MITTENDRIN IN AFRIKA

Reisezeit: Juni 2007  |  von Uwe Decker

Citytour

Kigali, 11. Juni 2007

Die Vergangenheit spielt auch in der nachmittäglichen Citytour des Tourist Office eine große Rolle, zu der sich neben mir einige weitere Teilnehmer einfinden.

Dass Kigali keine großen Sehenswürdigkeiten hat, ist nicht schlimm. Unser Guide ist sehr nett und kenntnisreich, erzählt viel und man bekommt in kurzer Zeit bei der Fahrt durch die einzelnen Stadtbezirke einen guten Eindruck von der Stadt. So etwas sollte es auch anderswo geben. Es gibt vier Stationen, an denen wir Halt machen. Zunächst die Kaserne der 10 ermodeten belgischen Soldaten. Man sieht noch die Einschüsse der Angreifer, innen die dunklen Flecken an den Wänden, das Blut der Belgier. Und ein Mahnmal.

Danach geht es zur Villa von Richard Kant, dem ehemaligen kaiserlichen Generalgouverneur in Ruanda, heute ein Museum. Schwerpunkt der Tour ist das Genocide Memorial in Gisozi, ein Muss für jeden Ruanda-Besucher.

In beeindruckender, bewegender und, wie ich finde, angemessener Weise werden hier in Wort, in Kinyarwanda, französisch und englisch, in Bild und in Videos der Ablauf des Völkermordes dargestellt und an die Opfer erinnert. Es ist allerhärteste Kost, was hier zu sehen ist und für manche unserer Gruppe ist das zuviel. Ich bin der einzige, der sich auch ein paar Räume im Obergeschoss antut. Die sind denjenigen gewidmet, die doch eigentlich einmal die Zukunft des Landes darstellen sollten, den Kindern. Einige sind auf großen Bildern zu sehen, versehen mit Namen, Alter, Lieblingsspielzeug, Lieblingsspeise, Berufswunsch bei den Älteren - und wo und wie sie zu Tode kamen- Einige wurden erschossen, die meisten von Macheten zerstückelt.

Als ich wieder ins Freie trete, hatte es offensichtlich geregnet. Nun kommt die Sonne wieder hervor, malt die umliegenden Häuser und Stadtteile in intensiven Farben.

Ich frage mich, wie auf einer solchen Basis ein Staat gedeihen soll. Es sind ja nicht nur die Million Toten. Praktisch ein ganzes Land war auf der Flucht, aus unterschiedlichen Gründen. Hunderttausende Frauen wurden vergewaltigt, oft gezielt von HIV-Infizierten, Hunderttausende Kinder wurden zu Waisen oder fanden in den Wirren ihre Eltern nicht mehr wieder, praktisch jedes Kind wurde Zeuge von schrecklichen Gräueltaten. Entstand ein Volk von Psychopathen ?

Nein, das ist das Bemerkenswerte. Ich finde zutiefst friedliche und freundliche Menschen vor. Wie tief diese Friedfertigkeit geht, kann ich in ein paar Tagen in Ruanda und als Außenstehender natürlich nicht sagen. Aber ich habe den Eindruck, man will das Geschehene zwar nicht vergessen - jeder Ort hat sein Genozid Mahnmal und das ist gut so- aber überwinden, für eine bessere Zukunft. Und man ist auf gutem Wege. Die Merkmale Hutu und Tutsi in den Pässen wurden selbstverständlich abgeschafft, die Worte will niemand mehr hören. Das Land hat einen immer noch jungen sympathischen und sehr intelligenten Präsidenten, der mit seiner Regierung seit Mitte der neunziger Jahre Bemerkenswertes geleistet hat. Dazu gehört auch die sinnvolle Verwendung der seitdem ins Land geflossenen Gelder, mit denen die westlichen Länder ihr schlechtes Gewissen etwas beruhigen wollen, die z.B. in die Infrastruktur des Landes gesteckt wurden und nicht, wie ansonsten allzu oft üblich, in dunklen Kanälen verschwanden.

Fast folgerichtig wird uns als vierte und letzte Station der Citytour das "New Kigali" vorgeführt, eine neue Reihenhaussiedlung oben über der Stadt, dann die Villen von Geschäftsleuten. Auch ein Vergnügungspark soll hier demnächst entstehen.

© Uwe Decker, 2007
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Die Reise
 
Worum geht's?:
- im Afrika der Großen Seen - 23 Tage allein durch Kenia, Uganda, Ruanda, Kongo
Details:
Aufbruch: 02.06.2007
Dauer: 4 Wochen
Heimkehr: 26.06.2007
Reiseziele: Ruanda
Kenia
Uganda
Kongo / Demokratische Republik Kongo
Der Autor
 
Uwe Decker berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
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