Vom Saarland bis Indien, und noch viel weiter!

Reisezeit: November 2010 - Juni 2011  |  von MartinNiklasNils CullmannMeyerSchramm

Indien, Tage 38-90 von 210: Indien (Teil 1), Tage 38-52 von 210

Nachdem wir einige Male von verschiedenen Beamten herzlich in Indien willkommen geheißen wurden, beginnt die eigentliche Einreise. Entgegen meiner Befürchtung bleibt das Ganze aber unspektakulär. Der Zoll durchsucht uns kurz und ziemlich unbeholfen. Im Duty free shop gibt es guten Whisky für Nick und für Martin auch Zigaretten, die beiden schlagen zu. Spannend ist die Liste der Einfuhr-Freimengen. Waffen sind natürlich verboten, aber bis zu 50 Patronen "dürfen zum Eigenbedarf zollfrei eingeführt werden".
Der erste Eindruck: Indien ist so schön wie Pakistan, bietet aber wesentlich mehr Freiheiten. Die großen Menschenmengen, die wir stets um uns versammeln, sind gleich. In Indien tragen Beamte endlich wieder Uniformen, auf die sie auch viel halten, ebenso die Busfahrer.
Nachmitags kommen wir in Amritsar an und finden per GPS schnell das empfohlene Bandaris Guesthouse. Hier können wir schön in Ruhe stehen und Duschen benutzen. Mit der Rikscha fahren wir in die Innenstadt zum Geld abheben und weiter zum goldenen Tempel. Allerdings müssen wir hier den Kopf bedecken- obwohl ich es wusste habe auch ich es vergessen und so lassen wir uns irgendwelche schmuddeligen Tücher andrehen von Verkäufern, die extra dafür auf der Straße stehen. Vor dem Tempel lassen wir uns noch je einen Burger braten. Die sind halt sehr scharf und basieren auf irgend einer Kartoffelgemüsemischung- vorzüglich. Vor dem Tempel müssen Schuhe und Rucksäcke abgegeben werden und durch ein Fußbad kommen wir ins Innere.

Am nächsten Morgen fahren wir weiter, Kurs auf Delhi. Die 400km auf dem National Highway sollten bequem an einem Tag zu schaffen sein. Da aber fast die gesammte Strecke eine einzige nervige Stadt und zugleich Baustelle ist, sind wir bis Mitternacht unterwegs.

Auch auf unserer Pinnwand kommen wir voran!

Auch auf unserer Pinnwand kommen wir voran!

Nicks seit dem Iran maladen Bauch geht es wieder schlechter. Nachdem wir in Delhi am Nehru Park angekommen sind fallen wir alle schnell ins Bett. Nachts und am nächsten Morgen hat Nick aber immer stärkere Schmerzen, sodass ich zur nahegelegenen deutschen Botschaft laufe, um nach einem Krankenhaus zu fragen. Dabei geht es mir nicht um medizinische Aspekte, die ich obendrein nicht beurteilen kann, sondern darum, dass jede Behandlung anschließend mit der Auslandskrankenversicherung abgerechnet werden muss, und da will ich uns kein Theater einkaufen. Auf Umwegen kriege ich ein Krankenhaus, auf das die Botschaftsangehörigen selbst oft zurückgreifen, also sind die wohl die Abwicklung gewohnt. Hier fahren Nick und Martin im Taxi hin, leider stellt sich der Fahrer als völlig unfähig heraus, und das Krankenhaus ist mindestens 15km entfernt im Süden. Bis Martin am späten Nachmittag wieder kommt, schmiere ich den LKW ab und gehe eine Stunde joggen im Park. Dann erfahre ich, dass Nick die nächsten paar Tage definitiv im Krankenhaus bleibt. Daher befassen Martin und ich uns mit Organisationsaufgaben in der Stadt. Unter anderem besorgt Martin eine indische Simkarte fürs Handy und einen Internetstick für den Rechner. Außerdem sind wir jeden Tag in Gurgaon im Krankenhaus bei Nick. Dem geht es langsam besser, allerdings wird das etwas überschattet von der völlig unfähigen Verwaltung. Die ist nicht in der Lage ein Faxgerät zu bedienen und ruft dann um acht Uhr indischer Zeit in Deutschland an und beschwert sich BEI NICK, dass dort keiner abnimmt. Dann wird Nick, der Schmerzen hat und teilweise unter Wirkung von Schmerzmitteln steht mit irgendwelchen Forderungen und Bedingungen konfrontiert, während aufgeregte Ärzte versuchen einen Zugang zu legen. Das war unterm Strich einfach nur schlecht. Immerhin konnte er ein Einzelzimmer mit Balkon geniessen.

Ergebnis von SIEBEN Versuchen EINEN Zugang zu legen (1 Tag später)

Ergebnis von SIEBEN Versuchen EINEN Zugang zu legen (1 Tag später)

Neues Krankenbett

Neues Krankenbett

Nach Niks Entlassung beantragen wir die Iranvisa für den geplanten Rückweg, allerdings kriegen wir nur maximal 5 Tage-Transitvisa. Die Pässe werden netterweise von Anja abgeholt, die in Delhi lebt; so müssen wir nicht hier warten. Außerdem sehen wir uns noch das rote Fort an. Hier kaufe ich ein schönes Schachspiel, das fehlte uns seit Abfahrt.

Das Rote Fort im Stadtbild

Das Rote Fort im Stadtbild

Die Metro in Delhi ist auch ein Erlebnis. Es beginnt mit Sicherheitskontrollen und Durchleuchten, grundsäzlich läuft man immer schon beim Eintreten in die Station direkt vors Rohr eines Gewehrs, überall langweilen sich Soldaten in Sandsackstellungen. Dann kann man zwischen zehn und dreizehn Uhr prima fahren (auch günstiger und schneller als mit Rikschas), aber bloß nicht außerhalb dieses Zeitfensters. Dass Inder kein Bedürfnis nach Distanz oder einer noch so kleinen Privatshäre kriegen, habe ich inzwischen verstanden. Aber was in der Metro los ist muss man im Grunde selbst erlebt haben. Wenn die Türen aufgehen und im Prinzip eine rieseige Masse Mensch herausplatzen müsste, steht am Bahnsteig schon eine Wand aus dicht gepressten Leibern, die ihrerseits sofort mit MACHT hineindrängen. Das einzige was hilft und von allen angewendet wird ist Kraft und gröbste Rücksichtslosigkeit. Irgendwann verliert man auch die Hemmung sich entgegengestzt in einen Strom drängelnder Menschen zu werfen.

Halbvolle Metro

Halbvolle Metro

In gewisser Hinsicht haben die Betreiber der Metro darauf reagiert und Abschnitte von Bahnsteigen und Zügen für Frauen reserviert, was auch durchgesetzt wird. In der Tat ist das vernünftig, mit zwei bis neun Kindern an der Hand und auf dem Arm hört der Spaß auf.
In der Bahn steht man so gedrängt, dass Festhalten unnötig ist, man steht so formschlüssig gepresst, dass Hinfallen einfach nicht drin ist. Nick hält sich einmal an einer Stange fest, als plötzlich ganz selbstverständlich ein Inder nach seinem nackten Unterarm greift und sich mehrere Minuten festhält.

Am letzen Abend sehen Nick und ich uns das Qutub Minar an. Neben diesem, ursprünglich als Siegessäule gebauten, höchsten Ziegelminarett der Welt steht der Anfang eines noch größeren Bruders.

Wir entschließen uns zu einer Planänderung und fahren nicht mit dem Zug sondern selbst nach Agra, es ist der 19. Januar, Nicks Geburtstag. Schön, dass es ihm wieder besser geht! Vom Busparkplatz aus sind wir am nächsten Morgen schnell am meistbesuchten Bauwerk der Erde.
Das Taj Mahal ist ohne Zweifel beeindruckend.
In der Tat ist es unfassbar, wie Shah Jahan sein Land ruinierte, um für seine Lieblingsfrau (von insgesammt 73) ein Grabmal zu bauen. Und irgendwie verstehe ich seinen Sohn, der daraufhin den Vater absetzte und ins gegenüber liegende Fort wegsperrte...

Östliches Eingangstor

Östliches Eingangstor

Spannend ist hier auch die Liste der Eintrittspreise. Inder und ein par Auserwählte müssen 10 Rupis, alle anderen 750 Rupis bezahlen (etwa EUR12,50). ALLE müssen sämtlichen Besitz bis zum Kaugummi abgeben.

Am gleichen Tag fahren wir weiter nach Jaipur.

Der Weg muss mit den unfähigen Rikschafahrern oft diskutiert werden

Der Weg muss mit den unfähigen Rikschafahrern oft diskutiert werden

Angekommen am Palast der Winde

Angekommen am Palast der Winde

Ganz in den Winden... Oder völlig durch den Wind

Ganz in den Winden... Oder völlig durch den Wind

Nach einer Übernachtung geht es weiter in die Wüste Rajastans. Das hat Nick durchgeboxt, er will nach Jaisalmer, und tatsächlich treffen wir auch auf eine wunderschöne Karavanenstadt. Unabhänngig voneinender stellen Nick und ich fest, dass wir uns im Voraus so den Iran vorgestellt hatten. Es ist völlig anders als der Rest von Indien und vor allem ist die Landschaft weit und (Menschen-)LEER. So etwas haben wir lange nicht mehr gesehen, und dabei wird es auch erstmal bleiben.

Wer will denn keinen UNVERGESSLICHEN BADEZIMMERBLICK AUF SEINEN NACHTISCH BEI KOSTENLOSEM SONNENAUFGANG?

Wer will denn keinen UNVERGESSLICHEN BADEZIMMERBLICK AUF SEINEN NACHTISCH BEI KOSTENLOSEM SONNENAUFGANG?

Schöne enge Gässchen zwischen Havelis (alte Handelshäuser)

Schöne enge Gässchen zwischen Havelis (alte Handelshäuser)

Etwas südlich von Jaisalmeer fahre ich gerade aus einer Ortschaft raus und ein Stück vor uns trottet eine Kuh über die Straße, nichts Ungewöhnliches. Als wir kurz vor der Kuh sind macht sie aus dem Nichts einen Satz und rennt auf die andere Straßenseite zurück- uns genau vor die Räder. Ich weiß nicht wie, aber ich schaffe es gleichzeitig zu bremsen und beide Drucklufthupen zu drücken- doch das konnte das Heiligtum nicht retten. Ein dumpfer Schlag und ein leichter Ruck. Lustigerweise stelle ich so schon erleichtert fest, dass nichts Wichtiges kaputt sein kann. Nicht so lustig ist was ich von draußen sehe. Hinter (?!) dem rechten Vorderrad liegt eine Kuh unterm LKW. Martins Gesicht aus der Beifahrertür war auch bemerkenswert und irgendwie nicht fröhlich. Zuerst müssen wir von dem blöden Sch***Vieh runter.

Nachdem das geschafft ist stehen wir zum einen am Rand und sind zum anderen auch gleich von der obligatorischen Menschenmenge umringt, die dieses Land in Sekundenfrist auf jede beliebige Stelle ausspeien kann, und sei es mitten in der Wüste. Etwa zwölf Inder rufen zeitgleich die Polizei an, und irgendwie merkte man eindeutig, dass ihnen allen die Kuh völlig egal ist. Es geht einfach nur um Rechthaberei und Profilierung, weil wir Schwierigkeiten kriegen (sollen).

Letztendlich zahlen wir nach zwei Stunden mit blöden Debatten an die absolut trägen Polizisten 3000 Rupies (EUR50,-) und sind alles inklusive Kuh los und können fahren. Allerdings nur 500m, dann halte ich am Rand und an einem Strommast ziehen wir mit einem Spanngurt Stoßstange und Kotflügel wieder einigermaßen gerade.

Es ist nichts Wichtiges kaputt, also Glück gehabt. Nur Martin trauert der Kuh doch ein wenig nach- er hätte sich gern ein Stück abgeschnitten, denn dieser Stoff ist hier rar.
Abends kurz vor Ahmedabad kocht Nick hervorragenden Blumenkohl, den wir auf dem Dach unter klarem Sternenhimmel genießen. Nicht mal die neugierigen Inder mit ihren Lampen können unsere Ruhe nachhaltig stören.
Am nächsten Tag kommen wir gut voran, halten aber für etwa zwei Stunden, weil Martin Probleme mit der Hitze hat. Weiter über Pune nach Süden.
Irgendwo an der Straße gibt es mein erstes Thali, ein Teller Reis mit vielen kleinen Vertiefungen für Soßen und Suppen dazu. Sehr gut und lächerlich günstig.

Am nächsten Nachmittag sind wir über eine schöne Bergstrecke im Anflug auf Goa, Nick hat sogar über einen Freund eine Anlaufadresse für den ersten Abend, noch dazu ein Restaurant...
Zwischen zwei Serpentinen will ein Bus überholen, an sich nichts Ungewöhnliches. Busse überholen alles und immer, daher sieht man sie auch regelmäßig in irgend einer Schlucht zerschlagen auf der Seite liegen. Hier hat sich der offenbar behinderte Fahrer eine Stelle ausgesucht, an der sich die Straße auf wenig mehr als eine Spur verengt. Das ist für ihn kein Hinderungsgrund. Mit dem üblichen schrill-lauten Hupen rauscht er an uns vorbei, während ich voll bremse und links fast an die Felswand schramme. Ein fieses knierschendes Geräusch zwischen uns und Bus, und dann ist er auch schon weg. Der rechte Kotflügel ist eingedrückt, glücklicherweise nicht mehr und auch der (hierzulande völlig unnötige) Blinker ist intakt. Trotzdem- es geht uns allen gewaltig auf den Keks. Als wir im übernächsten Ort den haltenden Bus überholen, fahre ich vor ihm quer auf die Straße und mache sie zu. Das ist das bewährte Mittel aus Pakistan. Der Busfahrer ist bockig und wir beschließen es auszusitzen, bis er uns irgendwas anbietet. Das Ganze wird aber unerfreulich, als Insassen und Fahrer verschiedener Busse auf einen Schlag und ohne Vorankündigung wütend werden. So ein Mob ist echt doof, kann ich sagen. Immerhin, alle Scheiben und sogar mein Hemd haben gehalten, die Veltilkappen habe ich auch alle wieder und zwei Stunden später ist alles (ergebnislos) aufgelöst.
Etwas später am Abend sind wir dann im Staat Goa, hier gab es sogar eine richtige niedliche kleine Grenze mit lustigen Fragen. Ob wir zum Beispiel Whisky nach Goa schmuggeln wollten, ein endeutiges Zeichen für Humor oder Blödheit: kein Mensch würde Alkohol NACH GOA REINschmuggeln...

Liebe Grüße
Nils

© MartinNiklasNils CullmannMeyerSchramm, 2010
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Schönen guten Tach, Kurz zur Info; dieser Reisebericht handelt von unserer Reise mit einem Mercedes Rundhauber 1113 auf dem Landweg Richtung Indien. Hier mal ne grobe Richtungsangabe: - Österreich - Slowakei - Ukraine - Rumänien - Bulgarien - Türkei - Iran - Pakistan - Indien - Nepal - China (Tibet) - Kyrgistan - Kasachstan - Russland - Ukraine - Polen Wer auf dem Laufenden bleiben will, darf hier gerne stöbern. Viel Spaß, Martin, Niklas und Nils
Details:
Aufbruch: 24.11.2010
Dauer: 7 Monate
Heimkehr: 30.06.2011
Reiseziele: Indien
Österreich
Slowakei
Ukraine
Rumänien
Bulgarien
Türkei
Iran
Pakistan
Nepal
Der Autor
 
MartinNiklasNils CullmannMeyerSchramm berichtet seit 13 Jahren auf umdiewelt.