Grönland / Island - Wo Europa wild wird

Reisezeit: August 2005  |  von Markus Keune

18.08. Fagrifoss Wasserfall - Lauffell

Wie wunderschön, der Regen vom gestrigen Abend hat sich verzogen. Die Zelte sind schnell abgebaut und der Pickup beladen. Christine wird heute nicht mit uns wandern, da sie sich vorgestern bei der Schlammschlacht den Fuß unglücklich umgeknickt hat. Wir hoffen alle, dass es nichts Ernstes ist.
Kaum ein paar Minuten gewandert, steht die erste Flussdurchquerung auf dem Programm. Dabei hatten wir Ívar noch extra gefragt, ob wir heute unsere Badelatschen brauchen werden. "Eigentlich nicht" und daraufhin hat wieder nicht jeder etwas dabei. Wie sich herausstellen wird, gibt's heute die meisten nassen Füße aller Tage. Mir reicht es jedenfalls und ich wate einfach barfuss durch den Fluss. Rechts und links mit Trekkingstöcken abgestützt, dann geht das schon.

Ebene mit Geirlandsá Fluss

Ebene mit Geirlandsá Fluss

Das nächste Fußbad lässt nicht lange auf sich warten. Wieder hinsetzen, Schuhe aus, Socken aus, Schokolade zur Motivation essen, Hose hochkrempeln, durch den Fluss, hinsetzen, Füße abtrocknen, Socken an, Stiefel an und zubinden - ja, so kann man auch die Zeit totschlagen. Zuerst wollte ich hier gar nicht mit rüber, weil wir hier eh wieder zurückkommen müssen und den Fluss nur queren, um uns dahinter einen Wasserfall anzusehen. Aber was soll's. Wenn man doch schon einmal hier ist. Und wie es sich lohnt: Der Fagrifoss Wasserfall zählt wahrhaftig zu den schönsten.
Und es ist genau der Wasserfall, den ich vor Abreise im Internet gesehen hatte, als ich mir ein Bild von Island machen wollte. Ich hätte nie gedacht, dass unsere Route ausgerechnet hier entlang führen würde! Bei geführten Touren informiere ich mich nämlich meist nicht vorher über alle Sehenswürdigkeiten, da ich keinen Einfluss auf das Tagesprogramm habe und nachher nur enttäuscht wäre, wenn wir etwas nicht besuchen, auf das ich mich gefreut hätte.

Fagrifoss Wasserfall

Fagrifoss Wasserfall

Wie angekündigt, geht es durch den Fluss zurück. Bis etwa zur Mitte ist es kein Problem, bis zu den Knien im eiskalten Wasser zu stehen, aber ab da macht sich die Temperatur doch langsam bemerkbar. Augen zu und durch, denn sowohl vor als auch zurück ist's ja die gleiche Entfernung.

Unser Weg führt uns nun einen kleinen Pass nach oben und dann querfeldein über eine Hochebene, die die Bezeichnung Ebene absolut verdient hat: absolut flach und grün soweit das Auge reicht. Kein Hügel, der die Sicht versperrt und so haben wir eine wunderschöne Fernsicht auf zwei der vier großen isländischen Gletscher: dem Myrdalsjokull zur Linken und dem Vatnajokull zur Rechten.
Eigentlich hätte ich erwartet, dass je höher wir kommen desto weniger Wasser auch in der Wiese steht, denn es müsste ja eigentlich bergab fließen. Ist aber irgendwie nicht so. Bei jedem Schritt auf der sonst harmlos aussehenden Wiese sinkt der Stiefel ein wenig im Matsch ein und lässt Wasser aufspritzen, als ob man mit Anlauf in eine große Pfütze gesprungen sei

feuchte Wiesen, teilweise mit Seen

feuchte Wiesen, teilweise mit Seen

Natürlich bleiben wir nicht ewig hier oben und es geht in die nächste Senke hinunter, womit auch die matschige Wiese endet, dafür die Bachdurchquerungen wieder zunehmen. Die Frage, was nun besser oder leichter zu bewältigen sei, ist durchaus berechtigt. Ich weiß es nicht.
Kleinere Bäche sind leicht mit einem Schritt erledigt, aber irgendwo fließen die alle zusammen und bilden einen ordentlichen Fluss. Ein etwa 1,5 Meter breites Exemplar davon liegt nun vor uns. Wieder stellt sich die Frage, Zeit vergeuden und wieder alle Schuhe aus usw.? Die meisten sind der Meinung, das geht auch so. Evelyn nutzt die Gelegenheit, ein evt. verpasstes Bad nachzuholen und setzt sich mitten in den Fluss hinein. Auf einmal haben wir es nicht mehr so eilig und ziehen brav wieder Schuhe und Socken aus.
Zum Glück ist Evelyn nichts passiert außer einer klitschnassen Hose und entsprechenden Schuhen. Auch Ívar kann sich ein Lächeln nicht verkeifen. Das wäre der zweitschönste Bachsprung gewesen. Der schönste war einmal, als jemand seinen Rucksack auf die andere Seite werfen wollte, ausholte, es sich im letzten Moment aber anders überlegte und den Rucksack zurückriss, dabei den Halt verlor und reingefallen ist, wobei der Rucksack trocken am Ufer verblieb.

Auf der gegenüberliegenden Seite geht es den nächsten Hügel wieder hinauf. Wie zu erwarten war: keine Bäche mehr, sondern wieder eine matschige, schmatzende Wiese. Wir müssen höllisch aufpassen, dass wir nicht zu tief versinken und die Suppe von oben in die Schuhe läuft. Am besten ist es daher, auf dichteren Bewuchs zu treten.
Nun ist Evelyn an der Reihe, uns etwas spöttisch anzusehen. Da ihre Schuhe eh nass sind, macht ihr die Wiese auch nichts mehr aus. Sie nimmt es wenigstens mit Humor.

Ich sagte doch eingangs, heute werden wir die meisten Flussdurchquerungen haben. Ok, ich will euch nicht mit jedem Detail langweilen, aber die nächste Durchquerung ist doch noch einmal erwähnenswert. Zuerst erreichen wir einen netten Aussichtspunkt, wo wir einen schönen Wasserfall zu sehen bekommen. Ívar entschuldigt sich für ein paar Minuten und will etwas abseits davon im großen Fluss baden gehen. Wenn er meint. Mir wäre das Wasser definitiv zu kalt.

Uns schickt er schon mal vor, einen Weg über den Fluss zu suchen und diesen zu queren. Diesmal ist es eine echte Herausforderung. Die Strömung ist nicht zu unterschätzen und nach dem Regen der vergangenen Tage führt der Fluss auch mehr Wasser als erwartet. In der Mitte steht mir das Wasser bis knapp unterhalb der Gürtellinie, mit anderen Worten, ich stehe fast einen Meter tief im Wasser, so dass meine Hose nass wird. Es stellt sich echt die Frage, ob es nicht klüger gewesen wäre, diese vorher auszuziehen.
Und die Strömung reißt unerbittlich. Ich kann kaum meine Trekkingstöcke als Halt benutzen, weil diese entweder zu tief zwischen den großen Steinen versinken oder wegen der Strömung nicht ausreichend Halt bieten. Am anderen Ufer unterscheiden wir uns in punkto Nässe kaum mehr von Evelyn.

Sonnenuntergang hinter bemoosten Lavafeld

Sonnenuntergang hinter bemoosten Lavafeld

Am Abend werden wir wenigstens mit einem äußerst schön gelegenen Zeltplatz und einem noch schöneren Sonnenuntergang belohnt. Suchen brauchen wir die Zelte heute wenigstens nicht. Sie sind schon von weitem auf der anderen Seite einer kleinen Senke zu sehen. Ratet mal: in der Senke lauert natürlich noch ein kleiner Fluss.
Im schützenden Schatten von tief bemoosten Lavafelsen stehen unsere gelbleuchtenden Behausungen. Die vielen Wäscheleinen erinnern an bekannte "Weißer Riese" Werbungen.

Unser Zeltplatz in der Nähe der Blágil Farm

Unser Zeltplatz in der Nähe der Blágil Farm

Ich lege meinen Flokati (Isomatte) aus und mach es mir bequem. Endlich wieder trockene Klamotten. Eine Ersatzhose hat wohl jeder dabei, Ersatzstiefel dagegen nicht. Und so kommt es, dass sich Evelyn Wärmflaschen ausleiht, um damit ihre Schuhe zu trocknen. Ich nehme heute wieder alles mit in meinen Schlafsack, damit es von der Körperwärme die Nacht getrocknet wird. Ich liege da also mit Stiefeln, 2. Jeanshose und Fotoapparat zusätzlich zu den sonst üblichen 2 Pullovern, Handschuhen, Schal und Mütze, 4 Paar Socken, der Winterjacke am Fußende, damit's nicht zieht und dicker Unterwäsche in meinem Schlafsack und höre vor dem Einschlafen noch etwas Musik. Diese nächtlichen Kuren tun meinem Fotoaquariumapparat wirklich gut. Außer ein paar Streifen hat sich das Display schon fast wieder erholt.

Blick auf den Langjökull Gletscher von unserem Zeltplatz in der Nähe der Blágil Farm aus

Blick auf den Langjökull Gletscher von unserem Zeltplatz in der Nähe der Blágil Farm aus

Übernachtung: Zelten bei der Blágil Farm

Bewertung der Lage: sehr gut

© Markus Keune, 2006
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Viele sehen in Grönland nur Eis. Da muss es doch unglaublich kalt sein. Es stimmt zwar, dass der Sommer hier nicht ganz mit dem Mitteleuropäischen konkurrieren kann, aber dass man da außer Schnee nichts sehen könnte, mit dem Vorurteil wollte ich endlich aufräumen. In Grönland waren wir an verschiedenen Stellen Zelten und haben uns dazwischen per Boot durch die bizarre Welt der Eisberge gekämpft. Anschließend sind wir auf Island über diverse Lavafelder gekraxelt. Ein aufregendes Erlebnis!
Details:
Aufbruch: 09.08.2005
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 28.08.2005
Reiseziele: Grönland
Island
Der Autor
 
Markus Keune berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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