Ghana und Burkina Faso

Reisezeit: August / September 2007  |  von Roland E.

Gottesdienst im Bus

Ich verlasse Cape Coast mit einem zwiespältigen Eindruck. Einerseits gibt es sehr nette Menschen, aber dann auch wieder herrische, gar nicht freundliche. So will ich ein Busticket kaufen und jemand sagt "sit down". Ich will aber ein Busticket kaufen und mich nicht hinsetzten, also ignorier ich ihn worauf ein wesentlich aggressiveres "sit down" folgt, was ich natürlich wieder ignoriere. Mich erinnern die Menschen hier etwas an Jamaika, von ihrer Art her, aber auch äusserlich. Sie haben nicht den Charme und die Sanftheit der Menschen im Zentrum und im Norden. Ich finde sie beunruhigend aggressiv. Beispielsweise die Frauen, die in meinen Hotel arbeiten, das mittlerweile auch keinen Strom mehr hat, sind wirklich total nett und kurz darauf wieder so bissig. Weg von hier, ich fand Cape Coast den unfreundlichsten Ort meiner Reise.

Wie in Jamaika ist auch Cape Coast das Beste und morgen hat es Strom und morgen beginnt die Party und überhaupt es gibt soviel zu sehen, ich solle doch bleiben. Am nächsten Tag hat es keinen Strom und morgen beginnt auch keine Party und ich glaube auch, dass niemand ernsthaft damit rechnet, dass ich einer Einladung Folge leiste. Auch scheint ihnen nichts nahezugehen. Das mit dem Strom ist so ne Sache. Niemand scheint sich für den Grund zu interessieren, für mich ist es aber ganz schön doof, was macht man, wenn ab 19 Uhr alles dunkel ist?

Im Bus gibt es immer Streit. Die Busfahrer sind kleine Könige. Ich habe für mein Gepäck noch nie den gleichen Preis bezahlt. Es kostet zwischen 20 Cents und 2 Dollar, manchmal gleich viel wie mein Ticket. Manchmal "vergessen" sie auch das Wechselgeld.

So laufe ich los, ich will Cape Coast verlassen und sehe eine bizarre Szene. Man muss sich das mal vorstellen! Da steht ein Typ an der Strasse mit einem Riesenmegafon und in das brüllt er heilige Saetze hinaus, völlig in Exstase. Überhaupt ist die Religion in Cape Coast gefährlich nahe am Fundamentalismus, was irgendwie auch zu ihrem Charakter passt. Morgens um 3.30 geht jeweils das Konzert der Hunde los, danach krähen ein paar Hähne zu früh, dann kommt die Bibelstunde. Eines Nachts höre ich eine Frau, es dürfte so um 4 Uhr gewesen sein, die auf der Strasse läuft und Bibelzitate in die Nacht brüllt, einmal höre ich einen Kirchenchor um diesselbe Zeit singen.

So sitze ich im Bus nach Accra, neben mir eine überfüllige Frau, deren Fettmassen mich ans Fenster quetschen. Während wir auf die Abfahrt warten, liest eine Frau aus der Bibel vor, also sie brüllt eher. Der Bus fährt los und wird zu einem fahrenden Gottesdienst, denn vorne steht ein Gottesmann auf und beginnt eine Predigt und der macht mich fertig. Mit einer ungeheuerlichen Aggression wettert er in einer indigenen Sprache los, mal leise, dann wieder laut, doch ich bin der einzige, der ihn am liebsten aus dem Bus kicken würde, denn die anderen machen wacker mit. Er brüllt und flüstert und die Passagere rufen ihm zu, beten, singen und auch ich bete, nämlich dass er endlich aufhört, doch er hält volle drei Stunden durch, solange, bis der Bus Accra erreicht.

In Accra angekommen ist der Unterschied zu Cape Coast gewaltig. Die Leute sind wieder viel netter, zeigen mir den Weg ohne Geld zu wollen, sagen Danke und Bitte.

© Roland E., 2007
Du bist hier : Startseite Afrika Ghana Gottesdienst im Bus
Die Reise
 
Worum geht's?:
Keine Bettler, keine aufdringlichen Menschen, gar nichtmal so billig und dann die Nebenwirkungen der Malariaprophylaxe ...
Details:
Aufbruch: August 2007
Dauer: circa 5 Wochen
Heimkehr: September 2007
Reiseziele: Ghana
Burkina Faso
Der Autor
 
Roland E. berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.