...lului - transsilvanische Verwirrungen

Reisezeit: Juli 2008  |  von Norbert Wallner

Transsilvanische Diskussionen

Freitag bin ich wieder um acht Uhr am Gemeindeamt, um noch ein Parkticket zu besorgen, damit wir in Ruhe frühstücken und einpacken können. Da ich mir doch nicht ganz sicher bin, ob die nicht übern Autoverleih auf meine Kreditkarte zugreifen lassen können - so ganz vertraue ich meinem lieben Schwejk doch nicht - zeige ich der Frau dort mein Strafmandat plus Parkticket von gestern durch die Scheibe. Sie holt sich ebenfalls einen der englischen Sprache Kundigen, und alle lachen wieder sehr freundlich. Ich soll ihr meinen Namen und meine Heimatadresse aufschreiben, und ohne mit der Wimper zu zucken streift sie die Strafe ein. Die Hälfte nur, weil ich innerhalb von 48 Stunden bezahlt habe. Zum Frühstücken gehen wir heute in ein Lokal gleich an der Piata Mare, aber auch hier bekommen wir nur Kaffee.
Als wir im Sekretariat unsere Zimmer bezahlen wollen, sind die auf einmal wesentlich teurer als Manfred per Email vereinbart hatte. Die Diskussion geht die längste Zeit hin und her. Die Sekretärin meint, es wäre halt üblich, dass man vorher über den Preis redet. Offensichtlich sieht sie ein Email nicht als Vereinbarung, aber Manfred hat ohnehin den Ausdruck nicht mit. Dann meint sie noch, den billigeren Preis bekommen nur Rumänen, weil die weniger verdienen. Mein Hinweis, dass in der EU solche Unterschiede nicht erlaubt sind, ist ihr wurscht, auch mein Einwand, dass ich hier in Rumänien schon auch Häuser sehe, die sich in Österreich keiner leisten kann, beeindruckt sie nicht. Es handelt sich um kein Vermögen, aber wir ärgern uns natürlich.
Beim Kreisverkehr werden je nach dem, aus welcher Richtung man kommt, auf drei verschiedene Straßen als nach Medias führend hingewiesen. Den dritten Versuch lassen wir dann gut sein, und wir haben die richtigen 33% gewählt.

In Axente Sever, dem früheren Frauendorf, stellt sich uns eine wuchtige Kirchenburg in den Weg. Die muss ich sehen und bleib also stehen. Die anderen drei trauen sich nicht in den Hof, weil alles Baustelle ist. Mir ist das egal, ich grüße freundlich die deutschen Bauleiter, die Kirche ist allerdings verschlossen.

Geh ich also nur rundherum und schau sie mir von außen an.

Hinten im Hof kann sich ein Hund nicht und nicht beruhigen, weil ich durch seinen Kirchhof spaziere. Erbost keift er mich hinter seinem Gatter mit kippender Stimme an. Bin schon ein schönes Stück weiter, der Hund ereifert sich immer noch, als mir ein deutlich nach Schnaps riechender Mann nachkommt. Visitate? Ja, nicke ich, visitate! Er winkt mir mitzukommen, holt einen riesigen Schlüssel, der sicher zwei, drei Kilo wiegt, und sperrt mir die Kirche auf. Kommen wohl nicht viele Leute hier her, wenn sich der Hund so überhaupt nicht beruhigen kann. Nein, meint er, nicht viele. Er spricht recht gut deutsch. Der Mann natürlich, der Hund bellt weiter nur auf hündisch. Der Bau stammt aus dem Jahr 1322, erklärt mir der Mann, der großartige Altar von 1777.

Und die Orgel ist noch original und funktioniert, führt er mir weiter aus. Dann deckt er mir ein phantastisches hölzernes Weihwasserbecken auf, weiß aber nicht mehr, aus welchem Jahr dieses stammt. Jedenfalls auch uralt.

Also der Mann hat sich sein Trinkgeld verdient. Beim Hinausgehen erzählt er mir noch, dass die Deutschen die Kirche renovieren, die Behausungen, die in die Burgmauer integriert sind, allerdings von Schweizern - oder waren das die Niederländer? - im Original wieder hergestellt werden und zu Hotelappartements umgebaut werden.

Nächstes Jahr soll angeblich alles fertig sein. Ich kann mir das schwer vorstellen, aber wer weiß?
Durch liebliche Landschaft, die immer wieder schöne Ausblicke bietet, fahren wir nach Medias.

Unser Auto parken wir für den obligaten Lei ab, und uns begrüßt eine gepflegte Stadt. Es ist früher Mittag und in Ermangelung eines Frühstücks würden wir gerne etwas essen. Es ist nirgendwo ein geeignetes Lokal zu sehen, also frage ich einige ältere Herren, die bei einem Tratsch zusammen stehen. Einer verweist und auf das Hotel vor uns, nach den ersten drei schritten eilt er uns aber nach, weil das geschlossen hat. Er führt uns nun in eine Seitengasse, wo wirklich ein nettes Lokal zu finden ist.

Nach einem recht angenehmen Mittagessen besichtigen wir die Kirchenburg von Mediasch. In der Kirche sind drei Touristen, die mit umfangreicher Fotoausrüstung ausgiebig alles fotografieren.

Ich zücke meinen Fotoapparat, um gleiches zu tun, als ein junger Mann auf mich zustürzt. Fotografierverbot, er zeigt auf die Tafel. Ich antworte, die anderen fotografieren doch auch, wo ist da jetzt der Unterschied? Meint er frech, das hat er nicht gesehen. Bereits die dritte sinnlose Diskussion heute. Naja, der kann mich mal, will sicher ein Trinkgeld der Bursche.

Aber sooo spannend ist diese protestantische Kirche auch wieder nicht. Außerdem müssen wir sowieso weiter, zwischen halb drei und drei sollen wir beim Pfarrer Kezdi in Reghin sein, weil er dann weg muss.

Wir wählen die nördliche Route, die nur gelb in unserer Straßenkarte eingezeichnet ist, und es ist eine kluge Wahl. Zwar erfordert der "Straßenbelag" eine Slalomfahrt, aber es ist beinahe kein Verkehr und uns eröffnen sich immer wieder traumhafte Aussichten über die fast menschenleeren Hügel von Siebenbürgen.
In Targu Mures geraten wir wieder in einen Stau, aus dem wir erst nach einer dreiviertel Stunde wieder heraus finden, sodass die Zeit langsam knapp wird. Das nächste Problem harrt nämlich noch einer Lösung. Pfarrer Kezdi hat Manfred erklärt, einfach zur ersten Kirche auf dem Berg zu fahren, wir können sie gar nicht verfehlen. Als wir uns Reghin nähern zwinkern uns aber drei Kirchtürme entgegen, die alle auf einem Berg stehen. Wir steuern halt eine davon an und parken uns davor ab.

Siehe da, Siebenbürgen beschert uns mehr Wunder als das Heilige Land, gerade als wir aufgeben wollen, weil da keiner ist, läuft uns Pfarrer Kezdi nach. Also doch richtig! Und zeitlich passts gerade noch. Der Pfarrer bittet uns hinein, meint, wir sollten gleich mal das Kinderheim besuchen fahren. Während wir noch überlegen, hat er schon angerufen und uns angekündigt. Lang und breit versucht er uns zu erklären, wie wir am besten nach Lunca Muresului finden. Als wir endlich glauben, es finden zu können, erinnert er sich, dass er ja einen genauen Straßenatlas hat. Und der ist wirklich genau, da ist jede Hundehütte eingezeichnet. Kann also nichts schief gehen. Noch schnell erklärt, wie wir zu Pfarrer Demeter finden, der die Quartiere für uns bereit hält, und den er auch gleich nebenbei anruft, und wie wir abends nach Obereidisch finden, wo wir zum Gemeindefest eingeladen sind. Pfarrer Kezdi ist einer, der nichts anbrennen lässt. Bevor wir uns versehen, sind wir schon wieder unterwegs.

© Norbert Wallner, 2008
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Eine zehntägige Reise durch Siebenbürgen. Ahnenforschung und Besuche von Kinderheimen wurden mit einem touristischen Programm verknüpft, das nicht nur die Highlights umfasste. Städte, Burgen, Menschen: Abenteuer am Rande Europas.
Details:
Aufbruch: 02.07.2008
Dauer: 10 Tage
Heimkehr: 11.07.2008
Reiseziele: Rumänien
Der Autor
 
Norbert Wallner berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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