Heilige Kühe und GoGo-Girls

Reisezeit: Januar - Juli 2004  |  von Ralf Knochner

delhi - willkommen im chaos: wie aus dem roller ein motorrad wurde

diesmal sollte es eine reise ein klein wenig abseits der üblichen route werden. schon früh hatte ich mich deshalb für den kauf eines automatikrollers entschieden. warum einen roller? nun, zunächst erschien es mir sicherer... keine gangschaltung, die füße gleich am boden, die möglichkeit, abzuspringen und vermutlich weniger reparaturbedarf.

in delhi angekommen, machte ich mich auch sofort auf die suche nach entsprechenden händlern. die fand ich auch recht bald, aber ihr englisch und ihre motivation waren meistens nicht so berauschend und ich hörte immer öfter den satz "not possible, sir". in asien steht dieser satz normalerweise für "das wird ein wenig mehr geld kosten". in diesem fall war der hintergrund, dass es für nicht in indien wohnhafte menschen nicht möglich ist, ein auto, motorrad oder sonstwas dieser art zu besitzen und anscheinend wird diese regelung in delhi besonders streng gehandhabt. auch unsere botschaft konnte mir da nicht weiter helfen.

lalli singh - master of enfields.

lalli singh - master of enfields.

also machte ich mich auf zu einem inder namens lalli singh (dessen nachname ihn als sikh ausweist). er wird in verschiedenen indienführern als spezialist für solche fälle genannt und auch mein hotelbesitzer empfahl ihn mir. dort angekommen, wurde ich zeuge einer beratung eines schwedischen pärchens (und in den tagen darauf traf ich dort jedesmal mindestens ein anderes westliches pärchen): nachdem ich zehn minuten zugehört hatte, wusste ich bereits mehr, als ich in den vorigen drei tagen hatte in erfahrung bringen können.
und endlich konnte dann ich mit ihm sprechen: bald war mir klar, der mann hat wirklich ahnung, und er ist ein wirklich cleverer geschäftsmann. sehr bald kam die sprache auf die typische touristenmaschine für indien: die enfield bullet, ein in madras hergestelltes motorrad mit einem wahnsinnssound ähnlich einer harley. das motorrad hat aber den ruf, auch genausooft in der werkstatt zu sein. trotzdem kaufen sich viele westler diese maschine und schicken sie nach der reise in die heimat.

die entscheidung fürs Transportmittel fiel schwer, wie wäre eure ausgefallen?

die entscheidung fürs Transportmittel fiel schwer, wie wäre eure ausgefallen?

na ja, machen wir es kurz: es stellte sich heraus, dass lalli singh weit und breit der einzige ist, der über eine sog. exportmaschine verfügt, bei der gangschaltung und bremse auf der für indien untypischen seite sind, was aber für mich genau die richtige seite ist, denn so bin ich es halt gewohnt. ohne diese tatsache hätte er mich nie überzeugen können, denn in gefahrensituationen reagiert man nur noch und auf einer indischen maschine hätte ich dann den gang gewechselt anstatt zu bremsen. auch alle anderen fragen konnten beantwortet und vorurteile entkräftet werden.
letztendlich einigten wir uns auf eine mietdauer von 100 tagen mit der option der verlängerung bis zu sechs monaten und sogar der option zum kauf. der spaß wird mich jetzt also mindestens 25.000 rupien kosten, also ca. 470 euro, aber man gönnt sich ja sonst nichts.
nachdem ich die maschine schonmal auf einem parkplatz probefahren konnte, bin ich heute zum ersten mal alleine durch delhi zu meinem hotel gefahren und wieder zurück. danach hat mir ein mechaniker kleinere reparaturen erklärt und mir wurden an die 20 kg ersatzteile mitgegeben. morgen früh geleitet mich ein angestellter lalli's an den stadtrand von delhi, und von dort an bin ich dann auf mich gestellt.

über den verkehr in indien ist ja schon viel geschrieben worden und das meiste stimmt sicher auch. rush hour ist hier immer, verkehrsregeln gibt es eigentlich nicht, straßenmarkierungen sind eher ausdruck künstlerischer begabung und die hupe ist das wirkliche hauptinstrument indischer musikkultur. kurzum, ein ohrenbetäubender wahnsinn, der pro tag 1500 todesopfer fordert. dementsprechend auch die reaktion vieler touristen und inder, wenn ich von meinem vorhaben erzähle: "willst du das wirklich tun..., also ich könnte dir da geschichten erzählen..., du bist wohl gut versichert?"

(mutti... wenn du das jetzt liest: es stimmt gar nicht. die fahren hier alle total ordentlich und superlangsam. das vorher hab ich nur geschrieben, um es abenteuerlicher klingen zu lassen... ehrlich!)

ach ja: eines sollte ich noch erwähnen, den namen meines motorrads:

enfield bullet 350cc machismo

werbeslogans:

  • "separates the man from the boys"

  • "made like a gun"

neustes modell mit 5-gangschaltung, aber über den dritten gang kommt man eingentlich nie raus.
das klingt irgendwie aufregender als mein motorrad daheim (honda 500 cb... phhh)..., dabei bin ich doch eher softie.

obwohl die testfahrt gut lief, habe ich schon ein wenig schiss... aber ich treffe bestimmt andere biker und dann legt sich das schon. mit der zeit gewöhnt man sich sicher auch an den verkehr und entdeckt in diesem chaos vielleicht doch so etwas wie eine ordnung.

so, jetzt aber "hü hott"... auf nach mathura!!!

delhi - mathura, jungfernfahrt für die enfield.

delhi - mathura, jungfernfahrt für die enfield.

© Ralf Knochner, 2004
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Die Reise
 
Worum geht's?:
. := Auf einer Enfield Bullet durch den Norden Indiens := . . Den zweiten Teil der Reise findet ihr in der Rubrik Südostasien/Laos unter "Dauerlächeln und Bombenstimmung - der Fortsetzungsroman in Südostasien". Bis jetzt ist erst der Teil über Laos fertig, Kambodscha folgt noch.
Details:
Aufbruch: Januar 2004
Dauer: 6 Monate
Heimkehr: 18.07.2004
Reiseziele: Indien
Jaipur
Udaipur
Jaisalmer
Leh
Der Autor
 
Ralf Knochner berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Ralf sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
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