Madagaskar Nordost

Reisezeit: Juni 2016  |  von Frank Dittrich

Fahrt nach Sambava

Fahrt nach Sambava

Montag, 13.06.2016
Wir frühstücken bis kurz nach 7:00 und nehmen uns ein geräumiges Taxi, das uns zum Hafen bringt. Der Hafenkomandant schaut sich unsere Pässe an und findet mein Visum nicht. Kein Wunder, er hat meinen vor 6 Jahren abgelaufenen alten Pass. Ich krame meinen aktuellen Pass aus dem Rucksack und befriedige seine Neugier.
Ein Schnellboot bietet Platz für 12 Passagiere und kostet 5,40 Euro pro Person. Und fährt erst los, wenn es voll ist. Außer zwei weiteren Leuten sind keine Passagiere zu sehen. Wir kaufen die restlichen Plätze auf und fahren los. Für den Preis müssen wir nicht ewig warten. Wir bekommen Schwimwesten und es geht mit einem Höllentempo Richtung Südost. Die Wellen fühlen sich an, als ob jemand mit einem Vorschlaghammer von unten gegen den Sitz haut. Ich lege mir zur Vermeidung von Rühreiern eine Reserveschwimmweste unter. Die Überfahrt dauert nur 30 Minuten. Tsiresy wartet bereits an der Anlegestelle und verstaut das restliche Gepäck.
Die Fahrt nach Ambilobe dauert gut 2 Stunden, an einem großen Fluß legen wir eine Kaffeepause ein.
In Ambilobe ist Markttag, zahllose Menschen wuseln auf der Hauptstraße entlang. Kaum ein Durchkommen, doch die Hupe macht Platz. Im Hotel Noor finden wir Unterkunft und machen erst mal Mittagsschlaf. Michael klagt über fehlendes Klopapier. Der Betreiber ist Moslem, deshalb muß ein Eimer Wasser bzw die Dusche reichen.

Tsiresy erzählt uns, dass sich der Preis des Geländewagens geändert hat. Er soll jetzt 5 mal so viel kosten. Vermutlich hatte er Ariary mit den alten Franc verwechselt, in denen hier bisweilen noch gerechnet wird. Er stellt uns ein neues Auto vor: Ein Toyota Hilux, ein Pickup mit Doppelkabine. Hat nur Platz für 5 Psonen, einer muss also auf der Ladefläche mitfahren. Das werden wir schon irgendwie schaffen. Der Fahrer will 100 Euro/Tag zuzüglich Sprit. Und das im Voraus. Es soll morgen früh um 6 Uhr losgehen. Oder um 7, so genau wissen wir das nicht. Nach dem Abendessen kommt die Info, dass wir um 10 Uhr losfahren.

Dienstag, 14.06.2016
Wir schlachten das Nutellaglas und freuen uns, dass der Fahrer schon um 9 Uhr da ist. Das Gepäck verstauen wir hinten auf der Ladefläche und bauen in der Mitte eine Kule, in die sich Tsiresy reinsetzen kann. Als der Fahrer das Geld bekommt, ist er sofort von einigen Herren umgeben, bei denen er wohl Schulden hat. Se alle bekommen etwas ab. Dann geht es zur Gemeindeverwaltung, wo er erst mal eine Versicherung für das Fahrzeug abschließt und dann braucht er noch eine Genehmigung, um Touristen zu fahren. Von Stunde zu Stunde sinkt unsere Stimmung. Gegen 12 Uhr hat er alle Papiere zusammen und wir fahren zu seinem Haus, wo er seinen Rucksack abholt. Endlich können wir los, erst mal zur Tankstelle. Dann erwartet uns die holperigste Piste, die wir jemals gefahren sind. Unvorstellbar. Vom ersten Kilometer an anspruchsvoll zu fahren, nach wenigen Minuten sind die Trittbretter gebrochen. Wir schaukeln durch Steppe und Urwald, Berge rauf und runter. Riesige Quartzadern durchziehen die Landschaft. Ich plane mit Eberhard, die Steinbrocken zuzuschneiden und ein Haus ganz aus diesen transparenten Bergkristallen zu bauen. Das leuchtet dann in der Nacht, wenn innen das Licht brennt. Es geht an umgekippten Lastwägen und im Schlamm steckengebliebenen Kleinbussen vorbei. Nirgendwo ein Bauarbeiter, der die Piste irgendwie zu reparieren versuchen würde. Wildnis, kleine Dörfer und rote Piste. Einfach schön. Zum Lunch gibt's Zebu mit Reis. In 6 Stunden schaffen wir gerade mal 70 Kilometer. Noch 30 Kilometer in der Dunkelheit, dann erreichen wir das Dorf Daraina, ziemlich verloren im Outback. Das einzige weißen Touristen halbwegs zumutbare Hotel "Le Lemurien blanc" ist ausgebucht. In einem kleinen Restaurant essen wir Zebu mit Reis und warten. Tsiresy organisiert ein Quartier. Eine Wellblechhütte mit 4 durch Holzbretter abgeteilten Zimmerchen, in jedem ein Bett. Michael teilt sich mit Tsiresy das Zimmer. Beim Anblick des Sanitärbereiches würden meine Damen vermutlich schreiend das Weite suchen: Die einzige Toilette für "Hotel"-Gäste, Restaurantgäste und Angestellte ist ein Hockklo ohne Wasser in einer kleinen verrosteten Wellblechbaracke. Immerhin gibt es zwei Duschen, oder besser gesagt Kämmerchen, in denen ein Eimer Wasser und ein Becher zum drüberkippen stehen. Na dann mal Gute Nacht.

Mittwoch, 15.06.2016
Die Auswahl am Frückstücksbuffett ist begrenzt. Es gibt entweder ein süßes Gebäckstück oder kein süßes Gebäckstück. Dazu ein Blechbecher Kaffee. Das Geschaukel geht weiter, bis Vohemar sind es noch 80 Kilometer. Etwa auf halbem Weg ist ein Straßenhobel damit beschäftigt, die Schlaglöcher zuzuschütten. Mit Tempo 80 rasen wir über die Schotterpiste und erreichen bald die Küste. Wir reservieren ein Hotel direkt am paradiesischen Strand für den Tag der Rückfahrt. 8 Euro die Nacht. "Kamma nix sogn", wie Eberhard zu sagen pflegt. Die Weitefahrt verbringe ich mit Eberhard auf der Ladefläche. Die Sonne scheint, der Wind pfeift uns um die Nase, es ist einfach wunderschön. Lebensqualität pur, durch nichts zu überbieten. Ich bin meinen Damen überaus dankbar, dass ich solche Reisen unternehmen darf.
Rechts und links der Straße entdecken wir die ersten Vanilleplantagen. Große Bäume mit gefiederten Blättern und Palmenarten, die ich noch nie gesehen habe. Eine ganz andere Welt. Nach 3 Stunden ist Sambava erreicht, das Ziel unserer Reise. Am Strand beziehen wir Bungalows im "Las Palmas". Strom gibt es nur stundenweise, aber das ist kein Problem für uns.

Unser Fahrer nervt. Er ist der Meinung, wir müssten ihm das Hotel zahlen und ihn zum Essen einladen. Bei dem Wucherpreis, den er uns abknöpft, kann er das bitte selbst übernehmen. Und er ist der Meinung, dass er uns abends nicht chauffieren braucht, wir hätten ihn nur für die Fahrt nach Sambava und zurück gebucht. So ein Kotzbrocken. Schade dass ich Pazifist bin. Sonst hätte ich ihm ein paar Backpfeifen gegeben. Gnädigerweise fährt er uns noch in ein Restaurant in der Innenstadt, zurück kommen wir mit dem dreirädrigen TukTuk. Auch ein nettes Erlebnis. Diese Nacht kann ich wesentlich besser schlafen.

Donnerstag, 16.06.2016
Wir fahren südlich Richtung Antalaha, halten am Straßenrand an einer Vanilleplantage. Der Plantagenbesitzer spricht perfektes Englisch, hat Kommunikation an der Uni in Antananarivo studiert. Er erklärt uns die einzelnen Schritte der Vanilleproduktion. Erst müssen die Trägerbäume gepflanzt werden, an denen die Vanillepflanze hochranken kann. Die Vanillepflanze braucht zwei Jahre, bis sie blüht. Die Blüten werden von Hand bestäubt. Am 20. Juni beginnt die Erntezeit, sie dauert 4 Monate. Die langen grünen Fruchtstengel sind die Vanilleschoten. Sie werden 5 Minuten gekocht und anschließend für eine Woche fermentiert. Nach einer kurzen Trocknung sind sie fertig zum Verkauf, werden nach Größe und Qualität sortiert, gebündelt und verpackt.
Wir möchten eine Vanillefabrik besichtigen, aber die ist leer. Die Ernte beginnt erst in 3 Tagen. Statt dessen schauen wir uns eine Kokosplantage an. Die Angestellten freuen sich über Gummibärchen.
Tsiresy hat dem Fahrer gesagt, er soll nicht so rasen. Jetzt fährt er stur mit Tempo 30 über die gut ausgebaute Asphaltstraße. Mann, was für ein Trottel. In diesem Leben werden wir keine Freunde mehr. Wir lassen uns zum Hotel zurückfahren. Nach einem halbstündigen Spaziergang am Strand finden wir ein Restaurant, es gibt Kapitänsfisch mit Reis. Die Wolken werden dichter und es fängt zu regnen an. Den Nachmittag verbringe ich dösend im Bungalow. Jörg hat ein paar Ecken weiter eine Pizzeria entdeckt und für den Abend einen Tisch reserviert. Ich lasse mir eine Special mit Oliven, Schwein und scharfen Peperoni schmecken. In der Nacht schüttet es wie aus Kübeln. Bin gespannt, wie schlammig die Piste auf der Rückfahrt ist.

Freitag, 17.06.2016
Eberhard fliegt um 8:20 nach Antananarivo und morgen weiter nach München. Wir hatten viel Spaß, aber leider ist der Gute noch nicht in Rente. Tsiresy begleitet den Fahrer in die Werkstatt. Die Piste hat ihren Tribut gefordert: Zwei gebrochene Radlager, ein kaputtes Kreuztransmissionsdingsbums, und die Kupplung machts auch nicht mehr lange. Die Radlager und das Dingsbums werden getauscht, die Kupplung muss für den Rückweg noch halten. Mittags starten wir nach Vohemar. Langsam verzieht sich der Regen, mit strahlendem Sonnenschein landen wir am frühen Nachmittag in unserer vorgebuchten Herberge am Strand. Leider gibt es kein fließend Wasser, aber zwei große gefüllte Eimer sind Reserve genug. Auf dem Markt am Strand werden alle möglichen Fische verkauft. An der Kaimauer hauen Fischer mit großen Steinen auf schöne Muscheln um das Fleisch in Schüsseln zu sammeln. Es duftet nach Steckerlfisch. Wir steuern die nächste Kneipe an und zischen ein Bier. Bei Einbruch der Dämmerung bestellen wir uns gegrillten Fisch. Morgen werden wir versuchen, die 164 Kilometer Piste komplett zu schaffen. Deshalb gehen wir früh ins Bett.

Samstag, 18.06.2016
Pünktlich um 6:00 Uhr ist der Fahrer da. Ohne Frühstück machen wir uns auf den Weg. Die Piste ist staubtrocken. Tsiresy flucht hinten auf der Ladefläche, besonders bei Gegenverkehr. An einem großen Fluß finden wir einen Imbißstand. Kaffee und Bananen gibt es. Leider hat der Toyota keine Sicherheitsgurte auf den Rücksitzen. Um nicht ständig durch das Auto geschleudert zu werden muss ich mich kräftig festhalten und bekomme bald einen Krampf in der Hand. Und mit der anderen Hand den Haltegriff festzuhalten geht ganz schön auf das Schultergelenk. Mittagessen wieder in Daraina. Irgendwann verlassen mich die Kräfte und ich hüpfe dösend als Gummiball im Auto rum. Plötzlich ist Schluß. Ein LKW mit Anhänger hat sich festgefahren und blockiert die Piste. Einige Männer schaufeln das Ungetüm aus, andere schütten tiefe Schlaglöcher neben dem LKW zu, um eine Umfahrung zu ermöglichen. Mittlerweile hat sich eine lange Schlange an Geländewägen gebildet, ein VW Touareg dreht seine Soundanlage auf und die Stimmung ist super. Es wird gelacht und getanzt, einer drückt mir eine Flasche Rum in die Hand. Ist ja beinahe wie in Deutschland. Aber halt nicht ganz.

Bald ist die Umfahrung benutzbar und wir schaukeln weiter. Etwa 50 Kilometer vor Ambilobe kennt der Fahrer eine Abkürzung. Eigentlich ist es ein Zebupfad, aber der ist nicht durch LKWs ausgefahren. Es geht durch eine ganze Reihe von Goldgräberdörfern. Hier in der Gegend leben alle von dem Edelmetall. Für 1 Gramm Gold bezahlen die Aufkäufer umgerechnet 13 Euro, etwa ein Drittel des Weltmarktpreises. Wenn die Schürfer wüssten, was das woanders kostet, würden sie vermutlich auf die Barrikaden gehen. Doch es macht alles einen sehr friedlichen Eindruck und die Menschen scheinen glücklich zu sein. Der Weg ist zwischendurch so schlecht, dass die hintere Stoßstange abreißt. Wir gönnen es dem Fahrer.
Nach 12 Stunden Durchgeschüttelt erreichen wir Ambilobe. Während die Anderen zum Essen gehen, sortiere ich den dürftigen Mageninhalt im Waschbecken. Ich fühle mich, als hätte ich ne Waschmaschine verschluckt. Heute ist mit mir nix mehr anzufangen.

Sonntag, 19.06.2016
Zum Frühstück gibt es 50 gr Pumpernickel und ein paar Schluck Wasser, um meine Medikamente runter zu spülen. Und als Nachspeise eine Imodium. Es geht wieder nach Süden. Vor Ambanja halten wir bei einer Kakaoplantage. Die Früchte wachsen direkt an den Stämmen, die mit winzigen unscheinbaren Blüten übersäht sind. Das kenne ich von keinem anderen Baum. Wir lassen uns eine reife Frucht aufschneiden und probieren die Kerne im weißen Fruchtfleisch. Man kann sie auch gegrillt essen. Aber dazu fehlt uns der Grill. Außer Kakao wächst hier auf der Plantage noch Pfeffer, Vanille, Kaffee und Zimt. Eigentlich die ganze Exportpalette von Madagaskar auf einem Fleck. Zum Abschied kaufen wir Kakaofrüchte und Antsoihy-Früchte. Die sind groß wie Apfel, lila und schmecken wie eine Mischung aus Birne und Pflaume. Noch nie vorher gesehen.
Mittags in Ambanja gibt es Zebusuppe mit Manjok und Gurke. Bis zur Dämmerung schaffen wir es nach Port Berge. Wir steuern auf ein gutes Restaurant mit gepflegten Bungalows zu. Leider ausgebucht. Die Unterkunft nebenan kann man als "Urlaub auf dem Bauernhof" bezeichnen. Da schlagen wir uns die Nacht um die Ohren, nachdem noch eine Gemüsesuppe den Weg in meinen Magen gefunden hat.

© Frank Dittrich, 2017
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Fahrt von Antananarivo über Majunga nach Ambanja, mit der Fähre nach Nosy Be und zurück, Fahrt von Ambilobe nach Sambava. Und natürlich Besuch der DMG-Schule in Anosivola
Details:
Aufbruch: 04.06.2016
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 25.06.2016
Reiseziele: Madagaskar
Der Autor
 
Frank Dittrich berichtet seit 9 Jahren auf umdiewelt.
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