Test the West

Reisezeit: Dezember 2011 - Januar 2012  |  von Stefan O.

Verloren auf dem Markt

Freitag, 13.01.2012

Um sieben Uhr beginnt mein fünfter Reisetag in Folge. Das sympathische Zombiehotel Afoanimah serviert erwartungsgemäß kein Frühstück. Und wenn, dann wäre es bestenfalls eine Tasse Rhesus Positiv. Ich statte meinen Freunden aus der Boxenwerkstatt einen kleinen Besuch ab. Meine CDs sind noch nicht fertig, aber ich kann solange warten.

Eine halbe Stunde später sitze ich in einem Sammeltaxi nach Nkawkaw und werde dort dann vor dem falschen Busterminal ausgesetzt. Dass die hier ihr eigenes Chaos nicht blicken, weckt eine gewisse Schadensfreude in mir, doch den Preis dafür zahle ich selbst: Jetzt darf ich bei gleißender Hitze mit vollem Marschgepäck einmal durch das ganze Dorf latschen.

Ich sitze mit 14 weiteren Personen in einem Tro-Tro nach Kumasi, der historisch bedeutsamen Hauptstadt der Aschanti. Ein etwa sechsjähriges Kind in der Sitzreihe vor mir ist ununterbrochen Orangen am futtern um selbige kurz vor dem Ziel quer durch den Bus zu kotzen. Plötzlich bin ich froh, im weniger bequemen hinteren Teil des Kleinbusses meinen Platz gefunden zu haben.

Über die Afram Plains von Kpalimé nach Kumasi

Nach dem teuersten Bier in Lagos und dem billigsten Frühstück in Kpalimé, habe ich nun einen weiteren Eintrag in meinem persönlichen Buch der Rekorde und zwar den für die billigste Unterkunft. 14 Cedi, also etwa sieben Euro kostet die Übernachtung in der Guestline Lodge. Was bekommt man dafür? Eine Zelle mit Bett und Nachttisch und mehrere Gemeinschaftsbäder, von denen viele gerade renoviert werden. Auf der Habenseite steht die direkte Nachbarschaft zum Busterminal des größten ghanaischen Busunternehmens STC und eine sehr zentrale Lage in der Zwei-Millionen-Metropole.

Letzteres mache ich mir natürlich sofort zu Nutze und breche auf zu meinem ersten Erkundungsrundgang durch die City. Mein Mittagessen nehme ich im Queens Gate Restaurant ein. Von hier hat man einen sehr guten Überblick über das geschäftige Treiben dieser leicht chaotischen, aber überaus liebenswürdigen Stadt.

Blick auf das geschäftige Treiben in Kumasi

Blick auf das geschäftige Treiben in Kumasi

Kurz vor Einbruch der Dunkelheit irre ich auf dem gewaltigen Kejetia Markt umher und habe mich ganz böse verfranzt. Ich orientiere mich an den Schienen, von denen ich glaube, dass sie mich zurück zum stillgelegten Bahnhof führen. Von dort aus kenne ich meinen Weg. Doch schon bald merke ich, dass es wohl doch ein paar Gleise mehr gibt als ich dachte und diese auch gar nicht mehr zu finden sind, da sie der Markt irgendwann unter sich begräbt.

Inzwischen ist es zappenduster, doch der riesige Markt hat keinesfalls an Betriebsamkeit verloren. Ich will versuchen, den gleichen Weg zu finden, den ich gekommen bin. Ein paar Petroleumlampen spenden noch Licht, doch ich kann nicht mehr sehen, wo ich hintrete. Zum Glück habe ich meine Hightech-Taschenlampe immer am Mann und ziehe sie schon mal aus der Gürteltasche. Vielleicht hätte ich sie auch gleich einschalten sollen, denn nun stolpere ich über eine Hauseingangstreppe, lege mich einmal der Länge nach voll auf die Fresse und lasse mich dann von zwei hübschen Passantinnen liebevoll bemitleiden.

Irgendwann schaffe ich es immerhin in die Nähe des Kejetia Circle. Ich erinnere mich an einen Motorpark hier. Als ich glaube, den gefunden zu haben, merke ich, dass es davon hier mehrere gibt und einer aussieht, wie der andere. Ja scheiß die Wand an...!! Von nun an frage ich alle 50 Meter irgendjemand, wie ich zum STC-Terminal komme, dem wohl bekanntesten Punkt in der Nähe meiner Unterkunft und als ich eine geschlagene Stunde später wieder vertrautes Terrain betrete, habe ich einen ziemlich heftigen Pilsbrand.

Das Stadtzentrum ist erstaunlich arm an Bars, Kneipen und Cafés; so arm, dass nette aber eher durchschnittliche Optionen wie das Eclipse sogar Platz in meinem Bradt Reiseführer gefunden haben. Es dauert nicht lange, da komme ich mit den Jungs vom Nachbartisch ins Gespräch: Kofi, Akwasi und Mike. Etwa eine Stunde vor Mitternacht, müssen sich die Jungs verabschieden. Nur Akwasi, der Rastamann, lässt sich noch motivieren, mit mir um die Häuser zu ziehen. "Beim Stadion spielt heute eine Reggae-Band", erzählt er mir. Let's go!

Die Band ist gut, spielt überwiegend Coverversionen der Klassiker aus Jamaika. Bier und Ganja gibt's auch. Was will man mehr? Es ist nicht so wahnsinnig voll hier und gegen ein Uhr ist die Vorstellung zu Ende. Akwasi findet, wir sollten noch ins Vienna City. Davon habe ich gelesen; Bar, Restaurant, Billardcafé und Nachtclub in einem und wegen der vielen Nutten, die hier abends herum schlawenzeln ziemlich verrufen. Doch der Eintritt bleibt uns verwehrt. Akwasis Outfit erfüllt nicht die Kleiderordnung. Kurze Hosen und Sandalen sind hier nicht willkommen und auch mein Versuch, den Türsteher zu bestechen scheitert.

Wir fahren wieder zurück in die City. Etwas nördlich, es muss in der Nähe der Bantama Road sein, gibt es einen Straßenzug mit einer Bar neben der anderen. Stühle stehen auf dem Gehweg, lässige Hiplife-Mucke schallt aus den Boxen, Streetfood-Stände verkaufen leckere Snacks. Coole Leute, nette Mädels, authentisches Ambiente und ein Hauch von Ganja in der Luft... "Warum hast du mich nicht gleich hier her gebracht?" frage ich Akwasi.

© Stefan O., 2012
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Die Reise
 
Worum geht's?:
"Burkina Faso - Ist da irgendwas?", "Wo liegt Niamey?" und "Ist Lagos nicht die gefährlichste Stadt der Welt?" Diese und andere Fragen wurden mir gestellt, bevor ich los zog um nach Antworten zu suchen. Das Motto: "Travel and see"
Details:
Aufbruch: 13.12.2011
Dauer: 6 Wochen
Heimkehr: 20.01.2012
Reiseziele: Burkina Faso
Niger
Nigeria
Togo
Ghana
Der Autor
 
Stefan O. berichtet seit 15 Jahren auf umdiewelt.
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