MITTENDRIN IN AFRIKA

Reisezeit: Juni 2007  |  von Uwe Decker

Gorillas im Nebel, Tourist im Matsch

Parque National des Volcans, 14. Juni 2007

Dasselbe Procedere wie gestern. Frühstück um 5.30 Uhr. Hätte ich gewusst, welche Strapazen heute auf mich warten, hätte ich eine Scheibe Weißbrot mehr gegessen. Wieder mit Francis zum Park Headquarter in Kinigi. Wieder sind bereits zu dieser frühen Stunde ganze Heerscharen von Menschen unterwegs auf der Asphaltstraße. Während die anderen Touris den Gorilla-Guides zugewiesen werden bin ich der einzige, der zum Grab von Diane Fossey, der berühmten Gorilla-Forscherin -Stichwort Gorillas im Nebel- wandern will. Nicht weil es dort so unheimlich viel zu sehen gibt. Aber ich möchte, wenn ich schon mal hier bin, noch eine Wanderung im Nationalpark unternehmen. Auf einen der Vulkanberge zu klettern, Karisimbi oder Bisoke, immerhin etwa 4.000 Meter hoch, wäre zu beschwerlich, so entschließe ich mich zu dieser Wanderung.

Mit meinem Führer Felix, seinem Assistenten und den drei unvermeidlichen Waffenträgern mache ich mich auf den Weg. Zunächst geht es wieder über Felder, vorbei an Einheimischen, die bereits fleißig bei der Arbeit sind. Der Weg führt steil aufwärts. Felix schlägt ein strammes Tempo an. Hinterher erzählt er mir, dass ihm sein Chef bei der morgendlichen Besprechung gesagt hat, ich sähe taff aus und er könnte ruhig zügig marschieren - der gute Mann hat leider einen falschen Eindruck von mir und ich bin nahe dran, schon nach 15 Minuten um eine Rast zu bitten.

Die Pause bei Erreichen des Dschungels tut mir gut, bereits weit unter uns liegt Kinigi. Aber im Wald kommt zur Höhe eine noch größere Widrigkeit. Es hatte in der letzten Nacht heftig geregnet. Der Weg, der laut Reiseführer ganz bequem zu laufen ist, hat sich in einen Matschpfad verwandelt, in den man an manchen Stellen bis zur Wade, später bis zu den Knien einsinkt. Alternativen gibt es kaum, gleich neben dem schmalen Pfad wird es sumpfig oder man muss sich seinen Weg mit der Machete durch dichte Vegetation bahnen.

Der Wald wird, je weiter wir in ihm heraufklettern, immer märchenhafter. Als wir schließlich die ehemalige Wirkungsstätte Diane Fosseys auf 3.000 Meter Höhe erreichen, sind zwar nur noch die Ruinen ihrer Forschungsstation zu erkennen, aber ich habe das Gefühl, in einem Zauberwald zu sein, große Bäume, riesige Farne, dazwischen waben Nebelschwaden.

Auf einer kleinen freien Fläche sehe ich Holzkreuze, der Gorillafriedhof. Ganz rechts entdecke ich den Namen Digit, den Lieblingsgorilla von Diane Fossey, direkt daneben ist ihr schlichtes Grab mit einer Bronzetafel. Das war ihr letzter Wille, den man als Eintrag in ihrem Tagebuch fand. Neben ihren Lieblingen begraben zu werden.

Mittlerweile hat sich der Pfad zurück teilweise in einen Bach verwandelt. Meine Kleidung ist mir schon lange egal, auch wo ich hintrete. Hauptsache ich komme auch weiter und bleibe nicht stecken. Aber da der Matsch bereits zentimeterdick an den Stiefeln klebt finde ich oft keinen Halt und falle ein Dutzend Mal der Länge nach in die Pampe, nach hinten und nach vorn. Die Pflanzen und Büsche, die man tunlichst hier im Dschungel nicht berühren sollte, kenne ich mittlerweile, aber ich kann die Berührungen nun oft nicht mehr vermeiden. Es ist schön, wenn das Brennen und Kribbeln nach etwa 15 Minuten nachlässt. Aber es bleibt noch für Tage ein Taubheitsgefühl an vielen Stellen auf der Haut.

Gar nicht so viel später wie sonst üblich kommen wir wieder aus dem Urwald heraus. Jetzt, wo alles überstanden ist, bin ich natürlich froh, die Wanderung unternommen zu haben. Hätte ich das alles vorher gewusst wäre ich aber wohl heute Morgen im Bett geblieben.

Dort wäre ich auch gern zum Ausruhen nach Rückkehr am Nachmittag in mein Hotel in Ruhengeri. Aber ich habe mir vorgenommen, heute noch Richtung Kivusee zu fahren. Also ist statt eines komfortablen Bettes ein schmaler Platz in einem ziemlich überfüllten Kleinbus angesagt. Wieder scheint es als ob sämtliche Einwohner der Gegend auf den Straßen unterwegs wären. Auch ein großes Flüchtlingslager sehe ich unterwegs, an einem Ortsrand. Eine Zeltstadt, bestehend aus weißen Planen mit der Aufschrift "UN", wahrscheinlich Flüchtlinge aus dem Kongo.

In Gisenyi, einer 60.000 Einwohnerstadt am Kivusee, finde ich schnell ein gutes Hotel. Wie in Kigali auch stapfe ich wieder im Dusteren durch die Straßen. Dieses Mal ist tatsächlich kein Mensch und kein Auto auf den Straßen unterwegs. Am meisten los ist noch bei Rückkehr in meinem Hotel. Ein paar Schwarze spielen in der großen Bar Poolbillard, anscheinend eines der größten Freizeitvergnügen hierzulande. Kaum ein Lokal oder ein Club kommt ohne solche Billardtische aus. Ich trinke noch etwas, dann gehe ich, wie schon in Ruhengeri, mal wieder sehr zeitig ins Bett.

© Uwe Decker, 2007
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Die Reise
 
Worum geht's?:
- im Afrika der Großen Seen - 23 Tage allein durch Kenia, Uganda, Ruanda, Kongo
Details:
Aufbruch: 02.06.2007
Dauer: 4 Wochen
Heimkehr: 26.06.2007
Reiseziele: Ruanda
Kenia
Uganda
Kongo / Demokratische Republik Kongo
Der Autor
 
Uwe Decker berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
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