Indien von Süd nach Nord, 1993/4

Reisezeit: November 1993 - Februar 1994  |  von Adi Meyerhofer

Indien (3. Jan. bis 4. Feb. 1994): Mysore und Bangalore

Mysore

Die Ankunft war gegen 22 Uhr. Aufgrund eines örtlichen Festes waren kaum Zimmer frei. In einem Hotel zeigte man mir eines vom Typ Abstellkammer: mit Matratze am Boden aber sauber, wollte mir es dann aber doch nicht vermieten. Es fand sich dann noch ein überteuertes aber im Nachhinein nicht schlechtes Bett.

Der Fürstenstaat Mysore war einer der vier großen "unabhängigen" Staaten Britisch-Indiens. Der Maharaja Krishna Raja Wadiyar IV (reg. 1902-40) war extrem westlich orientiert, der Technik seiner Zeit aufgeschlossen und fortschrittlich. 1929 hieß es in den Annals of the American Academy of Political and Social Science, Vol. 145, Part 2, S. 58: "In education, social legislation and economic activity, the Governments of the progressive Indian States are far ahead of British India. Mysore, Travancore, Cochin and Baroda have the highest percentage of literacy in India. In economic and industrial matters, Mysore, Gwalior and Kashmir Governments are active in the interests of their population." In den 1930ern verglichen Reisende die Effizienz der Verwaltung positiv mit der Italiens (was nun so viel auch wieder nicht heißt ) Wie alle indischen Herrscher war der Raja auch auf Repräsentation nach außen bedacht. Er kombinierte dies mit seiner Technikverliebtheit auf eine Art, deren Tradition bis heute fortdauert. Er ließ das Äußere seines Palastes mit Glühbirnenketten verkleiden. Jeden Sonntag Abend wird nach Einbruch der Dunkelheit eingeschaltet, dazu spielt eine Militärkapelle Märsche wie "Rule Britannia." Der Effekt ist gigantisch.

1994 konnte man im Umspannhäuschen noch die Originalinstallation bewundern. Große umzulegende Schalter von der Art wie man sie aus amerikanischen s/w-Filmen kennt, wenn der Strom für den elektrischen Stuhl eingeschaltet wird. Obwohl die Rajas 1971 aller ihrer verbliebenen Rechte und Apanagen beraubt wurden, lebte die Familie 1994 noch in einem Flügel des inzwischen zugänglichen Palastes. [2013 nimmt man von Ausländern den 10fachen Eintritt (200 Rs)]

Die nächste angenehme Überraschung gab es am nächsten Morgen im Bazar: Einen Kaffeehändler, der verschiedene Sorten Bohnen anbot. Ich habe mir 2 Pfund gekauft und war bis Delhi mit milch- und zuckerfreiem koffeinhaltigem Heißgetränk versorgt. Dazu kaufte ich einen Minitauchsieder, der wohl keiner VDE-Norm entsprach, aber jahrelang seinen Dienst versah.

Bangalore

Bangalore war 1994 zwar schon aufstrebend, aber noch nicht ganz das Silicon Valley Indiens. Trotzdem gab es schon zahlreiche internationale Technologiefirmen. Der Ort war sehr sauber und diszipliniert. Ich fand für 110 Rs ein zentral gelegenes angenehmes Hotel mit Sitzklo im Einzelzimmer. Zunächst ließ ich mir bei einem Stempelschneider zwei Gummistempel zu je 65 Rs anfertigen für die lästigen C-Forms, einen mit Name, Geburtsdatum, Adresse, den anderen mit Paß- Visumsnr. usw. und zwar so, daß die Zeilenabstände stimmten. Soviel "deutsche Effizenz" hat zwar den einen oder anderen Portier die nächsten Wochen zum Stirnerunzeln gebracht, mir aber die nächtliche Zettelwirtschaft gespart.

Denkmal eines Rajas in Bangalore (glaube ich zumindest)

Denkmal eines Rajas in Bangalore (glaube ich zumindest)

Ausländerbehörde

Nach Bangalore war ich gekommen, um mein in Colombo nur für 30 Tage ausgestelltes Visum zu verlängern, dem dortigen Amt eilte ein guter Ruf voraus. Nun wurde man vor Ort als Tourist ausdrücklich darauf hingewiesen, daß Taxifahrer gehalten waren ihre mechanischen Taxameter anzuschalten; sollten sie es nicht tun, solle man sich an die Polizei wenden. Die Fahrpreise waren von der Gemeinde festgesetzt. Diese wurden aber häufig erhöht (Inflation 1993: 11%) und nicht alle Taxler konnten die Meter rechtzeitig umstellen lassen. Es war also in ganz Indien üblich, daß es amtliche "fare adjustment tables" (Tabelle der angepaßten Fahrpreise) gab auf denen stand der alte [angezeigte] und der korrespondierende [zu zahlende] Preis. Nun hinderte nichts den Fahrer daran, eine alte Tabelle (z.B. der vorletzten stärkeren Erhöhung) zu zücken, oder den Taxameter umstellen zu lassen, aber dem Touristen weiterhin die an sich überflüssige Tabelle unter die Nase zu halten.

Das Ausländeramt besuchte ich dann per Tuk-tuk, zu 13,50 Rs, pünktlich wie es sich für einen Deutschen gehört zur angesagten Öffnungszeit um 9. Ich wäre als Erster dran gewesen, der Zuständige erschien aber zunächst nicht. Nach 1½ Stunden Herumsitzen und einer Unterhaltung mit einer nicht sehr angenehmen Amerikanerin, später kamen noch zwei Israelis, die sich, wie häufig üblich zunächst als Franzosen ausgaben, hatte ich genug, trank ich einen Kaffee um die Ecke, der Beamte kam immer noch nicht. Schnell noch mal zu Hotel, Paßkopie und zusätzliches Photo besorgen und kurz vor 12 war ER dann da, ich der letzte in der Reihe. Nach etwas Hin- und Her und dem Einlegen einer "Bearbeitungsgebühr" in den Paß für die an sich kostenlose Verlängerung hieß es ich könne schon am nächsten Tag, statt der üblichen 3 Tage, meinen Zettel abholen. (Ich war mit meinen 200 Rs zu großzügig gewesen, der Mann hatte ein Gehalt von rund 3000 Rs, wie ich später hörte.)

Am nächsten Morgen hin, freundlich lächelnder Beamter gibt den Paß und 30 Tage Verlängerung zurück. Ich suchte mir wieder ein Tuk-tuk, die Strecke hatte ich nun schon fünf Mal für je 12-13,50 Rs zurückgelegt. Mit Trinkgeld gab ich jedesmal 15. Der Taxler bringt mich zum Hotel, die Uhr steht bei 12,50, er fordert ziemlich lautstark 18 wegen angeblicher "Gebührenerhöhung" und wedelt mit einer Tabelle. Ich drücke ihm abgezählte 12,50 in die Hand -- er wirft das Geld in den Rinnstein und wird richtig laut. Ich steige aus, hebe das Geld auf und gehe Richtung Hoteleingang. Er hinterher, packt mich schimpfend an der Schulter. Es folgen ein paar Minuten fruchtlose Diskussion -- inzwischen will er 22. Keine 80 m weiter steht in der Mitte einer Kreuzung ein den Verkehr regelnder Polizist, ich gehe hin und erkläre ihm die Situation. "Yes Sir, there has been a fare increase as of today." Eine kurze Überschlagsrechnung. "You should pay 13,25 Rs." Das war exakt was der gute Mann dann von mir bekam. Das englische Wort für
seinen Gesichtsausdruck ist "dumbstruck." Nun ging es hier um runde 3,5 Pfennige! Aber das war nicht das Problem, das ich mit der Situation hatte, sondern die ewige Touristen-kann-man-straflos-über-den-Tisch-ziehen Einstellung. Der Etagenkellner hatte offensichtlich die ganze Szene vom Fenster aus beobachtet und grinste mich zustimmend an als ich hinaufkam. Der Vorfall sprach sich wohl im Hotel herum, denn die restlichen zwei Tage meines Aufenthalts war die Bedienung hervorragend.

Weiter ging es per Nachtzug nach Margao und in einem hoffnungslos überfüllten Bus nach Panjim.

Hindutempel irgendwo im Süden Indiens (aus dem fahrenden Zug)

Hindutempel irgendwo im Süden Indiens (aus dem fahrenden Zug)

© Adi Meyerhofer, 2013
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Lang, lang ist's her.
Details:
Aufbruch: November 1993
Dauer: 3 Monate
Heimkehr: 24.02.1994
Reiseziele: Thailand
Sri Lanka
Malediven
Indien
Pakistan
Türkei
Der Autor
 
Adi Meyerhofer berichtet seit 11 Jahren auf umdiewelt.