer und vielleicht über Amsterdam rauf nach Alkmaar oder über den Waardkanaal ins Amstelmeer, an der Küste entlang in den Noordhollands Kanaal.

Wir wollten Nord-Holland kennen lernen, also entscheiden wir uns für diese Route.

Bereits die erste Straßenbrücke in den Waardkanaal bleibt uns versperrt. Mittagspause!
Doch auch nach der Pause tut sich nichts. Kein Brückenwärter! Auch kein VHF Kanal, keine Klingel, keine Telefonnummer. Kein sonstiger Hinweis.
Auch hupen bringt keinen Erfolg.
Zwei Spaziergänger erbarmen sich unser.
"Ihr müsst zurückfahren, ums Eck, zu der Schleuse. Der Schleusenwärter bedient auch die Straßenbrücke!"

An Bord haben schon ganz andere ihr Waterloo erlebt.

"Dank u wel en tot ziens!"

Ein breiter Wasserweg, in den Kurven betonnt, die Ufer Schilf bewachsen, so präsentiert sich uns der Waardkanaal. Die Crew eines flacheren Bootes könnte nicht über die hohen Dämme ins Hinterland gucken.
Ohne besondere Highlights gelangen wir ins Amstelmeer, von dort unter einer Brücke hindurch in den Balgzandkanaal Richtung Den Helder.
Diesen Kanal trennt nur ein riesiger Damm von der Waddenzee. Eine Schafherde hält sein Gras kurz. Auf der gegenüberliegen Seite ein kilometerlanger Stau auf dem Anna Paulowna Polder.
Die russische Prinzessin Anna heiratete den holländischen Prinzen Wilhelm II. und gleich hat man einen ganzen Polder nach ihr benannt.
Und weil der Sandboden so fruchtbar war, entwickelte sich dieses Gebiet zum größten zusammenhängenden Blumenzwiebelgebiet der Welt.

Amstelmeer

Amstelmeer

Die folgende Schleuse senkt uns 10 cm ab in den Noordhollands Kanaal.
Und der ist an Tristesse kaum noch zu überbieten.
Statt Bäume säumen Windräder sein Ufer wie Orgelpfeifen.
Jeder der spärlichen Orte hat einen Anleger gebaut. 3 X 24 Stunden darf man kostenlos liegen, bietet allerdings auch keinen Service außer manchmal einer Mülltonne.

Das diesige Wetter tut das seine dazu den Eindruck der Eintönigkeit noch zu verstärken.

Da vergisst man leicht, dass jede Erdkrume, jeder Damm und jedes Wassertröpfchen von jahrhundertelanger Kulturgeschichte durchdrungen ist.
Ausgedehnte Sandstrände und Dünengebiete ziehen sich entlang der Nordseeküste, Naturschutzgebiete und Wälder. Ja Wälder! Der Name Holland kommt von Houtland - Holzland-, aber das ist wirklich schon sehr lange her.

Alte Windmühlen kommen in Sicht.
Bis zur Erfindung der Dampfmaschine waren Windmühlen die einzigen Kraftmaschinen der Menschen. Im 16.Jh. haben die Holländer die Kappenwindmühlen erfunden, die bis zu 30 KW Kraft abgeben. Selbst heute treiben sie noch Kornmühlen an. Doch leider immer mehr nur als Spaß für die Touristen.

Spannend wird die Fahrt wieder als das Einzugsgebiet von Alkmaar erreicht ist.
Das Durchfahren einer großen Stadt ist immer ein Erlebnis.
Wir finden einen Platz in einer Gracht mitten in der Stadt mit Ausblick zur alten Waage.

Alles Käse! Oder was?

Karl der Große war ein großer Käseliebhaber und am liebsten mochte er friesischen Käse weshalb er die Friesen zu seinen Hoflieferanten erklärte. Schon im 12.Jh. exportierten die Holländer ihren Käse, z.B. nach Frankreich, wo es damals hauptsächlich Weichkäse gab. Zuweilen musste der Käse auch als Zahlungsmittel herhalten. Um das Jahr 1100 bezahlten holländische Rheinschiffer den Zoll in Koblenz mit Käse.

Alkmaar ist in der ganzen Welt als die Käsestadt schlechthin berühmt.
Jeden Freitag wird traditionell noch heute der Käsemarkt abgehalten. Man will den vielen Zuschauern gerne weismachen, dass es sich immer noch um eine wirtschaftlich wichtige Angelegenheit von Angebot und Nachfrage handelt. Doch ich glaube eher, dass es ein rein folkloristisches Ereignis ist.
Hunderte von Käseleibern liegen auf dem Platz vor der Waage und wenn sie auf Schlitten verladen werden rennen die Käseträger im Laufschritt und unter viel Spektakel mit diesen schweren Dingern zur Waage.
Es ist ein Spaß es anzuschauen.

Auch ohne den Käsemarkt ist Alkmaar ein wahres Kleinod. Der über Jahrhunderte gewachsene Stadtkern von Alkmaar zählt ca. 400 denkmalgeschützte Bauwerke. Die umtriebige Stadt hat eine ganz besondere Atmosphäre und einen einmaligen Flair.

Fischmarkt

Fischmarkt

Zar und Zimmermann

Nach einer wahrhaftigen Sturmfahrt durch das Alkmarder Meer erreichen wir
Zaanstreek. Jetzt ist die Fahrt nicht mehr eintönig, denn wir durchfahren ein richtiges Ballungsgebiet. Auffallend viele Kakaofabriken wechseln ab mit Werften und alten und neuen Fabriken.
Dazwischen das wunderbare Freilichtmuseum Zaans Schans mit seinen alten Windmühlen und putzigen, pittoresken Häuschen.
Nervig viele Brücken versperren uns eine zügige Fahrt. Und dann sogar eine Schleuse, die hinter uns zu und vor uns auf geht ohne uns auch nur einen Zentimeter auf oder ab zu bewegen. Aber 3,95 € werden kassiert.

In Zaandam lernte Peter der Große, Zar aller Reusen, das Handwerk des Schiffzimmermanns. Vier Monate lebte er hier als Peter Michailow unerkannt, dafür bekamen wir eine Oper und die Stadt ein von Zar Nikolaus II. gestiftetes Denkmal.

Im großen Jachthafen findet man garantiert einen Platz.

Alkmarder Meer

Alkmarder Meer

tja....

tja....

Zaandam

Zaandam

Zar Peter Haus

Zar Peter Haus

Ganz so sicher ist das in Amsterdam allerdings nicht.
Die Fahrt durch den Nordseekanal ist mehr als aufregend. Hier steppt der Bär.
Hochseeschiffe, Schlepper, Fähren wie blaue Moskitos, kreuz und quer, Kreuzfahrer, Segler mit gesetzten Segeln, Motorboote, Ausflugsboot, Arbeitsboote.
Doch erstaunlicherweise scheinen alle aufeinander Rücksicht zu nehmen

nach Amsterdam

nach Amsterdam

Sixhafen

Sixhafen

Schon die Einfahrt in den Sixhaven scheint mir ein bisschen suspekt. Ziemlich eng hinter einen Wellenbrecher und gleich ums Eck.
Zum Hafenmeister muss man durch den ganzen Hafen. Die Durchfahrt ist so breit, dass wir gerade so durchkommen, denn rechts und links hängen vor den Dalben auch noch Boote.
Und dann darf man auch rückwärts das ganze wieder raus.
Einen vernünftigen Liegplatz bekommen wir nicht.
Wir hängen zwischen zwei Dalben. Ein Landgang ist uns verwehrt.
Eine traurige Sache für eine Weltstadt wie Amsterdam.
Erst als der Hafenmeister ein Charterboot mit einem Schwarm Österreicher längsseits manövriert, das Verbindung zum Steiger hat, können wir über sie an Land klettern.
Da ist uns die Lust auf einen Landgang allerdings bereits vergangen.
Im Laufe des Abends füllt sich der bereits volle Hafen immer mehr.
Bis es dunkel wird liegen wir mit vier Booten im Päckchen an den Dalben vor den gefüllten Boxen und vor uns noch mal je vier Boote im Doppelpack.
Da verkündet der Segler in der Box neben uns, dass er morgen früh ablegen will.
Dann muss sich das Chaos irgendwie auflösen.
Leider können wir das Rückwärtsfahren der großen Segelyacht in die volle Boxengasse nicht erleben, da haben wir schon Fersengeld gegeben.
12,50€ werden wir los für die Durchfahrt durch Amsterdam. Man muss sie sich gönnen, diese verrückte, große Stadt der Superlative.
Verträumte kleine Grachten, Großschifffahrtkanäle, Hochhäuser neben zauberhaften Grachtenhäusern und Brücken, Brücken, Brücken.

Fahrt einfach mal hin!

© Doris Sutter, 2007
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Begleitet Beluga und ihre Crew auf ihrer Bootsreise durch Deutschland, Holland, Belgien und Frankreich. Man kann 100.000 km mit einem Jet zurücklegen, ohne Mitteilungswertes zu erfahren, aber man kann in einer Stunde gemütlicher Fluss- oder Kanalfahrt auf dem altmodischsten aller Fortbewegungsmittel, dem Boot, sensationelle Erlebnisse haben.
Details:
Aufbruch: April 2007
Dauer: 6 Monate
Heimkehr: Oktober 2007
Reiseziele: Deutschland
Niederlande
Frankreich
Luxemburg
Der Autor
 
Doris Sutter berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Doris sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
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