Jakobsweg von Seant Jean Pied de Port bis ans Ende der Welt

Reisezeit: Mai / Juni 2015  |  von Thomas Eggers

Von Fromista nach Calzadilla de la Cueza

Zum ersten Mal war ich doch tatsächlich der Erste der aufstand, und dass um 5:30 Uhr!
Leider war es nach den bereits gegangenen Kilometer nicht mehr möglich seitlich aus dem Hochbett zu springen und so musste ich den "offiziellen Weg" über die Leiter an der Stirnseite meines Bettes nehmen und somit über das vor mir liegende Bett zu steigen. Natürlich alles im dunkeln. Aber ich schaffte es, nicht auf den Franzosen zu treten.
Ich nahm meinen Rucksack und meinen Schlafsack und schleppte alles auf den Flur um niemanden zu nerven.
Auf dem dunklen Flur packte ich meine Sachen zusammen und traf dann Jatzek. Jatzek suchte aber sein Tage- oder Kartenbuch und glaubte es gestern Abend im Aufenthaltsraum vergessen zu haben. Der Raum war nun aber abgeschlossen. Wie geil!
So warteten wir noch und Jatzek versuchte irgendwie alles um den Schlüssel für den Raum von der so langsam aufwachenden Herberge zu ergattern. Vergebens! Und wie es immer so ist hat man die Sachen, die man glaubt verloren zu haben, doch irgendwie bei sich. Im Fall Jatzek war das Buch im Rucksack
So gingen wir in der Dämmerung auf den Camino.

Spontan nahmen wir erst einmal den falschen Weg indem wir zwei Perigrinos folgten. Schnell schnallten wir aber dass wir falsch gingen und nahmen spontan den Weg querfeldein auf dem Camino. Es klappte, wir waren auf dem Weg und gingen auf einem langweiligen Weg neben einer Straße. Immer wieder kamen in regelmäßigen Abständen Steine mit der Jakobsmuschel.

Jatzek war eine Kampfsau. Er musste immer wieder anhalten um seinen Fußverband zu wechseln. Ich ging dann weiter, stoppte dann irgendwo und er holte mich wieder ein.
In Pablacion de Campos frühstückten wir in einer Pinte

Danach gingen wir beide ein hohes Tempo. Mir fällt beim Schreiben auf, dass ich auf dem Jakobsweg niemals oberflächliche Gespräche geführt habe. Entweder waren es wirkliche Gespräche oder man ging nebeneinander und hat nicht gesprochen. Wirklich schön!!!
Und so ging ich mit Jatzek durch die Prärie!!!!!!!!

In Villalcazar de Sirga hielten wir an und machten in einem Café eine Pause.
Dann waren wir auch recht schnell in Carrion de los Condes. Dieses wäre eigentlich das Etappenziel des Plans gewesen. Hier deckten wir uns noch mit Wasser und Essbaren ein, denn danach sollte es einsam werden!!!

Das was nun kommen sollte zitiere ich am besten aus einem Buch:

"Meseta pur!
Das nun folgende Stück gehörte zumindest bis vor einigen Jahren zu den härtesten und für viele auch zu den spirituell aufregendsten des Weges.
18 km durch das Nichts"

Am Anfang des Weges trafen wir auf zwei spanische Perigrinos und später auf eine Koreanerin, die ich schon in Roncesvalles sah und die Jatzek gut kannte.
Sie war unglaublich aufgedreht, torkelte und schien unter Drogen zu stehen. Eigentlich unnütz, auf diesem Weg, der einen ständig ins Jenseits beförderte.

Nun kam die lange Strecke. Es war von Anfang an speziell. Am Anfang waren viele Perigrinos die Fotos im Kornfeld schossen oder sonst etwas.
Ich weiß gar nicht warum, aber irgendwann viel ich hinter Jatzek zurück und sah ihn nicht mehr.

Ich sah irgendwann für zirka 15 km keinen Menschen mehr. Das Wetter war sonnig und windig. Es ist immer ein gerader Weg aus Staub, um einen herum sind nur Weizenfelder. Es ist göttlich. Ich glaube es bedarf aber auch der Tatsache, dass man mittlerweile seit 14 Tagen und 400 km unterwegs war um das Gefühl der Meseta hier vollständig zu spüren. Boah, ich ging und um mich herum war nichts. Klar, ich glaube das kann man auch in der Weite von Mecklenburg Vorpommern erleben, aber hier wirkt es anders. Es war ein unglaubliches und so lange anhaltendes Gefühl. Es war Simon and Garfunkels "Sound of Silence" aber auch foo fighters "everlong" auf meinem Ohr was mich in die Knie zwang. INTENSIV!!!!!!!!!!!!

Ja ich war in Trance und nicht mehr in dieser Welt....
Mein Outdoor Führer schrieb, dass in der Ferne von 1,5 km irgendwann ein Kirchturm zu erkennen sei, und gratulierte zu dieser Sicht, da man den härtesten Teil der Meseta überstanden hätte.
CALZADILLA DE LA CUEZA ist erreicht!!!!!

Ich sah den Kirchturm und stolperte in das kleine Dorf das eher eine mini Ansammlung von Häusern war.
Am Anfang waren die zwei Herbergen, beide direkt nebeneianander.
Ich nahm irgendeine!!!! Vorne stand ich mit der Koreanerin...
Irgendwie waren alle drauf, mit oder ohne Pillen.
Es ist eine Zeremonie.....das pressen des Stempels in deinen Pilgerausweis nach dieser besonderen Etappe.

ich ging in den Schlafsaal und packte meine Sachen in die Ecke, ging duschen und humpelte in die Hängematte im Innenhof. Kurze Zeit Sendeschluss!
Dann kam die Koreanierin in den Innenhof und es knallte! Es knallte, weil es windig war und die Tür zuschlug. Die Koreanerin hatte ihre Finger dazwischen!!!!!!!!
Sie ging in die Knie und danach zur Kühlung an den Wasserhahn.....Sie wollte keine Hilfe!
Dann ging ich auf dem Weg in die nächste und sicherlich einzige Bar des Ortes. Nachdem ich zuhause H.P Kerkerling gelesen hatte stelle ich fest, dass er in dieser Bar übernachtete und das erste Mal auf "Quassel" traf.
Ich traf auf Jatzek.........und wir saßen draussen.

Irgendwann gingen wir rein....Aus dem Nichts kam auf einmal die Russin rein und drückte mir ein Croissant in die Hand und sagte "Das ist dein Frühstück aus Fromista"
Ja, sie hatte was Magisches an sich. Ich sagte ihr, dass sie verrückt sei!!!!!!
Ich saß bei Wein noch lange mit Jetzek zusammen, wir schauten auf den Plan und rechneten hin und her. Wir sahen, dass es mit einem langen Marsch von 42 km am nächsten Morgen möglich sein würde wieder komplett im Plan zu sein. Wir waren uns aber einig, dass das eine ziemlich harte Tour nach dem heutigen Tag wäre. Zirka 8 km vor den höllischen 42 km gab es aber noch ein Dorf mit dem Namen Bercianos del Real Camino. Ich denke wir beiden sahen uns am nächsten Tag, nach dann schon langen 34 km, dort in einer Herberge.
Wir aßen nochmal was, tranken Wein.
Die Bar wurde im übrigen von H.P. Kerkerling gut in seinem Buch beschrieben. Nach über 10 Jahren sieht es dort immer noch so aus wie im Buch beschrieben. Großes Foyer mit Bar von der eine riesige Treppe geschwungen nach oben führt.
Die 100 Meter zwischen Bar und Herberge kamen mir auf dem Rückweg vor wie 1 km.

Es war schon krass, mittlerweile war es so, dass ich nach dem Ankommen in den Herbergen immer platter war, wobei das natürlich wohl auch daran lag, dass die Etappen auch immer länger wurden. Ein richtiges Gehen war für mich abends echt nicht mehr möglich. Auf Flip Flops kämpfte man echt nur von Station zu Station. Verrückt am nächsten Morgen war dann alles wieder verschwunden, wobei in den Nächten schon mal völlig bisher unbekannte Schmerzen kamen, die irgendwie zu dem Zustand "ausgezehrt" passten.
Jatzek war in der Herberge nebenan. Ein Hochbett neben mir lag die Koreanerin auf dem Rücken und reckte die Beine gegen die Mauer nach oben. Eine Stellung die bei vielen Perigrino am Abend beliebt war.
Nachts viel mein Handy aus meinem Bett zwischen Kopfteil und Wand auf den Kopf der Engländerin die unter mir schlief. Sorry........

© Thomas Eggers, 2017
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Die Reise
 
Worum geht's?:
880 km zu Fuß über den klassischen Jakobsweg.
Details:
Aufbruch: 07.05.2015
Dauer: 5 Wochen
Heimkehr: 10.06.2015
Reiseziele: Frankreich
Spanien
Der Autor
 
Thomas Eggers berichtet seit 9 Jahren auf umdiewelt.
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