On Tour auf MADAGASKAR

Reisezeit: April / Mai 2006  |  von Uwe Decker

Der Natur auf der Spur

Auf dem Tsiribihina River
Montag, 01.05.06

Nach dem Frühstück am nächsten Morgen wird unser Gepäck auf ein abenteuerliches Gefährt verfrachtet und wir marschieren - nein, nicht Richtung Fluss, sondern zunächst zur örtlichen Polizeipräfektur. Die Tour muss polizeilich angemeldet werden, jeder wird ausführlich zu seinen Personalien befragt, alles wird akribisch festgehalten und schließlich wird ein Reisedokument für uns ausgestellt und mit zahlreichen Stempeln versehen.

Die Prozedur dauert eine ganze Weile. Da ich als erster beim Polizeivorsteher vorsprechen darf, habe ich anschließend genügend Zeit, allein den Markt zu durchstöbern. Etwas unsicher zücke ich Fotoapparat und Videokamera, da ich bisher noch nicht richtig beurteilen konnte, wie die Menschen darauf reagieren. Bei Fotos auf Märkten in Afrika hatte ich, wenn ich allein unterwegs war, bisher nicht immer die besten Erfahrungen gemacht. Umso begeisterter bin ich nun, als ich merke, dass die Leute, die hier an der dem afrikanischen Kontinent zugewandten Seite deutlich schwärzer sind, nichts gegen Fotos haben. Im Gegenteil, manche stellen sich extra in Positur oder winken mich heran, um fotografiert zu werden. Überall höre ich den Gruß "Bonjour Vazaha" - Guten Morgen, Fremder bzw. Weißer.

An der Anlegestelle sind unsere Sachen sowie alles, was wir unterwegs benötigen, bereits in zwei Pirogen verladen. Unsere Crew, bestehend aus Rija und zwei Bootsleuten, erledigen noch die letzten Einkäufe auf dem Markt, inklusive ein paar lebender Hühner, deren Füße zusammengebunden und die unter die Sitze gedrückt werden. Ihr Gegacker wird uns bis zu ihrem Ableben am nächsten Abend begleiten.

Das Besteigen der Pirogen ist am Anfang eine etwas kipplige Angelegenheit. Einen Anlegesteg gibt es selbstverständlich weder hier noch sonst wo auf der Reise. Man steigt direkt vom schlammigen Ufer in das schmale Boot. Ich stelle mich im Verlauf der Fahrt besonders dusselig an bzw. habe einfach nur Pech, steige an der falschen Stelle oder Seite aus und versinke mehr als einmal bis über die Knie im Schlamm.

Für jeden wurde ein Sitzplatz möglichst bequem hergerichtet. Der Rucksack oder die Reisetasche dient als Rückenlehne, der Boden ist mit ein paar Säcken ausgelegt und bis zum Vordermann besteht einigermaßen Beinfreiheit. Zum Schutz gegen die Sonne, die fast pausenlos brennt, bekommen wir kleine Kinderregenschirme aus China mit lustigen Figuren drauf. Sieht ziemlich neckisch aus.

Für die ersten 30 Minuten ist das durchaus bequem und relaxend, aber dann ist mir die Sitzfläche allmählich zu hart, und ich ändere ständig meine Position, bis ich schließlich fast liege und meine Füße über dem Bootsrand im braunen Wasser baumeln. Das mag recht entspannend aussehen, meine Mitfahrer meinen, ich würde es mir ja so richtig gut gehen lassen, tue ich aber eigentlich nicht, mir tut nach einiger Zeit einfach nur der Hintern weh.

Zu sehen gibt es am ersten Tag nicht wirklich viel, die Landschaft ist recht unspektakulär, hier ist eher der Weg das Ziel, Dahin gleiten auf einem Dschungelfluss in weitgehend unberührter und fast menschenleerer Natur.

Gegen Mittag machen wir am Ufer Rast, in der Nähe einiger Strohhütten. Natürlich sind wir die Attraktion des Tages. Während unsere Crew das Mittagessen vorbereitet, albern wir Touris mit den Einheimischen herum, besonders mit den Kindern. Wir sind sicherlich nicht die ersten Weißen, die sie sehen, und nicht die ersten, die Fotoapparate dabei haben, aber es ist unglaublich, wie sie sich begeistern, wenn sie sich auf dem Display unserer Digicams sehen. Wir überlegen gemeinsam, worüber sich Kinder in der Welt, aus der wir kommen, noch derart freuen können. Uns fällt nichts ein ...

Während wir essen, ziehen sich die Einheimischen etwas zurück. Sie bilden einen Kreis, einer der Erwachsenen, der vermutliche Dorfchief, erzählt etwas, die Kinder hören gespannt zu. Ist das hier vielleicht eine Art von Schulunterricht ?

Durch die Sonnenschirme und den leichten Fahrtwind ist es einigermaßen erträglich auf dem Boot, wir werden von Rija mit frischem Obst, Bananen, Äpfel, Ananas, versorgt und winken den wenigen Menschen am Ufer zu, die wir sehen, wie sie ihre Felder bestellen oder ihre Wäsche und sich selbst im Fluss waschen. Derweil ist Rija damit beschäftigt, das nächste Essen vorzubereiten. Er schält Kartoffeln und Zwiebeln, schabt Karotten oder spült später das noch schmutzige Geschirr mit dem braunen Flusswasser.

Übernachtet wird auf Sandbänken mitten im Fluss. Wir bauen die mitgebrachten Zelte auf und erkunden die Umgebung, während sich die anderen um das Abendessen kümmern. Das dauert eine Weile. Erst muss Brennholz gesammelt werden, dann das Feuer die nötige Hitze abgeben. Am ersten Abend gibt es Zebusteak, dazu frischen Salat und Baguette. Schmeckt köstlich. Beim Essen erzählt Rija etwas von Land und Leuten, dazu einige madagassische Sagen, alles unter einem sagenhaften Sternenhimmel. Die Milchstraße scheint durch die klare und saubere Luft um Greifen nah, ebenso das Kreuz des Südens und andere Sternenformationen.

Nur zwei Dinge stören das Idyll. Die Moskitos starten zeitig ihre Attacken und stechen zielsicher alle jene Hautpartien, die beim Einreiben vergessen wurden. Später kommt aber etwas Wind auf, von den lästigen Plagegeistern ist auf einmal nichts mehr zu spüren.

Und das Zweite: Na ja, so gut das Essen auch schmeckt auf dieser Reise, wir haben nur Wasser dabei, das nach kurzer Zeit auch schon lauwarm ist. Drei Tage lang kreisen meine Gedanken um die Vorstellung, dass mir jemand ein kühles Bier oder eine kalte Cola vor die Nase stellt. Auch nachts begleitet mich diese wunderschöne Vorstellung in den Schlaf.

© Uwe Decker, 2006
Du bist hier : Startseite Afrika Madagaskar Der Natur auf der Spur
Die Reise
 
Worum geht's?:
Dreieinhalb Wochen quer durch Madagaskar - zu Fuß, mit Auto, Boot und Flugzeug - Einblicke in eine andere Welt, "rechts unten neben Afrika"
Details:
Aufbruch: 28.04.2006
Dauer: 4 Wochen
Heimkehr: 23.05.2006
Reiseziele: Madagaskar
Der Autor
 
Uwe Decker berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
Bild des Autors