Zum Jahreswechsel nach Südindien

Reisezeit: Dezember 2017 - Februar 2018  |  von Walter Wolf

Tirupati

Am Abend in Mysore gestartet, nach fast 8 Stunden Busfahrt komme ich morgens um 5 Uhr in Tirupati an. Der Tuktuk-Fahrer sprach kein englisch. Bei der Hotelsuche ging er doch sehr von seiner eigenen Erfahrungswelt aus, so daß ich beim 3.Hotel etwas übermüdet in einem fast fensterlosen Zimmer mit „light“ WiFi lande. Ich habe es mir angewöhnt dies als Ausgangsbasis zu nutzen um am 1.Tag ein geeignetes Hotel zu finden, da kann ich mir in Ruhe die Zimmer und die Situation vor Ort anschauen. „mit WiFi“ - das macht die Suche hier schwieriger und teurer, obwohl es eine Unmenge an Hotels gibt. Werde wohl etwas mürbe und nehme ein besseres Hotel für 1800Rs, schöner Fensterblick, Warmwasser im Bad, erstmals mit Frühstück und am Morgen wird sogar eine Zeitung unter der Tür durchgeschoben.

Tirupati ? Auch mir war der Ort bis vor kurzem unbekannt. Eigentlich geht es hier um den Haupttempel in Tirumala, von Tirupati noch ein ganzes Stück den Berg hoch. Dort oben ein Zimmer zu bekommen habe ich wegen der damit verbundenen Antragsstellung und evtl. zeitlicher Befristung(?) nicht versucht, ich will ja ein paar Tage bleiben. Laut Lonely Planet gehören 14000 Menschen zum Tempelpersonal, und laut Wikipedia ist "Tirupati/Tiruamala nach Mekka der meistbesuchte Pilgerort der Welt! Man setzt sich für eine universale Gottesliebe ein, die für alle Menschen offen zugänglich sein muss, ungeachtet ihre Kaste, Rasse oder Nationalität". Soweit die Absicht, die ja in allen Religionen löblich ist. Ein Shangrila ist das hier zwar auch nicht, die tolerante Einstellung der Menschen ist aber spürbar. Von westlichen Touristen ist allerdings nichts zu sehen. Die Menschen hier sprechen ein mir unverständliches Englisch, falls das überhaupt Englisch ist. Manchmal ist es mir auch befremdlich warum sie mich nicht verstehen...“...Trains going to Cheenai?“...“China?“... Cheenai! city in India...“... „China!.. go Airport!“...

Wenig überraschend sind meine Hauptthemen hier also 1.Tempelrundgänge 2.was ist das da auf der Speisekarte? 3.beobachten und beobachtet werden und 4.Musikaufführungen als Zugabe oben in Tirumala.

Beginne ich mal mit dem Frühstück. Inhaltlich kann ich das indische Frühstück nicht vom Mittagessen unterscheiden. Pongal, Tomato Kitchido, Vada, Rava Kesari... ich kann mir das nicht merken, da ist ein Büffet hilfreich.

Beginne ich mal mit dem Frühstück. Inhaltlich kann ich das indische Frühstück nicht vom Mittagessen unterscheiden. Pongal, Tomato Kitchido, Vada, Rava Kesari... ich kann mir das nicht merken, da ist ein Büffet hilfreich.

heutige Überraschungen

ich bestelle „paneer finger chilly“ und bekomme es mit 4 Gabeln serviert
übrigens rein vegetarisch, Paneer (bzw. Panir) ist ein indischer Frischkäse dem Tofu ähnlich,und obendrauf das sind Zwiebeln

ich bestelle „paneer finger chilly“ und bekomme es mit 4 Gabeln serviert
übrigens rein vegetarisch, Paneer (bzw. Panir) ist ein indischer Frischkäse dem Tofu ähnlich,und obendrauf das sind Zwiebeln

Hallo Welt!

Hallo Welt!

Wegen der 2 Tempelelefanten stehe ich hier eine Weile, es kommt zu einer Art Unterhaltung mit dieser ausgesprochen freundlichen Verkäuferin, sie erlaubt mir ein Foto, ermuntert mich fast dazu. Da kommt ein älteres Ehepaar, der Mann macht der jungen Dame scheinbar Vorwürfe... ich denke mir, da habe ich mit dem Fotografieren wohl gegen eine Etikette verstoßen. Die Frau des Mannes kann englisch und klärt mich auf ... ihr Mann macht der Verkäuferin die Vorhaltung, daß ich ja jetzt ihr Gast sei, und sie solle sich doch auch entsprechend verhalten. Vielleicht hat er damit auch indirekt mir was sagen wollen. Tatsächlich bekomme ich einen Keks von der Dame, ich bezahl ihr aber dennoch dafür, darauf bekomme ich einen kleinen Becher Tee aus ihrer „Thermoskanne“...

… später auf dem Rückweg zum Hotel, ich habe zuvor einen Bettler abgewiesen und kaufe nun bei einer älteren Dame 5 Bananen. Beim Mittagessen in der Nähe habe ich gesehen, dass sie da schon eine ganze Weile sitzt ohne was zu verkaufen. Will Ihr 30Rs geben statt der geforderten 20. Die überzähligen 10Rs werden nicht angenommen, die Dame schließt stattdessen die Augen und fängt an zu beten.... hab ich was falsch gemacht? Im Hotel wiederum – ich verlängere jeweils um 2 Tage – da verlangen sie beim Bezahlen wiederholt Aufschläge auf das Zimmer für die abgelaufene Zeit … sehr intransparent ... dann frage ich wofür? langer Kampf bis wir am Ende wieder am ausgemachten Betrag landen.

fehlerhaftes Verhalten in der Öffentlichkeit

Ich sitze im Bus, da kommt ein bärtiger Herr und hält am Buseingang eine Rede, geht dann rum und sammelt in seiner Tasche Spenden ein. Ich will auch was geben, da verweigert er die Annahme. Es dauert eine Weile bis ich verstehe warum. Als Linkshänder will ich das Geld mit der linken Hand geben, nehme das Geld daraufhin in die rechte Hand und es wird angenommen.

Man kann diese Regel als generelle Mahnung zur Sauberkeit ansehen. Ihre Bedeutung dürfte sich durch besser werdende Lebensumstände vermindern. Ähnlich wie das Verbot im Islam Schweinefleisch zu essen, was wegen der damals übertragenen Krankheitsgefahren entstanden ist. Was nun die linke Hand betrifft habe ich in einem Reisebuch eine recht leicht verständliche Begründung dieser anderen Praktik im Badezimmer gefunden: Frägt ein Tourist „warum gibt es im Bad nur diesen Wasserschlauch und kein Toilettenpapier?“ Darauf bekommt er zur Antwort „wenn du deine Hände beschmutzt hast, reinigst du diese dann mit Papier oder mit Wasser?“. Als diese Linke Hand Regel entstanden ist, gab es wohl nicht immer einen Wasserschlauch mit einer Düse und Seife. Die japanische Toilette „verfeinert“ ja dieses Verfahren, es ist zu vermuten dass dies in Europa noch mehr Einzug halten wird.

Eine Vorschrift mit der ich schon öfters in Konflikt kam, ist das Verbot von Schuhen im Tempelbereich. Ist mir durchaus sympathisch, seit meiner Kindheit bin ich nicht mehr soviel barfuß gelaufen. Habe aber manchmal Probleme zu erkennen wo der Tempelbereich beginnt. Oben in Tirumala habe ich mal versehentlich meine Sandalen im Tempelbereich abgestellt. Als ich zurückkam fand ich diese im Abfalleimer. Ein Herr klärte mich auf „you came to this place and you know nothing“ - du kommst hierher und weißt von nichts. Inzwischen habe ich einen kleinen Rucksack dabei, vermute ich auf dem Gelände „viele Tempelbereiche“ so tue ich die Sandalen dort rein, auch weil ich den Ort wo ich sie stehengelassen habe manchmal schlecht wiederfinde.

Hier eine Schuhabgabe in Tirumala. Normalerweise sieht das nicht so geordnet aus

Hier eine Schuhabgabe in Tirumala. Normalerweise sieht das nicht so geordnet aus

gleich geht's auf  die Bühne ... fotografieren erlaubt?

gleich geht's auf die Bühne ... fotografieren erlaubt?

Darf ich die Damen noch fotografieren während sie auf ihren Auftritt warten? Eine der wenigen Situationen wo mir Jemand zu verstehen gab, ich solle mich beim fotografieren doch auf die Bühne beschränken... ich stand halt so günstig . Es gibt wohl Szenen privater Natur wo ich mich mehr zurückhalten sollte, die Reaktionen der fotografierten Personen war aber so gut wie immer positiv. Mir selber ist es schon vorgekommen dass ich im Restaurant sitze, es kommt jemand mit seinem Smartphone, stellt sich ungefragt neben mich und macht ein Selfie. Normalerweise wird man aber gefragt.

Auch in Tirupati gibt es einige Tempel zu besichtigen

Ein Rikschafahrer fuhr mich zu zwei der Tempel, ich konnte dort sogar mittagessen während er im Taxi schlief. meine kürzeren Fahrten innerhalb der Stadt lagen normalerweise so bei 30-50Rs. Die hier bezahlten 300Rs waren wohl reichlich für hiesige Verhältnisse, Angebote über organisierte Touren waren jedoch um einiges teurer.

der Hare Krishna Tempel in Tirupati

der Hare Krishna Tempel in Tirupati

... auch ISKCON-Tempel genannt (International society for Krishna consciousness). Ich finde ihn deshalb erwähnenswert weil man dort auch ein Zimmer buchen kann. Mitglieder bekommen die Zimmer aber bevorzugt und günstiger, als Nichtmitglied sollte man da wohl vorab reservieren(1500Rs) . Über die Zimmer kann ich nichts sagen, ein lebenslanges Mitglied meinte zu mir aber „so much better than in town“. Da wurden auch einige Räucherstäbchen abgebrannt und es war ruhig. Ich kaufte mir eine CD mit etlichen Hare Krishna songs, selbst George Harrison ist da drauf.

Das Hare Krishna Restaurant verdient auch einen pluspunkt was den Geschmack betrifft. Hier „manchurian vegeterian soup + chilli paneer“. Der Fotoapparat wurde mir beim Eintritt zwar nicht abgenommen, fotografieren ist im Tempel aber nicht erlaubt. Etwas störend sind die Spenden-Anfragen für geplante Bauprojekte. ISKCON-Tempel gibt es scheinbar auf der ganzen Welt.

Das Hare Krishna Restaurant verdient auch einen pluspunkt was den Geschmack betrifft. Hier „manchurian vegeterian soup + chilli paneer“. Der Fotoapparat wurde mir beim Eintritt zwar nicht abgenommen, fotografieren ist im Tempel aber nicht erlaubt. Etwas störend sind die Spenden-Anfragen für geplante Bauprojekte. ISKCON-Tempel gibt es scheinbar auf der ganzen Welt.

8:47 morgens.. ich muss jetzt mit Schreiben aufhören, das Hotel hat gerade angerufen, ich soll zum Frühstück runter kommen.

"...und zur Regenzeit kommt hier ein Wasserfall runter“

"...und zur Regenzeit kommt hier ein Wasserfall runter“

Am Ortsrand von Tirupati, zu Füßen der Berge, findet man den romantisch gelegenen Sri Kapileswaraswami Temple. Ein schöner Rundgang mit Tempelbegehung bietet sich an

Eingangsbereich zum Sri Kapileswaraswami Temple

Eingangsbereich zum Sri Kapileswaraswami Temple

Die Busfahrt zum 35 km von Tirupati entfernte Sri Kalahasti wird zum Tagesausflug.

Die Busfahrt zum 35 km von Tirupati entfernte Sri Kalahasti wird zum Tagesausflug.

Hier ein Blick auf den bedeutenden Sri Kalahasteeswara Tempel in Sri Kalahasti. Als ich mich im Tempel mal ausruhte kamen ein paar Putzfrauen und befragten mich, soweit dies ob der unterschiedlichen Sprache möglich war. Eine erzählte mir, Sie arbeitet an 3 Tagen in der Woche, als Monatsgehalt bekommt Sie keine 100 Euro. Schwierig zu vergleichen in Anbetracht der Lebenshaltungskosten. Jedenfalls haben die Menschen hier niedrigere Ansprüche als in Europa.

Ganz in der Nähe meines Hotels befindet sich der Govinda Raja Tempel

Ganz in der Nähe meines Hotels befindet sich der Govinda Raja Tempel

Hier der Blick auf das große Tempeltor mit vielen kleinen Geschäften. Der eigentliche Tempelbereich beginnt aber erst ein Stück hinter dem Tor. Der Tempel ist im Innern von beachtlicher Größe. Ich folgte den Anderen, mehrmals wurde Halt gemacht, jeweils an einer Stelle an der man in einen Raum blicken konnte an dessen Ende eine wohl verehrungswürdige Skulptur oder Symbol stand, im Raum war jeweils ein Tempeldiener, sehr traditionell gekleidet, man bekam immer was mit, ein gelbes Pulver das man sich in die Haare verteilt, ein wohlriechender Basilikumzweig, ein rotes Pulver das mir in Papier eingewickelt wurde. Spenden waren – wie der Name schon sagt – freiwillig.

In all diesen Tempeln wurde kein Eintritt verlangt, außer man erkauft sich eine Abkürzung, eine sogenannte Quick-Darshan. Den es im Govinda Raja Tempel für 20Rs gibt. Hier sollte aber der Weg das Ziel sein (anders sieht es oben in Tirumala aus, siehe nächstes Kapitel).

Für Ausländer bestehen keine Zugangsbeschränkungen, allerdings ist fotografieren nur in den Außenbereichen der Tempel erlaubt. Ich war in Tirupatis Tempeln werktags unterwegs, es bildeten sich kaum Warteschlangen.

Da auch im Tempel auf den Wegweisern der Begriff „Darshan“ öfters zu finden ist, hier eine kurze Begriffserklärung laut Wikipedia. „Fromme Hindus gehen in den Tempel, um die Sicht eines Gottes durch ein Symbol oder eine Statue, in der die geistige Anwesenheit der Gottheit angenommen wird, zu erlangen, in diesem Sinne auch eine Segnung durch die Gottheit“.

Ich ging diese Wege in den Tempeln, muss aber gestehen dass ich nicht immer fühlte was ich da tat. Die Menschen um einen herum, die Gerüche von Räucherwerk, monoton sich wiederholende Mantras, diese Bilder bleiben einem aber lange, ähnlich wie bei einem Besuch im Vatikan... nur halt etwas anders.

© Walter Wolf, 2018
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Beeindruckende Tempelbauten und 30 Grad im Januar. Dazu die Aussicht auf ungewohntes Essen und wohl auch seltsame Bräuche weckten mein Interesse für den Süden Indiens.
Details:
Aufbruch: 13.12.2017
Dauer: 8 Wochen
Heimkehr: 08.02.2018
Reiseziele: Indien
Der Autor
 
Walter Wolf berichtet seit 9 Jahren auf umdiewelt.
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