Kilimanjaro 2012 - Plumpsklos regieren die Welt

Reisezeit: Februar 2012  |  von Simon K.

Barafu 4600m - Uhuru Peak 5895m

Wir waren gegen Mittag im letzten Camp, dem Barafu auf 4600m angekommen. Traditionell wird der Gipfel gegen Mitternacht des selben Tages in Angriff genommen. Etwa 6-7h braucht es, um Ihn zu erreichen und den Sonnenaufgang ganz oben zu genießen...sofern man nach den Strapazen noch dazu in der Lage ist...das heißt, etwas essen und relaxen, früh hinlegen, kurz vor Mitternacht wieder aufstehen und losgehen...so hoch die Füße tragen....

Ruhe vor dem Sturm

Ruhe vor dem Sturm

auch hier lauern sie wieder unscheinbar im Hintergrund...

auch hier lauern sie wieder unscheinbar im Hintergrund...

Outside Check....es hatte angefangen zu schneien

Outside Check....es hatte angefangen zu schneien

Gegen 18 Uhr hatte ich versucht mich hinzulegen...schlafen war möglich, aber nur bis ca 22 Uhr...danach war ich zu aufgewühlt und in froher Erwartung endlich loszugehen. Es hatte inzwischen ordentlich angefangen zu schneien und als wir loswollten, war alles weiß. Außerdem war es saukalt. Gefühlt minus 10 bis minus 15 Grad. Insgesamt 6 Lagen Klamotten hatte ich an, um die Nacht zu überstehen. Zum Abendessen gab es nicht wie sonst riesige Portionen Nudeln oder Reis, sondern lediglich eine Suppe mit ein paar Kartöffelchen...Auch vor dem Start um 24 Uhr gab es bedauernswerterweise auch nur ein paar Kekse. Ähnlich denen, die man zur Tasse Capuccino beim Italiener um die Ecke auf den Untersetzer gelegt bekommt...Dies sollte sich für mich rächen.

Zongolo und Ich starteten mit Stirnlampen und dick eingepackt in stockdunkler Nacht los. Vor uns waren schon etliche Lämpchen am Berg zu sehen. Es war schwierig, wirklich etwas zu erkennen, aufgrund der Saukälte und des Neuschnees musste man mit Bedacht an die Sache rangehen, um nicht alle 5 m aufs Maul zu fallen. 7h standen uns bevor und ich sollte noch bitterlich mit mir kämpfen in dieser Nacht...

Das wenige Essen und die äußeren Bedingungen machten mir nach ca 2 h extrem schwer zu schaffen. Ich hatte Nullkommanull Power, mein Hirn hämmerte und ich kam kaum voran. Wir hatten inzwischen die 5000m Marke erreicht, der Weg zog sich elendig im Zickzack den Hang hinauf. Ich konnte meine Finger kaum spüren, meine Füße wollten nicht mehr vorwärts. Im Geiste malte ich mir aus, wie ich hinfalle und dann jämmerlich erfror mitten in der Nacht, mitten in Afrika (was für eine Ironie). Ich hatte einen Hungerast. Absolut nichts in mir verspürte noch so etwas wie Kraft oder Energie. Innerlich haderte ich mit Zongolo, dem Koch und den beschissenen, lachhaften Keksen die einen in 5000m Höhe minimum 7h Power geben sollte. " HaHa!!!! Wie soll das gehen ??? Was ist das für eine bescheuerte Rechnung"...ich fluchte, warf Zongolo vor, mir nicht genug zu essen gegeben zu haben. Immerhin hatte ich 4 Cornys mit...steinhart gefroren. Auch das Wasser aus meinem Camelbak war eingefroren. Nichts zu essen, nichts zu trinken, aber einen 5895m hohen Berg besteigen wollen....was für eine Schnapsidee...Wir wurden überholt von pfeifenden Afrikanern..."Hakuna Matataaaaa, Hakuuunaaa Matataaaaa" trällerte es hinter mir. Ich wäre Ihm am liebsten an den Hals gesprungen. Mir ist hier überhaupt nicht nach Hakuna oder Matata oder sonst irgendwas. Ich kämpfe um mein Leben...

Zongolo war die Ruhe selbst und sah natürlich, das ich extrem schlecht beieinander war. Er versuchte mich zu stärken, sagte mir ich dürfe nicht aufgeben und wir schaffen das...So tapste ich ein Fuß vor den anderen setzend im Tran der Berg hoch. Ab und an trafen wir auf weinende Mittrekker denen es noch schlechter als mir erging...Der Weg nahm kein Ende und ich zweifelte ständig an meiner Entscheidung, so einen beknackten Urlaub zu machen. Wofür das alles ?? was soll das?? einen Haufen Geld auszugeben um sich dann zu quälen und das Ziel nicht zu erreichen !?

Ich war wirklich am Ende, körperlich und psychisch gings mir auch nicht gerade championsleaguemäßig. Ich haderte, schimpfte, schaute verzweifelt nach oben, ließ immer wieder Schnellere passieren und wusste nicht, ob ich das jemals schaffe oder gar am Berg erfriere. Verzweiflung pur !

Außerdem war es extrem kalt, meine Klamotten hielten mich bedingt warm, meine Finger konnte ich kaum rühren...

Nach 7h absoluter körperlicher und geistiger Qual erreichten wir doch tatsächlich Stella Point auf 5.730m Höhe. Damit gilt der Berg als bezwungen. Von hier sind es nochmals 150 HM und ca 45min bis zum eigentlichen Gipfel. Ich konnte es nicht fassen, daß wir es geschafft hatten...die ganze Nacht hatte ich innere Kämpfe bis aufs Blut geführt, Zongolo gehasst, mich verflucht und überhaupt alle scheiße gefunden...und jetzt stand ich da und musste losflennen...wie ein Schlosshund heulte ich, ohne das ich auch nur das Geringste dagegen hätte machen können. Mir fielen Caterpillarladungen von Lasten von Herz und Schultern und ich war so ergriffen wie selten in meinem Leben...
Zongolo nahm mich in den Arm und gratulierte mir...Mein Hass war verflogen, ich dankte Ihm aus tiefstem Herzen, entschuldigte mich für meine Vorwürfe Ihm gegenüber und war Ihm so dankbar wie man jemandem nur sein kann. Ohne Ihn hätte ich das niemals nicht geschafft !

Wir gingen weiter bis zum Uhuru Peak auf 5.895m...das letzte Bißchen ging dann wie von selbst. Gefühlte Minus 20 machten mir jetzt nichts mehr aus.Ich konnte meine Finger zwar kaum noch bewegen, aber dies war irgendwie drittrangig geworden.
Nun ging auch die Sonne auf und spätestens da war klar, warum man sich sowas antut. Atemberaubend und berauschend wie die Sonne die Berge leuchtend Rot anstrahlt und einen Hauch Wärme bringt...Nach weiteren 40 Minuten standen wir tatsächlich am Gipfel !!!

Stella Point

Stella Point

Kurz nach der Verzweiflung wieder gefasster...

Kurz nach der Verzweiflung wieder gefasster...

Ein Jammer, nur das Handy als Fotoapparat zu haben...

Ein Jammer, nur das Handy als Fotoapparat zu haben...

Eisekalt

Eisekalt

Finally done !

Finally done !

Zongolo, mein Bergheld und Traumerfüller

Zongolo, mein Bergheld und Traumerfüller

YesYesYes!

YesYesYes!

Nach 30 minütigem Aufenthalt ging es auch schon wieder abwärts. Auch das sollte nochmal mehr als 3 h in Anspruch nehmen.

Der Weg nach unten war kaum einfacher als hoch. Inzwischen war nichts mehr gefroren sondern aufgetaut und lose. So rutschten wir fast 3h mehr oder minder den Berg runter...fies anstrengend für die Oberschenkel...aber es ging und musste gehen. Hilft ja wenig, da auch noch rumzujammern....Gegen Mittag erreichten wir wieder das Camp. Total kaputt und ausgelutscht freute ich mich auf eine Pause und was zu essen. Zeit war es längstens hierfür.
Vor allem, weil wir noch weiter absteigen mussten. Nochmals weitere 4h ins Mweka Camp..."Oh Gott, ich bin total kaputt, das pack ich nicht Zongolo" !!!

"Ok, jetzt essen wir erstmal und dann bereden wir wie wir es machen" meinte mein bedächtiger und fürsorglicher Guide. Nach etwa 1h Schlaf und Essen, beschlossen wir, nur bis ins Millenium Camp auf knapp 4000m zu gehen. Das waren dann nochmals ca. 2h Stunden...das ging.

So machten wir uns auf den Weg im Nieselregen und trafen unterwegs noch weitere "Absteiger" mit denen ich ins Gespräch kam. Sie hatten alle ähnliches wie ich erlebt und hatten nicht im Traum gedacht, das es so hart sein würde. Mir ging es genauso und so wurde jeder vom anderen beglückwünscht, es geschafft zu haben. Das ist in der Tat auch nicht selbstverständlich.

Das zeigten uns 3 traurige Ereignisse beim Abstieg. Unterwegs trafen wir auf 2 Amerikaner, die mitten am Hang wiederbelebt wurden, allerdings ohne Erfolg. Beide starben noch an Ort und Stelle oder waren bereits verstorben. Sie wurden im Anschluss in Leichensäcken an uns vorbeigekarrt. Im Millenium Camp verstarb in der Nacht ein Träger eines anderen Teams. Sein Guide hatte Ihn anscheinend trotz Krankheit den Berg hoch getrieben...aber genaueres weiß ich natürlich nicht. Zongolo hat es mir so erzählt, die Porter haben natürlich eifrigst darüber geredet...

Das zeigt, dass es keine alltägliche und für jedermann mal eben zu machende Reise ist, den Kili zu besteigen. Freude und Trauer liegen da verdammt eng beieinander. Und auch die Einheimischen setzen jedesmal Ihr Leben aufs Spiel, wenn sie Touristen den Berg rauf "tragen". Zongolo, steht monatlich 3 Mal auf dem Gipfel...das muss man sich mal vorstellen... Auch die Träger, die unglaubliche Lasten in teils erbärmlicher Montur dort hinauftragen, riskieren Mal für Mal Ihr Leben...und das zu einem Hungerlohn

Es ist defintiv eine zweischneidige Geschichte. Einerseits müssen die armen Jungs Kopf und Kragen riskieren, andererseits gibt es sonst eben kaum Möglichkeiten Geld zu verdienen...Alleine aber an der Ausrüstung könnte man Ihnen ein Mindestmaß zukommen lassen, damit sie wenigstens gut ausgestattet auf Tour gehen. Das machen auch die allermeisten Touristen. Ich habe auch jede Menge Utensilien und Klamotten dagelassen....

Im Millenium Camp angekommen gab es wieder reichlich Abendessen und verdammt viele Gute Nacht Zigaretten...herrlich schmecken die

Millenium Camp

Millenium Camp

Todmüde aber glücklich bin ich um 19 Uhr ins Zelt und hab die Augen geschlossen. Bevor die Lider zusammen waren, war ich schon eingeschlafen....

Am nächsten Morgen hieß es nochmals gut 3h bis zum Mweka Gate anzusteigen, wo uns ein Bus abholte und zurück in die Stadt fuhr

© Simon K., 2012
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Die Reise
 
Worum geht's?:
7 Tagestrekk auf den höchsten Berg Afrikas Machame Route
Details:
Aufbruch: 14.02.2012
Dauer: 12 Tage
Heimkehr: 25.02.2012
Reiseziele: Tansania
Der Autor
 
Simon K. berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.
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