Mit dem Motorrad über den nahen Osten in den hohen Norden

Reisezeit: Juni / Juli 2012  |  von Dirk Wöhrmann

Unterwegs auf der Traumroute N17

Erst sehr spät kam ich gestern von meiner Lofoten-Rundtour zurück und als Abendessen um 22 Uhr gab es so eine Art Griesreis mit Zimt und Apfelsinenmus, welches ich mir am Vortag schon aus dem Supermarkt mitgenommen hatte.
Nur blöd, dass mir vorher niemand erklärt hatte, dass der Zimt und der Apfelsinenmus zwar vorne auf dem Bild abgebildet, aber nicht Bestandteil des Gerichtes waren .
Ob es trotzdem geschmeckt hat?
Die Antwort erübrigt sich wohl, aber aufgrund von Hunger und aus Mangel an Alternativen um diese Uhrzeit sieht man über vieles hinweg ...

Weil ich so artig aufgegessen habe, scheint dafür heute auch wieder die Sonne .

Das Zelt ist schnell abgebaut und ich freue mich auf den Latte Macchiato in meinem neuen Lieblingscafe in Svolvaer, bevor es dann weiter Richtung Süden zur N17 geht.
Mein Möppi stelle ich wieder auf dem Marktplatz in Svolvaer ab und bevor ich im Bacalao meinen Latte Macchiato bestelle, kaufe ich mir noch schnell zwei Hefeklumpen mit Schokolade in der benarchbarten Bäckerei.
Der Typ im Bacalao, der die Cafes zubereitet, hat wohl nur Macchiato verstanden und gibt mir eine Tasse mit Espresso.
Als ich ihn darauf aufmerksam machte, dass ich einen Latte Macchiato haben wollte, war das aber auch kein Problem für ihn.
Er nahm die Tasse mit dem Espresso, schüttete sie in ein Glas um, füllte Milch auf und sagte grinsend..Bitte schön, ein Latte Macchiato.
So schnell kann ein erster, guter Eindruck zerstört werden...
Und Jack ist heute leider auch nicht da....aber dafür scheint die Sonne immer noch, man kann halt nicht alles haben.
Als ich zu meinem Möppi zurückkomme, hat sich dort ein wahrer Motorradtreff gebildet.
So viele BMWs auf einen Haufen habe ich auf meiner ganzen Tour noch nicht gesehen...

Eine Clique von ca. 10 Leuten aus Kitzbühel/ Österreich ist gerade angekommen, sieh an, so klein ist die Welt...(mein Wohnort Oberaudorf liegt ca. 40 km von Kitzbühel entfernt)
Wir kommen schnell ins Gespräch und nach dem üblichen Smalltalk unter Bikern (woher kommst Du, wo bist Du bisher gewesen, wohin geht es noch) zieht es mich jetzt doch langsam auf die Strasse, schliesslich muss ich das gute Wetter heute ausnutzen.
Ich drehe den Zündschlüssel, drücke den Starter, der Motor orgelt durch....aber die BMW springt nicht an.
Kurzen Moment warten, neuer Versuch, aber selbes Ergebnis.
Mist, wenn ich das jetzt noch ein paar mal mache, ist die Batterie wieder leer...
Ich sehe mir die Kabel am Motor an, vielleicht ist ja eins beim Aufsteigen abgerissen, alles schon mal gehabt.
Nee, sieht alles unverdächtig aus...
Also dritter Versuch.....der Motor orgelt durch und........springt nicht an.
Mit mittlerweile routinierter Gelassenheit steige ich von der Zicke wieder ab, setze den Helm ab und schaue erstmal etwas ratlos aufs Möppi.
Dies bleibt von den Jungs aus Kitzbühel nicht unbemerkt und schon eilen sie herbei.
Einer von denen scheint zu Hause eine Werkstatt zu haben, fährt auch selber eine GS und kennt sich mit dem Hobel wohl ganz gut aus.
Ich erläutere ihm kurz von Fachmann (ich habe auch in meinem ersten Leben mal Kfz- Mechaniker gelernt) zu Fachmann den Sachverhalt ("Gerade lief sie noch und jetzt springt sie nicht mehr an, keine Ahnung, warum..") und die Diagnose ist schnell gestellt.
Er macht die Zündung aus, wartet einen Moment, Zündung wieder an, Bordcomputer startet neu durch, Starter drücken und voila....sie läuft wieder!
Kann schon mal passieren, wenn es wieder passiert, sollte ich einfach den Bordcomputer neu starten, das hilft meistens...na wenn das nicht mal eine einfach zu reparierende Maschine ist ...
Nun kann es also endlich losgehen...

Und die Landschaft gibt mal wieder alles...

Aber wisst Ihr, was das Beste daran ist?
Die Norweger stellen zur beeindruckenden Landschaft auch gleich den Logensitz zur Verfügung, damit man die Landschaft auch in Ruhe geniessen kann

Überhaupt sind die Norweger recht einfallsreich.
Wer zum Teufel braucht z.B. eine teure, wartungsintensive Hebebühne, um ein Auto zu reparieren?

Oder warum kleine Mülleimer auf öffentlichen Parkplätzen installieren?
Die müssen ja oft entleert werden, von daher bauen die Norweger doch lieber einen großen, unterirdischen Mülleimer...

...denn man nur einmal im Jahr entleeren muss...

Und quängelnde Gören während einer langen Autofahrt?
Fehlanzeige, die werden mit pfiffigen Knobbeleien beschäftigt, z.B. müssen sie erraten, wie lang wohl der Tunnel ist...

Na, wer kennt die Antwort von Euch?

Na, wer kennt die Antwort von Euch?

Um von den Lofoten zur N17 zu kommen, gibt es nun zwei Möglichkeiten:
Entweder man fährt über den Landweg eine große Schleife von ca. 180 km oder man nimmt eine Fähre, um sich diesen Umweg zu sparen.
Da ich schon recht spät dran und heute eigentlich noch nicht weit gekommen bin, entscheide ich mich für die Fähre.
Von Einheimischen erfahre ich von einer sehr kostengünstigen Alternative zu den üblichen Fähren...warum also nicht?
Als ich die "Fähre" jedoch sehe, schwindet mein Vertrauen schlagartig, damit auch das gegenüberliegende Ufer zu erreichen....

Ich drehe um und benutze da dann doch lieber die etwas teurere, reguläre Fähre...

Mittlerweile bin ich jetzt ja schon eine Weile unterwegs und man bemerkt ja schleichende Veränderungen an sich selber nicht, aber als ich diesem Kind auf der Fähre in die Augen schaue, mache ich mir schon ein wenig Sorgen über mein Aussehen...

Auf der Fähre treffe ich auch das Pärchen wieder, welches mir am Vortag die Eintrittskarte zu dem Fischerdorf auf den Lofoten gegeben hatte...irgendwie läuft man sich anscheinend immer mehrmals in Norwegen über den Weg, obwohl das Land so groß ist und die Wege vielfältig .

Nach der Überfahrt ist die N17 schnell erreicht.
Diese Panoramastraße verläuft über 650 km entlang an der Küste Nordnorwegens.
Abseits der Hauptroute E6 und weitgehend noch unberührt vom touristischen Verkehr führt der Kystriksveien, wie die Norweger die N17 auch nennen, durch eine Landschaft mit Fjorden und Inseln.
Bekannte Sehenswürdigkeiten Nordnorwegens liegen auf dem Weg:
Der Saltstraumen ist der Gezeitenstrom mit dem größten Tidenhub der Welt.
Der Gletscher Svartisen gehört zu den gewaltigsten Gletschergebieten Norwegens.
Und der Berg Torghatten bei Brønnøysund ist berühmt für sein Loch in der Felswand, durch das man nicht nur sehen, sondern sogar wandern kann.
Diese Sehenswürdigkeiten möchte ich mir natürlich alle anschauen, und da zudem noch 6 Fähren unterschiedlicher Länge auf einen warten, muss man für die Strecke schon zwei bis vier Tage einplanen.

Der Start sieht schon mal sehr vielversprechend aus, Kurven fast wie auf Sardinien ...

Hat eigentlich jemand von Euch gehört, dass der El Capitan aus dem Yosemite Nationalpark in den USA geklaut wurde?
Dann sagt den Amis, ich weiss, wer ihn geklaut hat und wo der Berg jetzt steht, gegen Münzeinwürf in nicht geringer Höhe verrate ich es Ihnen...

Und hier ein paar Impressionen von meinem ersten Tag auf der N17...

Spät am Abend erreiche ich die Saltstraumen, mein heutiges Etappenziel.
Der außerhalb von Bodø gelegene Saltstraumen ist der stärkste Gezeitenstrom der Welt.
Alle sechs Stunden stürzen 400 Millionen Kubikmeter Wasser mit einer Geschwindigkeit von bis zu 40 km/h durch die 150 Meter breite und drei Kilometer lange Meerenge.
Die mächtigen Strudel können einen Durchmesser von zehn Metern und eine Tiefe von vier bis fünf Metern erlangen.
Natürlich ist es mal wieder schwierig, eine Unterkunft zu finden.
Da mittlerweile wieder schwarze Wolken aufgezogen sind, habe ich wenig Spass daran, mein Zelt aufzubauen.
Direkt unterhalb der Brücke, die über den Saltstraumen verläuft, finde ich jedoch mit entsprechendem Exclusivzuschlag noch eine Bleibe für die Nacht...

Ich höre Euch schon denken, och wie süß, aber Wasser gibt es aus einem Eimer vor der Tür, die Toilette und Dusche ist im Nachbarhaus, welche ich mir mit anderen Gästen teilen muss, Bettwäsche oder Handtuch gibt es nicht...ist aber eigentlich alles kein Problem...solange man nicht an den Preis denkt ...
Da ich zuvor aber im Supermarkt eingekauft hatte, gibt es heute zumindest ein richtiges Festmahl zu später Stunde ...

Am Abend schaue ich mir noch diesen weltbesten Gezeitenstrom an, muss man ja ausnutzen, wenn man so nah dran wohnt...
Er scheint zu schlafen, jedenfalls sieht er für mich wie ein ganz normaler Fluss aus...

Na dann werde ich es ihm mal gleichtun, gute Nacht...

© Dirk Wöhrmann, 2012
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Mit dem Motorrad ans Nordkap über Tschechien, Polen, Russland, Litauen, Lettland, Estland, Russland, Finnland, Norwegen, Lofoten, Schweden, Dänemark
Details:
Aufbruch: 12.06.2012
Dauer: 7 Wochen
Heimkehr: 28.07.2012
Reiseziele: Deutschland
Tschechische Republik
Polen
Litauen
Lettland
Estland
Finnland
Norwegen
Der Autor
 
Dirk Wöhrmann berichtet seit 12 Jahren auf umdiewelt.
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