Heißer Sand...

Reisezeit: Juli 2003  |  von Laila Vanwinkle

yalla let's go bye-bye

Haltet aus mit Festigkeit, und Ihr könnt es nur mit der Hilfe Gottes, und grämt Euch nicht um sie, und fühlt euch nicht bedrängt wegen ihrer Verschwörungen. Sicher ist Gott mit denen, die sich beherrschen und die wohlwollend sind.
(Der heilige Koran)

"Bleib doch bei uns - du kannst bei uns wohnen - du hast alle zum Lachen gebracht."
Tatsächlich habe ich selten so viel mit Leuten gelacht-(und geweint und ihnen ihr ganzes Essen weggegessen, was sie dann auch noch irrigerweise erfreut hat) und die auch über mich. Deswegen ist es besonders traurig ist, dass Mariams Familie mich darum bat, denn ich bin nicht mal besonders komisch, auch wenn die alleinige Konkurrenz die zu einem ständig an Strommangel zusammenbrechenden Fernseher keine große ist. Aber es fühlte sich so ähnlich an, wenn ich meine Oma im Altenheim besuchte, und sie nach Vorwänden suchte, wenn ich gehen wollte, damit sie nicht schon wieder allein zurück blieb. Wer weiß, ob man sich noch einmal wieder sehen kann. Oder in welchem Zustand sie dann sind.

Ich sorgte noch ein letztes Mal für Gelächter im Iraq als ein Knall und ein Schlag den Bus nach Amman erschütterten, wir hatten gerade die Wüste erreicht. Ich dachte: "So ist das also, wenn eine Bombe einschlägt.", und quetschte mich halbherzig auf den Boden vor dem Sitz, obwohl ich dachte, dass das wohl nutzlos sei ( was soll man denn auch sonst tun?) und wartete auf die Explosion nach dem "Einschlag. Eine Schießerei hatte ich vorher schon überstanden--nun würde es also so geschehen.
Ich schaute mich um. Nur ich hatte die Gefahr mal wieder erkannt. Niemand sonst hatte solche guten Reflexe wie ich und sich auf den Boden geworfen.

"Sie denkt es ist Ali Baba" lachten die Männer im Bus gröhlend, die alle sitzen geblieben waren. Ha! Ich wette, die hatten sich auch erschrocken und waren nur froh , eine dümmere gefunden zu haben.. Ich habe nun also in meinem Leben auch die erhebende Erfahrung gemacht, wie es sich anfühlt, wenn ein Reifen platzt. Und wer lachte zuletzt?

In der sengenden Hitze der Wüste mussten alle Männer aussteigen, damit der Reifen ausgwechselt oder geflickt werden konnte. Ich weiß es nicht genau - denn als Frau durft ich sitzenbleiben und verschlief, ausgestreckt auf zwei Sitze, die nächste heiße, doch immerhin schattige halbe Stunde im Bus.

Ich wäre damals die erste gewesen, die ein wütender oder extremistischer oder diebischer Mensch in dieser ruhigeren Phase einige Monate nach dem Kriegsbeginn direkt ins Entführungshauptquartier hätte schicken können. Vor allem wenn ich mit Taxis oder Bussen unterwegs war, hielt ich immer nur ein mit Arabisch beschriftetes Zettelchen dem Fahrer oder Mitreisenden unter die Nase, die mich dann dementsprechend absetzten oder weiterverwiesen. Allerdings klaubten aus Gründen der Rache, Verzweifulung, Machtkämpfen oder Fanatismus - wer kann das schon bewerten - die Entführer die ausländischen Opfer bisher eher selten aus vollbesetzten Bussen oder von öffentlichen Plätzen.

Die Banditen, die in der Wüste Fahrzeuge ausraubten, waren allerdings schon zu dieser Zeit aktiv und berüchtigt, weswegen die Busse meistens im Konvoy durch die Wüste fuhren. Ich kenne Leute, die so ihr Geld und ihre Wertgegenstände verloren, zum Glück sonst nichts. Der Weg zum Flughafen, so sagte mir eine Irakerin, sei sogar noch gefährlicher. Sie wurde auf der Strecke nach Amman überfallen. Sie durfte nach allerdings alle Wertsachen behalten. 2 Mitarbeiter von Hilftransporten mussten auf der Strecke von Syrien nach Baghdad sogar ihre Pässe aushändigen.

Die wenigen mitreisenden Frauen in diesem Bus waren allesamt schwanger. Ich hatte mich gewundert, dass sie die 20-stündige Fahrt auf sich nahmen - aber im mit abgereichertem Uran und wer weiß was noch für toxischen Substanzen verseuchten Irak sollten ihre Kinder nicht zur Welt kommen, die Krankenhäuser waren nicht erst seit dem Krieg unterversorgt. "Das ist alles?" wurde eine freiwillige Helferin beim Medikamenten verteilen stets von den Ärzten gefragt, was sie etwas ärgerte, wenn sie es mit ihren Einsätzen in anderen Ländern verglich. Nach den langjährigen Sanktionen erwarteten sie im Irak mehr.

Es gibt keinen Strauch in der Wüste, hinter dem man sich verstecken könnte, die nächste Raststation ist weit. Wie ich aß meine Sitznachbarin auf der Fahrt genau deswegen nichts, obwohl sie ihre gesamten erstaunlichen Colavorräte mit mir teilte - man schwitzt Flüssigkeit bei diesen Temperaturen ja auch wieder aus, also war das nicht so ein Risiko.

Die Männer hockten sich bei einem morgenlichen Halt einfach alle zusammen direkt neben den Busch. Das waren übrigens zum Teil hochgebildete und kultivierte Leute, die gutes Englisch sprachen, aus Irak und auch aus Jordanien. Tja, wer muss, muss... Bei dem ersten Stop nach langer Fahrt stieg ich vor meiner neuen Sitznachbarin mit Schwung aus dem Bus aus um mir zusammen mit ihr die Beine zu vertreten und, nun ja, wir sahen nicht, was wir sahen und schritten ohne nach rechts und links zu schauen durch die kackenden Menschen hindurch.

Die Frau, Mitte 20, und ihr Mann waren in einem Taxi gefahren, dass zusammengebrochen war. Sie hatten wegen der Hitze unter einer Brücke gewartet, bis unser Bus vorbei kam, denn die vorbeifahrenden Taxis sind zumeist voll besetzt. Es war wie aus einer Werbung eines bekannten Erfrischungsgetränks, als die Frau den Kopf schüttelte, nachdem ich ihr mein lauwarmes Wasser angeboten hatte und sie sie sich von ihrem Mann die eisgekühlten (Original) Coladosen aus der Kühlbox reichen ließ.

Mac Donalds' gab es aber noch nicht dort. Auf der Soldatenwebseite gucke ich nicht mehr, ich bekomme jedesmal eine halben Herzinfarkt, wenn ich die Liste durchgehe. Die Famile lebte noch vollständig, als ich zum letzten Mal von ihr hörte, aber zu mehr als Bla-bla Äußerungen trauen sie sich am Telefon ohnehin nicht - wie die meisten Leute im Nahen Osten, die vor allem Politik lieber aussparen - wer weiß, wer mithört, wem es nicht passt, und wer weiß, was die neuen Machthaber für Methoden haben - so dachten damals viele Iraker, mit denen ich sprach. Die Telefonzentren sind wieder instandgebracht worden, und viele haben jetzt Satellitentelefone. Einmal versuchte ich erfolglos von zu Haus aus, die Familie selber telefonisch zu erreichen - ich verstand aber die verschiedenen arabischen Ansagen nicht, von denen sich die Häufigste später als "Kein Anschluss unter dieser Nummer" herausstellte.

Seltsamerweise klopften am Tag darauf, zum ersten und einzigen Mal in meinem Leben, 2 Männer hartnäckig an meine Tür (und die meiner Nachbarn) um, wie ich mithörte, "dringend den Telefonanschluss zu überprüfen". . .ich bekam Schluckauf vor Empörung und beschloss, "nicht da" zu sein. Zufall oder nicht?

Zumindest wird man verstimmt,und das hat Folgen. Ich war schon etwas gereizt, als meine Briefpost in einem arabischen Land, dessen liebenswürdige und hilfbereite Bewohner ich sehr schätze, selten durchkam. Ich kann nicht beschwören, wo die langen persönlichen Briefe hängenblieben, aber die Ausreden auf der Hauptpost waren obskur " Wir hatten schon seit Wochen keinen Brief mehr aus Deutschland, es dauert mindestens einen Monat". Was nicht stimmte, denn ich kannte Leute, die Post von Verwandten bekamen. Mir sagte jemand, sie kämen wahrscheinlich mit dem Übersetzen nicht nach. (Was sie wahrscheinlich verwirrte, sagte ein eingeweihter Bekannter, war, dass ich mir die Zusammenfassung einer bekannten deutschen Seifenoper schicken ließ - es konnte sich also nur um einen geheimen Code handeln)"Sei nicht so frech, so etwas kannst du zu ihnen nicht sagen!" sagte eine arabische Bekannte erschrocken rügend in jenem fernen Land, in dem jeder erwachsene Stadtmensch mindestens einen aus dem "Business" persönlich kennt, weil es dort großflächig, alltäglich, wegen der Konsequenzen berüchtigt und alteingesessen ist. Ich, verdächtige westliche Ausländerin, hatte die potentiellen Abhör-Nutznießer unseres stundenlangen ausführlichen Gesprächs über die Eigenarten Menschen männlichen Geschlechts mit vernichtenden Flüchen über das Audio-Spannen bedacht, und begann stattdessen boshaft ein weiteres stundenlanges, detailliertes Gespräch über Monatsbeschwerden.

Aber nehmen Sie sich daran bitte kein Beispiel und seien Sie lieber freundlich zueinander...

"Good Morning, Good Evening, and,
In case I don't see you
Good Night!"
(Jim Carey in "Die Truman Show")

Challas!
(Schluss)

© Laila Vanwinkle, 2005
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Baghdad, Irak
Details:
Aufbruch: Juli 2003
Dauer: unbekannt
Heimkehr: Juli 2003
Reiseziele: Irak
Der Autor
 
Laila Vanwinkle berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.