Mit dem Motorrad über den nahen Osten in den hohen Norden

Reisezeit: Juni / Juli 2012  |  von Dirk Wöhrmann

Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?

Um 09.30 Uhr komme ich mit einem flauen Gefühl im Bauch bei der Nordea- Bank in Riga an.
Ich stürme ins Gebäude und am Empfang werde ich gebeten, mit meinem Problem zu einer Sachbearbeiterin zu gehen.
Dass man eigentlich wie beim Strassenverkehrsamt (zumindest in Rosenheim) eine Nummer ziehen muss und warten muss, bis man aufgerufen wird, stelle ich erst im Laufe der nächsten 5 Stunden, die ich jetzt in der Bank verbringen werde, fest.
Ich suche mir also die für mich symphatischte Mitarbeiterin raus und frage sie, ob sie Englisch spricht. Tut sie, sogar sehr gut.
Prima, ich erläutere ihr mein Problem und sie antwortet, dass man da wohl nichts machen kann und die Karte zum Kreditinstitut nach Deutschland zurückgeschickt wird.
Nachdem ich ihr noch einmal eindringlicher meine Situation geschildert habe, führt sie ein paar Telefonate durch.
Resultat:
Die Bank selber betreut die Geldautomaten nicht mehr, dies wird von einem Dienstleistungsunternehmen übernommen und die kommen erst morgen nachmittag zwischen 15 und 17 Uhr wieder. Heute wird das also schon mal nichts mit der Karte. Damit ich die Karte allerdings ausgehändigt bekomme, braucht das Unternehmen die Genehmigung meiner Bank, es könnte ja sein, dass die Karte z.B. aus anderen Gründen eingezogen wurde und ich sie nicht vergessen hatte.
Okay, verstehe ich, sollte kein Problem sein, dann rufe ich mal bei meiner Bank an.
Glücklicherweise gibt es in der Bank Wlan und so kann ich die Nummer der Diba schnell herausfinden.
Natürlich habe ich nur eine Hotline- Nummer und es entwickelt sich folgendes Gespräch mit der freundlichen Diba- Mitarbeiterin:

Ich: Hallo, mein Name ist...und ich habe folgendes Problem....
Sie: Okay, so einen Fall habe ich noch nie gehabt, geben Sie mir mal bitte ihre Kontonummer.
Ich: Blablabla
Sie: Danke, und jetzt bitte ihre 5-stellige Telefonbanking- Pin?
Ich: Was? Die kenne ich nicht, da ich normalerweise nie anrufe und alles online mache.
Sie: Ohne die Nummer kann ich aber nichts für sie tun, ich komme dann nicht an ihre Kontodaten heran.
Ich: Dann lassen sie sich bitte etwas anderes einfallen, ich brauche heute diese Bestätigung, da die Karte sonst zur Diba zurückgeschickt wird und ich dann hier in Riga meinen Urlaub abbrechen kann.
Sie: Einen Moment, ich frage meinen Vorgesetzten....
Warten, warten, warten....
Sie: Ich habe noch einmal nachgefragt, wir verstehen ihre Situation, können sie aber ohne die Pin nicht identifizieren und haben keinen Zugriff auf das Konto.
Wenn Sie Zugriff per Onlinebanking auf ihr Konto haben, können sie den Vorgang auch selber auslösen, dafür brauchen sie aber eine TAN- Nummer.
Ich: Die habe ich aber auch nicht parat, da ich sie aus Sicherheitsgründen natürlich nicht mitgenommen habe.
Sie: Moment, ich spreche noch einmal mit meinem Vorgesetzten....
Warten, warten, warten....ist ja ein Ortsgespräch...
Sie: Ich kann Ihnen nicht versprechen, ob es klappt, aber schicken sie uns ein Fax mit Ihrer Anschrift, Kontonummer etc., schreiben sie Wichtig! und Sofort bearbeiten! oben drauf, schildern sie den Vorfall und unterschreiben sie dieses Formular.
Das ganze schicken sie dann bitte an unsere Fax- Sammelnummer.
Ich? Fax- Samelnummer? Wer bearbeitet das denn dann?

Sie: Das kann ich Ihnen nicht sagen, aber wenn Wichtig! darauf steht, gehe ich mal davon aus, dass es gleich an die richtige Abteilung weitergeleitet wird.
Ich: Aha, davon gehen sie also aus...na gut, ich schicke das Fax...
Ich also von Ilsze (die Bankangestellte) ein weisses Blatt Papier besorgt und nach Vorschrift ausgefüllt.
Ilsze nimmt das Papier und faxt es zur Diba.
Nach 10 Minuten kommt sie zu mir und teilt mir mit, dass auf den Sendereport "Keine Antwort" steht, sprich, dass Fax nicht durchgegangen ist. Ist die Faxnummer denn die Richtige?
Ich rufe wieder bei der Diba- Hotline an, habe natürlich jetzt eine andere Mitarbeiterin am Apparat und schilder geduldig mein Problem noch einmal von vorne.
Sie ist ein bisschen pfiffiger und sucht mir gleich die Faxnummer der Fachabteilung raus, die für solche Fälle zuständig ist.
Und ich soll auf jeden Fall noch mein Geburtsdatum dazu schreiben.
Mit dem korrigierten "Formular" und der neuen Nummer gehe ich jetzt zu einer Kollegin von Ilsze, da Ilsze im Moment in einem Gespräch verwickelt ist.
Nach weiteren 10 Minuten das gleiche Resultat....keine Antwort.
Ilsze telefoniert nun mit der IT- Abteilung und versucht es an einem zweiten Gerät....gleiches Resultat.
Ich rufe wieder bei der Diba an, habe jetzt die dritte Mitarbeiterin am Apparat, erkläre zum dritten Mal das Problem und dass das Fax nicht durchgeht.
Moment, ich spreche mal mit meiner Vorgesetzten, ob wir da etwas für sie tun können...
Warten, warten, warten, warten.......warten, warten, warten.......warten warten, warten.....
Hallo, vielen Dank, dass sie so lange gewartet haben (was ich hätte ich denn sonst tun sollen!), ich habe jetzt mit meiner Vorgesetzten geredet und damit wir auch wissen, dass sie Dirk Wöhrmann sind, haben wir uns überlegt, dass ich Ihnen jetzt ein paar Fragen zu Ihrem Konto stelle. Sind sie damit einverstanden?

Klar doch, ich liebe Quiz!
Gut, erste Frage:
Wie hoch ist Ihr Kontostand auf dem Exrta- Konto?
1 324 878 €
Sehr gut, zweite Frage:
Im Mai ist ein Eingang auf dem Girokonto gewesen, das waren Spesen, wie hoch war der?
Wow, die Spesen überweise ich mir immer selber, können 400 oder 500 € gewesen sein, im Juni jedenfalls habe ich für den Urlaub 3000 € überwiesen...
Okay, die letzte Frage:
An welchen Datum haben sie ihr Konto eröffnet?
Keine Ahnung, war vor 8 oder 10 Jahren, ich weiss es nicht mehr.
Okax, ist ja auch eine sehr schwierige Frage, gebe ich zu, ich spreche dann mal mit meiner Vorgesetzten...
Warten, warten, warten.......
Herr Wöhrmann, vielen Dank, dass sie so geduldig gewartet haben, wir haben jetzt beschlossen, dass wir Ihnen die Bestätigung ausstellen werden. Wo sollen wir es hinfaxen? Und wie lautet der Name der Mitarbeiterin? Und die Adresse der Firma?
Die sind doch alle irre, total irre....
Aber auch die Informationen waren schnell besorgt.
Wann kann ich mit der Bestätigung rechnen?
Das kann schon so zwei Stunden dauern, ich muss dies jetzt erstmal an die Fachabteilung weitergeben.
Hmm, ein ungutes Gefühl beschleicht mich, da ich wieder keinen Ansprechpartner habe, der für mein Problem zuständig ist und dem ich auf die Füße treten kann...
Aber schon komisch, am Anfang ging angeblich nix ohne die Pin und jetzt geht es plötzlich doch mit einem Quiz...
Ich buche mir ein Zimmer in einem Hostel in Riga und verlasse nach 5 Stunden die Bank.
Vorher lasse ich mir noch von Ilsze die Telefonnummer von Ina geben, der Mitarbeterin des Unternehmens First Data, welches für die Geldautomaten zuständig ist.
Das Hostel ist der Kracher...im Internet sieht alles immer ganz anders aus ...

Unten im Erdgeschoss befindet sich das Hostel, eigentlich eine große WG mit Gemeinschaftsbad und Küche.
Aber egal, immerhin sehr zentrumsnah und mit bewachten Parkplatz im Innenhof, ist in der Gegend wohl auch notwendig ..
Dann ziehe ich los und erkunde Riga.
Eine wirklich sehr schöne Stadt, die Altstadt gehört zum Unesco Weltkulturerbe.
Gegen 17 Uhr rufe ich Ina an und frage, ob ein Fax oder eine Email eingegangen ist.
Natürlich nicht!
Gegen 18.30 Uhr ruft mich die Diba an und teilt mir mit, dass drei Versuche gestartet wurden, ein Fax loszuschicken, aber immer war besetzt.
Ich sage denen, sie sollen das Fax doch bitte einscannen und per Mail verschicken.
Die Mitarbeiterin selber kann dies nicht, lässt dies aber prüfen, ob es überhaupt geht. Sie melden sich am nächsten Morgen wieder bei mir.
Da soll noch jemand entspannt bleiben....
Am nächsten Morgen dann mein erster Anruf bei Ina.
Ein Fax ist noch nicht angekommen, aber meine Karte hat sie schon seit gestern auf dem Tisch liegen.
Aha, seit gestern...wie geht denn das, frage ich mich, ich dachte, der Geldautomat wird erst heute nachmittag gelerrt.
Egal, zumindest sit die Karte schon mal wieder aufgetaucht.
Die Faxnummer ist die Richtige, bestätigt sie mir.
Kurz danach der Anruf von der Diba, diesmal ein Mitarbeiter...
Er: Hallo Herr Wöhrmann, konnten sie die Faxnummer überprüfen?
Ich: Ja, sie ist richtig..
Er: Dann versuchen wir es noch mal.
Ich: Schicken sie doch bitte ein Mail, wenn es nicht funktioniert.
Er: Eine Mail ist leider nicht möglich, das hätte er bereits abgeklärt.
Ruhig bleiben, Dirk, gaaaanz ruhig...

Ich: Wieso nicht?
Er: Weil das rechtlich keinen Bestand hat, zumindest in Deutschland, wie das in Lettland aussieht, wüsste er nicht.
Ich: Aber hier in Lettland akzeptieren sie eine Mail!
Er: Er wird es prüfen, versprechen kann er mir aber nichts...
Ich: Guter Mann, ich stehe hier in Riga und habe kein Geld mehr, ich bin mit dem Motorrad unterwegs und habe noch ein paar Wochen vor mir, sie haben Zugriff auf alle meine Daten und können sehen, dass es keinen Grund gibt, dass die Karte einbehalten werden muss, ich kann mich mit Personalausweis und Reisepass ausweisen, mit denen ich über alle Grenzen dieser Welt kommen würde, die Karte liegt bei der Mitarbeiterin von First Data auf dem Tisch und sie wollen mir jetzt erzählen, dass ich meine Reise abbrechen soll, weil ein Fax nicht durchgeht???
Er: Okay, ich werde alles daran setzen, dass sie die Bestätigung bekommen.
Ich: Danke...
Nach einer weiteren Stunde, ich befinde mich gerade auf einem tollen Markt in Riga, den ich durch Zufall entdeckt habe, ein weiterer Anruf von der Diba, diesmal eine Frau.
Das Fax wäre nun durchgegangen!
Wunderbar...ich rufe sofort Ina an...sie sagt mir, dass sie leider jetzt unterwegs sei und erst so gegen 13, 14 Uhr wieder im Büro wäre.
Okay, auf die paar Stunden kommt es jetzt auch nicht mehr an.
Um 13.30 stehe ich vor der Tür von First Data.
Ina ist noch unterwegs, wird aber angerufen und beeilt sich, ins Büro zu kommen.
Um 14. 30 habe ich dann meine Karte zurück .
Jetzt aber mit Vollgas weiter nach Tallinn, der Hauptstadt von Estland...aber vorher bringe ich noch Ilsze ein paar Pralinen vorbei als Dankeschön für Ihre Hilfe.

© Dirk Wöhrmann, 2012
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Mit dem Motorrad ans Nordkap über Tschechien, Polen, Russland, Litauen, Lettland, Estland, Russland, Finnland, Norwegen, Lofoten, Schweden, Dänemark
Details:
Aufbruch: 12.06.2012
Dauer: 7 Wochen
Heimkehr: 28.07.2012
Reiseziele: Deutschland
Tschechische Republik
Polen
Litauen
Lettland
Estland
Finnland
Norwegen
Der Autor
 
Dirk Wöhrmann berichtet seit 12 Jahren auf umdiewelt.
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