Mosambik und Malawi

Reisezeit: Juli - September 2008  |  von Peter Kiefer

Ranger und Rambo - Chimoio/Moribane

Annegret und Tobias sind noch einen Tag länger geblieben als ursprünglich geplant, nun brechen wir gemeinsam mit ihnen auf. Ein Pickup bringt uns zur Fernstraße zurück, dann kurzzeitiges Warten auf den Überlandbus. Aber ehe dieser vorbeikommt, haben wir bereits einen Deal mit dem Fahrer eines größeren Lkws gemacht, die allemal bessere Lösung.

Eine Fahrradwerkstatt am Straßenrand

Eine Fahrradwerkstatt am Straßenrand

Bei einem ersten Halt werden Mehl- und Salzsäcke aufgeladen. Auf diesen sitzen wir dann und fahren durch eine immer dünner besiedelte Landschaft, auch der Baumwuchs wird spärlicher. Auffällig die zahlreichen Rauchsäulen, die aus dem Busch aufsteigen, manchmal frisst sich das Feuer direkt am Straßenrand entlang. Brandrodungen, sagt Karin, seien eine Form der Bodendüngung. Ein weiterer kurzer Aufenthalt, als dann die Säcke wieder abgeladen werden. Ein Mann spricht mich auf Deutsch an. Er hat zwei kleine Kinder bei sich und erzählt, dass er als Dolmetscher in der damaligen DDR gearbeitet habe, nennt die Namen einiger Städte. Eins dieser beiden Kinder habe vor ein paar Monaten seine Mutter verloren, sie sei an Aids gestorben. In Deutschland, sagt er, leben zwei weitere Kinder von ihm, den Kontakt zu ihnen habe er jedoch "verloren". Und als ob er ihn im selben Moment wiederherstellen wollte, meint er: Wir rufen da jetzt mal an, holt sein Handy hervor, wählt eine lange Nummer und reicht Karin das Telefon: Sprich du mit ihr! Karin, ein wenig irritiert, sagt mehrfach Hallo, doch sie hört nicht einmal ein Freizeichen, die Leitung ist tot. Hast du gesehen, ruft der Mann, hast du gesehen: Deutschland! Er heißt Jerusalema, über dem Eingang seines Hauses steht "Deus não dorme", Gott schläft nicht. Er redet laut und viel, fordert uns auf hier im Land zu bleiben und "mitzuhelfen", erzählt, dass er ein paar Leute beschäftigt, auch was sie im Monat verdienen, 400 Meticais, das sind weniger als zwölf Euro. Als wir wieder weiterfahren, reißt mir der Wind die Brille von der Nase, das Fahrerhaus ist weit, ans Anhalten und Zürücklaufen nicht zu denken. Die Sonne geht unter, wir haben die Abzweigung nach Chimoio erreicht. Dort verabschieden wir uns von Annegret und Tobias, sie fahren weiter nach Westen, nach Beira. Mit einer Chapa in Chimoio angekommen, ist es bereits halb acht, nachtschlafende Zeit. Zwei Jungen führen uns durch die Dunkelheit zum Hotel »Pink Papaya« und nach etwa zehn Minuten Weg erreichen wir eine Querstraße, die durch eine große Schranke abgesperrt ist. Genau hinter dieser ist der Eingang. Die Schranke hat nur damit zu tun, dass in der Straße auch der Provinzgouverneur residiert und so sind wir wohl am bestbewachten Ort der Stadt angekommen. Ein älterer Nachtwächter begrüßt uns am Tor und ein junger Mann, der sich um die Gäste kümmert - die Besitzer sind längst schon zu Bett gegangen -, fragt, ob es uns etwas ausmachen würde, in einem Wohnwagen zu schlafen. Die Plastikblumen auf dem ausgeklappten Tisch, ein paar Tomaten, ein trockenes Brötchen, portugiesische Oliven, die wir in einem Supermarkt in Inhassoro entdeckt hatten, und eine Flasche südafrikanischer Rotwein machen den Rest des Tages zu einem heimeligen Vergnügen. Der Nachtwächter hat schlechte Augen, er heißt Mr. Rambo. Sie müsse ihm ständig hinterherlaufen, um festzustellen, ob er noch zurechtkomme, sagt Anja. Anja ist zusammen mit Friedo die Besitzerin des »Pink Papaya«, denen wir nun am Morgen begegnen. Beide sind Deutsche, seit einem halben Jahr haben sie den Laden von einer rosaverrückten Engländerin übernommen, daher der Name des Hotels. Anja und Friedo sagen, sie könnten die Farbe nicht ausstehen, aber die Unterkunft sei lange schon unter diesem Namen eingeführt und - na ja. Das Haus ist im portugiesischen Stil gebaut, hat einen Garten (und eben einen Wohnwagen mit Aufklebern aus dem alten Rhodesien). Sehr hilfreich ist ein Buch, das für die Gäste ausliegt, und in dem interessante Mitteilungen weitergeben werden. Die letzten beiden Eintragungen beziehen sich auf ein kleines Camp in den Bergen. Die Ranger begeben sich dort mit Besuchern durch den Urwald auf die Fährte von Elefanten. Zwar wird auch beschrieben, wie man hinkommt, als wir dann aber - einem spontanen Entschluss folgend - an diesem Morgen in Sussundenge angelangt sind, einer Zwischenstation auf dem Weg zu diesem Camp, hat keiner etwas gehört vom »Acampamento de Moribane«, nicht einmal die hiesige Polizei. Letzten Endes hilft uns nur die Information, dass man es mittels eines Lkws erreicht, dessen Ladefläche hoffnungslos mit Menschen voll gestopft sei. So einer steht gerade da und dann glaubt jemand doch etwas zu wissen und wir steigen hinauf ins Getümmel. Die einzige Chance, die man jetzt hat, überhaupt nur den Boden mit den Fußsohlen zu berühren, ist das eigene Körpergewicht. Damit verdrängt man (im günstigen Fall) andere Körper bzw. scheitert, weil andere Körper schwerer oder breiter sind. Aber ein bisschen Geduld und Schwerkraft reichen schließlich aus und die nächsten eineinhalb Stunden stehe ich wenigstens auf dem rechten Bein, das linke wird von einem am Boden liegenden Sack ins Knie gezwungen. Meine Aufgabe ist es vor allem, die Rucksäcke festzuhalten, die auf der hinten geöffneten Ladeklappe liegen und ständig abzurutschen drohen. Die Straße ist dabei mein natürlicher Feind, eine löchrige Achterbahnpiste, der rote Staub hüllt mich völlig ein. Einmal überqueren wir eine Brücke, die kaum breiter ist als das Fahrzeug und wohl noch nie ein Geländer besaß. Ich zähle nicht nach, wie viele Leute sich hier oben zusammenquetschen und mit wie vielen kleinen und gemeinen Tricks sie ihr bisschen Platz verteidigen, aber als wir dann angekommen sind, verändert sich alles schlagartig. Nur wenige Meter von der Straße entfernt liegen unter schattigen Bäumen Hütten aus Lehmziegel und Stroh. Die Ranger empfangen uns freundlich und erst jetzt bemerken wir einen Mann, der ebenfalls hier ausgestiegen und in offizieller Mission hergekommen ist, einen jungen Forstbeamten. Er hat einen englischen Namen, den er aber portugiesisch schreibt: Dúglasse. Er spricht auch ein leidliches Englisch und kann, wenn nötig, dolmetschen. Zunächst besteht das ganze Angebot, das uns die Männer hier machen, aus der Wahl, entweder in einem Zelt oder einer Hütte zu schlafen. Wir entscheiden uns für keins von beiden, sondern wollen unter freiem Himmel kampieren. Karin spannt eine Leine, hängt ein buntes Tuch auf und schräg daneben breiten wir unsere Schlafsäcke aus. Wir werden auch bekocht, lernen zum Beispiel massa con tsunge kennen, jenen klumpenden Maisbrei mit einem grünen Gemüse, tsunge. Und wir haben noch Veronas Mango-Chutney in der Tasche (ein ganz ausgezeichnetes), das für Schärfe und Aroma sorgt. Dem Koch schenken wir das frische Kokosöl. Er gibt uns etwas Nipa zu kosten, ein lokales Braugetränk, zehn Tage vergoren, weißlich-grau, vom Geschmack aber frisch und grün. Wir revanchieren uns, indem wir jedem der Leute eine Flasche Export-Bier spendieren, das wir von einem in der Nähe gelegenen Marktstand besorgen. Elektrizität gibt es keine, daher ist das Bier so warm wie dieser Tag. Als er dann zu Ende gegangen ist, liegen wir auf unseren Schlafsäcken und blicken in die Wipfel der Bäume, durch die wie durch eine fadenscheinige Decke der klare Sternenhimmel blitzt. Die Elefantenwanderung mit Gerald, der sich eine Kalaschnikoff umgehängt hat, und Mario, dem Fährtensucher, beginnt so gegen acht am Morgen und führt uns erst einmal eine knappe Stunde die zuvor erlebte Autopiste entlang. Dann ein Aussichtspunkt, wo man einen Panoramablick auf das Moribane-Gebirge hat, es gehört noch zum Chimanimani-Gebirge, das zum größeren Teil auf der anderen Seite der Grenze in Simbabwe liegt. Auf einer Anhöhe gegenüber sieht man ein umfriedetes Areal mit zwei Hütten, das Gerald und Mario, kaum dass wir uns niedergelassen haben, zum Anlass nehmen rhythmisch in die Hände zu klatschen. Es ist eine Huldigung für diesen, sie sagen, heiligen Ort, den nur ausgewählte Personen eines Stammes betreten dürfen. Wo sind nun die Elefanten? Wir biegen in einen schmaleren Waldweg ein, dort entdeckt man erste tiefe Spuren und einen Tag alten Elefantendung. Weitere Spuren sind vorhanden: trockenes, niedergetretenes Gras. Schließlich erreichen wir einen kleinen Fluss, der von Pflanzen überwuchert ist. Daraus haben sie gestern Abend getrunken, sagt Mario. Der abgetrennte Kopf einer Gazelle liegt auf einer Astgabel, daneben hängt ein Fell. Mit den Elefanten hat das nichts zu tun, es ist eine zurückgelassene Jagdtrophäe. Weiter geht es durchs dornige Gestrüpp, aber da haben wir bereits den Rückweg eingeschlagen. Elefanten bekommen wir keine zu Gesicht, was wohl auch daran liegt, dass Mario an diesem Tag jeglicher Ehrgeiz fehlt. Gerald sagt, Mario habe in der vergangenen Nacht nicht geschlafen und so sorgen zwei völlig sinnlose Pausen dafür, dass er ein wenig davon nachholen kann. Bleiben außer vielen Schmetterlingen nur zwei gesichtete Nashornvögel als Ausbeute dieser Wanderung. Dúglasse fragt uns später, was denn an der Organisation des Reservats (dessen Grenzen offenbar gar nicht genau abgesteckt sind) verbesserungswürdig sei, man stünde ja noch ganz am Anfang. Karin veranlasst das zu einem halbstündigen Vortrag über die Installation eines Bioklos. Nun hat er immerhin mal was davon gehört. An diesem Morgen gibt es ein Maniokfrühstück, zum abendlichen Massa gibt es Trockenfisch und immer isst man mit den Händen. Anfänglich benutzen wir noch die bei Air France geklaute Gabel und den Kaffeelöffel, aber das gibt sich bald. Der kleine Marktflecken, wo wir uns am Abend wieder mit warmem Bier versorgen, ist ärmlich und laut. An diesem Wochenende fließt reichlich Palmwein aus gelben Kanistern und auch Mario tanzt fröhlich dort herum. Er hat ein bisschen Geld als Fährtensucher verdient, unseres. Der folgende Sonntagmorgen ist für die Weiterreise bestimmt. So gegen neun setzen wir uns an die Straße, um ein Fahrzeug anzuhalten. Der Rest der Geschichte ist dann rasch erzählt, denn an diesem Tag fährt in unsere, die Sussundenge-Chimoio-Richtung nur ein einziges Auto, ein (leerer) Krankentransport, und der hält nicht an. Um vier spendieren wir uns ein Bier, um fünf kehren wir die zwanzig Schritte ins Camp zurück. Dann sitzen wir wieder am Lagerfeuer und essen Massa con Tsunge. Für die Nacht schlagen wir das Innenzelt auf. Der Grund ist, dass wir am heutigen Morgen zwischen unseren Schlafsäcken einen Skorpion ausfindig gemacht haben. Es ist einer von diesen kleinen mit kurzen Beinen und langem Stachel. Ich habe ihn mit einem Stein erledigt, nicht gern, aber alles andere hätte uns in dieser Nacht wohl Sorgen bereitet. Es fängt dann, bevor die Sonne aufgeht, kurz zu regnen an und wir müssen die Außenhaut des Zeltes überstreifen. Für diese dritte Nacht im Camp will man uns nichts berechnen, auch nicht für all die Mahlzeiten, die wir hatten.

© Peter Kiefer, 2008
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Nach sieben langen Jahren haben wir endlich wieder eine große Reise gemacht, haben wieder einmal das Gefühl genossen on the road zu sein und hatten eine Vielzahl anregender Begegnungen. Vor allem Mosambik hat uns bestätigt, dass Afrika wohl der freundlichste Kontinent auf dem Globus ist.
Details:
Aufbruch: Juli 2008
Dauer: circa 9 Wochen
Heimkehr: September 2008
Reiseziele: Südafrika
Mosambik
Malawi
Der Autor
 
Peter Kiefer berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
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