SYRIEN - Eine Perle des Orients

Reisezeit: September 2007  |  von Thomas K.

ALEPPO

Deutschland verabschiedet mit unwirtlichem Rausschmeißerwetter: Kalte dreizehn Grad und Nieselregen. Die Lichter der Stadt verschwinden gleich unter der dicken Wolkendecke und in den tiefschwarzen Fenstern spiegelt sich die Fluggastkabine wieder. Ich schlafe nur wenig, vielleicht gar nicht, während den zweieinhalb Stunden Flug. Die Morgendämmerung verfärbt den Himmel in verschiedene grau und blau Schattierungen und am östlichen Horizont kündigt ein roter Schein den baldigen Sonnenaufgang an. Die Maschine hat schon an Höhe verloren und ein Blick aus dem Fenster lässt deutlich erkennen, wie sich die Lichter von Büyükcekmece, einem Vorort von Istanbul, vom fahlen Tiefgrau des Marmarameeres, was flach wie ein Spiegel unter uns liegt, kontrastreich abheben. Hier und da ist die Beleuchtung eines Fischerbootes zu erkennen, welches Netze mit reichem Fang für den Verkauf an irgendeinem Istanbuler Fischmarkt einbringt. Die Wasseroberfläche kommt so nahe, als wolle der Pilot wie mit einem Flugboot auf See landen. Dann kreuzt, wenige Meter unter uns, eine Autobahn und kurz darauf setzt die Maschine sanft auf dem Asphalt der Landebahn auf.
Ich habe etwas über eine Stunde Zeit, zum Anschlussflug nach Adana. Das ist gerade lang genug, zum nächsten Checkin zu kommen ohne zu hetzen, oder lange warten zu müssen. Alles klappt wie am Schnürchen. Statt planmäßig um 8:45 Uhr landen wir bereits zwanzig Minuten früher in Adana und mein grüner Rollenkoffer erscheint auch bald auf dem Gepäckband. Der junge Mann mit dem hellen Haar könnte Deutscher sein, denke ich, alle anderen sehen einheimisch aus.

Vor dem Ausgang warten die Taxifahrer geduldig auf zahlungswillige Fahrgäste. Leider habe ich nur Euro, da ich noch nicht zum Geldwechseln gekommen bin, aber das stört den Fahrer nicht und schon geht es mit rund hundert Sachen Richtung Busbahnhof. Ein langsameres Auto blockiert uns den Weg. Ein Fahrzeug mit sechzig stellt hier ein echtes Verkehrshindernis dar. Beim Überholen kann man deutlich sehen, wie der Fahrer an seinem Handy hängt und angeregt ein Gespräch führt. Der Taxerer schimpft und gebraucht die schlimmsten Worte, die das Türkische in seinem Wortschatz zu bieten hat.
Das Rückgeld von der Taxifahrt verliere ich gleich wieder an eine arme Bettlerin, die ihre Runde zieht, und einen kleinen Jungen, der es sich nicht nehmen lassen will, meinen Koffer zum richtigen Schalter zu tragen. Die Luft ist dunstig, zumindest um mich herum, ein Blick zum Himmel jedoch, lässt die abnehmende Mondsichel so klar wie nie in Deutschland erscheinen, bevor sie endgültig dem hellen Sonnenlicht weicht. Ein Thermometer zeigt schon jetzt dreißig Grad an. Leider gibt es keine Direktverbindung nach Aleppo, man muß in Antakya, im äußersten Süden der Türkei, umsteigen. Aber ich habe Glück und der Bus soll bereits um 8:45 Uhr abfahren. Um diese Zeit wäre ich eigentlich erst gelandet. Zufällig hat der hellhaarige Jugendliche, der mir schon am Flughafen aufgefallen war, den Platz neben mir bekommen. Sein Handy klingelt.
"Ja, ich bin gelandet."
"Ja, ich bin jetzt im Bus."
"Ich ruf später noch mal an, Tschüss!"
Er ist tatsächlich Deutscher.
"Dörtyol?" fragt er mich unsicher, als er das Gespräch beendet

hatte.
"Ja." versichere ich ihm.
"Sie sprechen Deutsch?" fragt er verwundert.
"Ich komme auch aus Deutschland."
"Ach so! "
"Was machst Du in der Türkei?"
"Mein bester Kumpel heiratet morgen in Dörtyol und hat mich
eingeladen. Und Du?"
"Ich bin auf dem Weg nach Syrien."
"Das habe ich mir auch überlegt, ob ich noch nach Aleppo fahren soll, aber dann war es mit dem Visum schon zu spät."
bedauert er.
Die Autobahn führt durch ein schier endloses Meer von Hochhäusern, die sich dicht an dicht nebeneinander drängen. Ihre Fassaden sind in hellen, warmen Pa- stelltönen gehalten und geben somit ein viel freundlicheres und einladenderes Bild ab, als die grauen Vorstädte von Brüssel oder Paris. Östlich von Adana beginnt eine hügelige Landschaft in schönen Farbtönen vom Braun der Erde bis hin zum dunklen Grün der Zypressen, die als Windschutz für Felder und Dörfer dienen. Auf einem Berg thront die Schlangenburg. Die Umgebung von Dörtyol und Iskenderun ist industriell geprägt und nicht gerade die schönste Gegend. Fabrikhallen mit alten Schlöten säumen die Straße. Erst weiter südlich, wo die Bergrücken mit ihren mediterranen Zedernwäldern aufsteigen wird die Landschaft wieder freundlicher. Typisch türkisch ist es, dass die Busse nach Aleppo nicht vom Busbahnhof, sondern in der Innenstadt abfahren.
"Nach Aleppo gibt es nur einen Bus um sieben und einen um acht, sonst nicht." erklärt der Taxifahrer und wiederholt zu allem Überfluss das ganze noch einmal auf Arabisch. Ich glaube das zumindest, da er was von "saba" und "tamiyah" sagt und ich weiß, dass das sieben und acht bedeutet.

"Du musst ein Taxi nehmen." fährt er fort.
"Ein Taxi? Wieviel kostet das?"
"Fünfhundert Lire."
"Das ist zu teuer!"
"Nicht Türkische Lire. Syrische Lire!"
Das wiederum ist günstig, sehr günstig sogar, nicht einmal zehn Euro.
Am Straßenrand warten schon die weißen Taxis mit syrischen
Kennzeichen.
"Halep, Halep, Halep!" ruft ein junger Kerl mit arabischem Aussehen. Mit einer schwungvollen Bewegung hebt er meinen
Koffer in den Wagen.
"Haleb Haleb Haleb!" ruft er wieder, um noch weitere Fahrgäste zu werben. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite gibt es einen kleinen Kiosk, wo ich Geld wechseln kann. Mit einer geschickten Bewegung lässt der Besitzer ein Bündel grünlicher Scheine durch seine flinken Finger gleiten und zählt 32 500 Syrische Lire, zu einem Kurs von 65 ab. Die Sonne brennt jetzt in voller Kraft vom Himmel. Es dauert nicht lange, bis sich noch weitere Fahrgäste nach Aleppo finden. Zum Glück sitze ich vorne und muss mich nicht mit zwei andern Fahrgästen in den engen Fond quetschen. Der Fahrer heißt Hassan und spricht wie zwei der Fahrgäste auch Türkisch. Der dritte sagt nur selten etwas auf Arabisch. Die Frage nach "wohin" und "woher" und was der andere arbeitet ist oft der einfache Anfang eines Gesprächs.
Die Straße führt über weite, einsame Hochebenen, vorbei an abgeernteten Feldern und langgezogenen Bergrücken. Ich wundere mich, als die Fahrbahn plötzlich doppelspurig wird. Dann wird mir klar warum: Wir sind kurz vor der syrischen Grenze. Ein LKW staut sich an den nächsten zu einer langen Schlange zusammen. Ein Fahrer hat es sich im Schatten seines Sattelschleppers auf einem Campinghocker bequem gemacht und seine Kollegen zu einem Glas Tee eingeladen. Zum Glück können wir ungehindert bis vor zur Grenze fahren.

Dann müssen wir aussteigen. Eine lange Schlange wartet an dem kleinen Grenzhäuschen. Hassan hat es geschickt geschafft, uns bis ganz nach vorne zu bringen, ohne dass die anderen etwas davon gemerkt oder sich beschwert hätten. Wahrscheinlich macht er das täglich mehrmals und hat bereits Übung darin. Das Gedränge wird dem Zöllner, der gerade einen ganzen Stapel anderer Pässe bearbeitet, zu viel und er schiebt das Fenster, aus dem angenehm kühle Klimaluft weht, einfach zu. Weiter hinten bittet einer den anderen, ob er ihn nicht vor lassen könnte, in seinem Auto warten drei Kinder.
"Ich habe auch Kinder, die im Auto warten."
Das scheint hier eine gängige Ausrede zu sein. Endlich öffnet sich das Fenster wieder und wir können unsere Pässe abgeben. Nach einer kurzen Fahrt durchs Niemandsland halten wir an der syrischen Grenzstelle. In dem großen, hellen Gebäude sind nicht nur die Büros der Zollbeamten sondern auch ein Duty-Free-Shop untergebracht. Die dunkelgesichtigen Zöllner sehen mit ihrer olivgrünen Uniform militärisch und gefährlich aus. Es gibt wohl noch ein paar unangenehme Fragen, die Hassan mit unfreundlichem, knattrigem Ton beantwortet, bevor unsere Pässe abgestempelt werden.
Hinter der Grenze ist gleich alles anders. Die Straßen sind etwas rauer, die Vegetation ist noch etwas karger und die Schilder sind alle Arabisch. Syrien. Das erste Mal in einem Arabischen Land. In einem kleinen Dorf treibt ein alter Mann mit Dschalabiyah und Kefiye einen Esel in eine Seitengasse. Bald erreichen wir die Ausläufer Aleppos und befinden uns wenig später mitten im Stadtverkehr. Eine breite Straße führt durch ein besseres Viertel mit großen Häusern und Gärten, in denen Obstbäume wachsen und schlanke Zypressen wie raketen in die Höhe schießen. Nach und nach steigen unsere Fahrgäste aus und Hasan will auch mich noch bis zu meinem Hotel bringen. Drei mal muss er einen Passanten auf der Straße fragen, wo das Beit Wakil ist, bis er jemanden findet, der uns helfen kann.

Das Beit-Wakil-Hotel ist ein altes Steingemäuer in einer Gasse, die so eng ist, daß kein Auto hineinfahren kann. Die Zimmer liegen um einen urigen Innenhof. Schlinggewächse hängen in langen Ranken vom Dach und den Balkons im oberen Stockwerk und erwecken zusammen mit dem Springbrunnen und den vielen Pflanztöpfen den Eindruck eines kleinen orientalischen Gartens.
Die Tatsache einer neuen Umgebung in einer fremden Stadt in einem mir bisher fast unbekannten Land lässt mir nur wenig Ruhe, mich schnell frisch zu machen und treibt mich wieder auf die Straßen. Ich gehe vor, zu dem kleinen Platz, mit Kopfsteinpflaster und einem Caffeehaus, an dem Hassan mich hat aussteigen lassen. Ich habe keinen besonderen Plan und folge unwillkürlich einer Straße hinunter bis ich zu einer großen Kreuzung komme. In der Mitte steht ein mächtiger Uhrturm mit einer Art Zwiebeldach und zwei Palmen. Kleine Geschäfte sind in den Gemäuern alter Häuser untergebracht, und der würzige Duft von Alepposeife und frischen Kräutern liegt in der Luft.
Uralte Holzerker stehen in den Obergeschossen der Häuser hervor und lassen Baufälligkeit ahnen. Ganze Autokolonnen schieben sich durch den abendlichen Berufsverkehr. Auffällig viele gelbe Taxis haben sich in den Verkehrsfluss gemischt und das ständige Gehupe übertönt fast das monotone Motorengebrumme, als würde man hier anstelle des Gaspedals die Hupe zum Fahren benutzen. Die Anschaffung eines eigenen PKWs ist wegen der hohen Besteuerung für die meisten Bürger unerschwinglich. Wer etwas Geld hat, kauft ein Auto aus dem Ausland und meldet es in einem Drittland, wie dem Libanon, wo Steuerfreiheit für PKWs besteht, an. In einer Fußgängerzone mit modernen Schaufenstern herrscht reges Treiben. Sie könnte sich auch in irgendeiner Südeuropäischen Großstadt, vielleicht in Italien oder Spanien befinden, wenn nicht der Großteil aller Frauen mit Kopftuch und langen Röcken herumlaufen würde. Ich biege in eine kleine Straße, die in etwa meine Richtung haben dürfte. Sie endet an einer zweiturmingen Kirche mit roten Spitzdächern und Kreuzen darauf. Die schweren Holztore mit Schmiedeeisernem Beschlag scheinen verschlossen zu sein. Die Gasse wird ganz eng und führt zurück zum Beit Wakil. Der Speisesaal liegt in einem Innenhof mit vielen Pflanztöpfen um einem Springbrunnen in der Mitte. Eine einfache Überdachung, wie aus Zeltplanen überspannt den Hof, und trotzdem hat man das Gefühl im Freien zu sitzenn. Die Kellner sehen mit ihrer extravaganten, aufwändig genähten Uniform fast fürstlich aus und sind sehr aufmerksam. Mit Argusaugen achten sie darauf, daß keinem Gast etwas fehlt, kaum ist ein Glas Wasser gelehrt, kommt einer und füllt es wieder auf. Der Olivensalat als Vorspeise ist geradezu sagenhaft aromatisch, wie ich es noch nie zuvor gegessen habe. Auch dass Lammkebap mit Reis ist sehr lecker und das ganze kostet nicht mehr als dreihundertfünfzig Lire. Ich mache mich noch mal auf in die malerischen, engen Gassen um das Hotel. An manchen Stellen wurden die Häuser über der Gasse verbunden und unter spitzbogigen Durchgängen lassen alte Laternen mit ihrem fahlen Schein ein mittelalterliches Flair aufkommen. Viele vornehm gekleidete Leute haben sich auf dem Vorplatz der Kirche versmmelt. Die Tore sind jetzt weit geöffnet, ein Hochzeitspaar steht im Eingang.

Die Fußgängerzone ist regelrecht überlaufen, ganz Aleppo scheint auf den Beinen und wäre es nich so warm, könnte man meinen, an einem Advendssamstag in München oder Nürnberg zu sein.
Der Innenhof im Hotel ist lauschig warm. Ich nehme ein syrisches Bier aus der Minibar und muß feststellen, dass es weniger mit Bier als viel mehr mit irgendeinem ausgegasten, abgestandenen, limoähnlichem Getränk zu tun hat. Wie gut schmeckt darauf ein frisches, süffiges Exportbier. Der Springbrunnen plätschert kühl vor sich hin und alle viertel Stunden schlägt der Turm der nahen St. Elias Maron Kirche und ergänzt den Glockenschlag von Mal zu Mal zu einer ganzen kleinen Melodie.
Ein riesiges Frühstücksbuffet ist aufgetafelt. Es fehlt an nichts. Verschiedene Brotsorten, Käse, Oliven, Wurst, Marmelade, Honig, Müslis, Säfte und Gebäcke liegen schön dekoriert auf großen Tellern und silbrigen Tabletts bereit. Besonders toll ist das luftige, hefeähnliche Gebäck mit gehobelten Pistazien und einem leichten Zuckerguß, der dem Teil eine dezente, aber auch nicht zu schwache Süße verleiht. Immer wieder vorzüglich, sind die orientalischen Schwarztees, deren Geschmack sich durch Sorte und Art der Zubereitung von dem der deutschen Tees unterscheidet.

Ich liebe es nicht sehr, mich auf meinen Besichtigungstouren mit Rucksack, umgehangenem Fotoaparat und dickem Reiseführer in der Hand auf fünfhundert Meter als Tourist erkennen zu geben. Vielmehr gefällt es mir, mich frei und ohne jeglichen Ballast bewegen zu können und fühle mich somit unter den tausenden Einheimischen, die geschäftig durch die Straßen eilen und ihren Zielen nachgehen, eher unauffällig.

Der Weg zur Zitadelle führt durch einen kleinen Nebensuq, dessen Lage eher unlukrativ zu sein scheint. Die Gänge sind weitgehend leer und die Händler gerade damit beschäftigt, ihre Stände zu arangieren. Schon von Weitem sticht einem der Zitadellenhügel ins Auge. Bedrohlich sitzt die Trutzburg "Qala'at Halep" oben drauf und es ist nicht schwer vorzustellen, wie damals die Feinde bei dem Versuch sie einzunehmen erfolglos blieben, und so manch einer sein Ende mit Pfeil in Bauch oder Rücken im Burggraben fand. Ein sauber gepflasterter Platz mit jungen Palmen befindet sich unterhalb der Burg, von der ein hässliches, orangefarbenes Schuttrohr in den Graben führt. Jedesmal, wenn ein Arbeiter den Inhalt seines Schubkarrens hinein leert, kracht dieser mit donnerndem Getöse hinab, um dann im Burggraben in einer großen Staubwolke aufzugehen.
Über eine mächtige Brücke erreicht man den Eingang zur Burg. Schon von hier hat man einen tollen Blick über die Stadt. Noch besser ist er oben auf dem Turm. Das graue Häusermeer scheint sich irgendwo kurz vor dem Horizont mit dem Braun des Bodens im Umland zu verschmelzen. Grüne Kuppeln und schlanke, hochaufgeschossene Minarette, sowie die Bäume der Stadtparks fügen sich passend als willkommene Abwechslung in das eintönige Stadtbild hineien. In der Ferne steigt der Rauch von Schlöten empor und deutlich sind der Hof und das mächtige Minarett der Omayyadenmoschee zu erkennen. Irgendwo dazwischen lassen mit kleinen Kuppeln überdachte Wege den Suq erahnen.
Der Halbkreis des alten Burgtheaters ist für eine abendliche Aufführung mit unzähligen weißen Gartenstühlen bestückt. Arbeiter in langen, weißen Kleidern und mit Arafat-Kopftüchern sind trotz der Hitze, fleißig mit Ausgrabungsarbeiten beschäftigt. An der kleinen Moschee soll einst Abraham gesessen haben. Unweit der Fetsung beginnt der Suq mit seinen zahllosen verwinkelten Gassen und Geschäften. Spitzbogige, gewölbeartige Überdachungen halten an heißen Sommertagen die aggresiven Sonnenstrahlen fern. Die warme Luft steigt nach oben und die etwas kühlere kann nachfließen.

Ein Bild wie aus tausendundeiner Nacht bietet sich dar. Dunkelhaarige Männer mit weiten Stoffhosen und Hemden oder mit Dschalabiyah und Kefiye, Frauen mit langen Röcken, Mänteln und verschiedenartigen Kopftüchern, deren Style von einfarbig über gestreift bis buntgemustert mit Blumen oder
anderen Motiven, die sich nicht gleich eindeutig erkennen lassen, reicht, streifen durch den Suq. Bunte Kleider hängen von der Decke, gemischt mit der schwarz, weiß, roten Flagge der Syrisch-Arabischen Republick mit ihren zwei grünen Sternen in der Mitte. In einem anderen Laden zieren religiöse Schriften in aufwendig verschnörkselten Holzrahmen die Wände. Vor einer Metzgerei hängen zwei Tierskelette und Schafsköpfe liegen auf einem Tisch, gut frequentiert von schwarzgrün schillernden Fliegen, die bei jedem Passanten, der zu nahe kommt, summend auffliegen, um sich dann wieder nieder zu lassen. Jedem deutschen Lebensmittelkontrolleur würde sich der Magen umdrehen. Von irgendwoher dröhnt arabische Popmusik. Ein junger Mann, der zusammen mit einem anderen an einer Ecke steht, spricht mich auf Arabisch an.
"I don't speak arabi." antworte ich.
"Wehre are you from?" fragt er in gebrochenem Englisch.
"Wir waren uns nicht ganz sicher, ob du Syrer bist oder nicht, aber wir
haben gedacht wahrscheinlich schon."
Natürlich will er mir jetzt seinen Laden zeigen. Wir gehen zwei Gassen weiter, wo er eine Glastür öffnet. Er wirft einem Angestellten einen Befehl zu, welcher kurz darauf mit zwei Gläsern Tee zurück kommt. Der Händler zieht mühsam eine große Tepichrolle aus einem Holzregal und wirft sie geschickt auf den Boden. Ein weiß-rotes Muster breitet sich vor uns aus. Aber ich will keinen Teppich kaufen, wir haben genug Teppiche zu Hause, außerdem weiß man nie, wann und wie die Ware nach Deutschland kommt, auch wenn angeblich ein sicherer Transfer im Preis mit inbergriffen ist. Dann bringt er eine hölzerne Schmuckschatulle und legt Ketten und Armreifen auf einen Glastisch.

"For your mother or girl friend - für deine Mutter oder
Freundin."
Lange Halsketten aus großen Steinen oder mit reichlich Gold verziert, so dass ich gleich weiß, dass es meiner Mutter nicht gefallen würde. Nur ein Teil sticht mir ins Auge, was ihr gefallen könnte. Ein unauffälliges Kollier aus wunderschönem blauem Lapislazuli und mattem, handgearbeiteten armenischen Silber.
"Tenthousend Lire - zehntausend Lire."
"Ich habe keine zehntausend Lire dabei."
Gewöhnlich nehme ich nur kleinere Beträge mit auf einen Ausflug, es sei denn, ich habe gezielt vor etwas zu kaufen.
"Achttausend, sechstausend."
Ich muß leider ablehnen, und als wir dann bei zweitausend angekommen sind, kann ich nicht mehr nein sagen. Liebevoll packt er es in ein kleines Stoffsäckchen und beiderseits zufrieden gehen wir auseinander.

Mitten im Suq befindet sich die imposante Omayyaden- Moschee. Der Innehof ist von Bogengängen umrundet. In den hellen Marmorboden, der das gleißende Sonnenlicht vielfach reflektiert und den Hof in seiner ganzen Helligkeit erstrahlen lässt, sind Muster aus dunkleren Steinen eingearbeitet. Die Leute haben ihre Schuhe ausgezogen und tragen sie mit sich. Barfüßige Kinder jagen sich über den Hof. Tatsächlich ist der Boden so heiß, dass man nur im Schatten der Südmauer bequem gehen kann. Religiöse Männer mit dichten, schwarzen Volbärten und langen weißen Gewändern machen einen gottesfürchtigen Eindruck.
Das hohe Minarett, das 1095 von dem Architekten Hassan al Samarni erbaut wurde, erinnert in seiner Breite fast an einen Kirchturm. Im Inneren der Moschee ist alles mit grünem Teppich ausgelegt. Gewaltige Kronleuchter hängen an der Decke. Sonnenstrahlen fallen durch ein buntes Fenster und zaubern ein schönes Farbspiel auf den Boden.In einem Schrein wird das Haupt des Zacharias, des Vater Johannes des Täufers, aufbewahrt. Lange Schlangen, Männer und Frauen voneinander getrennt, stehen an, um die kostbaren Gitter, die den Schrein schützen, zu berühren. Viele Frauen haben sich in eine schwarze Niqab, was im Persischen Tschador heißt, gehüllt.
Blaue Schuluniformen liegen, ordentlich in Zellofan verpackt, vor einem Laden. Ein Junge, vielleicht zwölf, steht davor und macht beim Gedanken an Schule ein ganz unglückliches Gesicht. Es ist bereits September und bald dürften auch hier die Sommerferien zu Ende sein. Händler sitzen vor ihren Läden und warten auf Kundschaft, unterhalten sich, trinken Tee und nicht
selten wird dabei eine Partie Back Gammon gespielt. Das westliche Ende des Suqs wird durch das Bab-Antakia, das Antakya-Tor bestimmt. Männer sitzen und liegen faul im Park herum, tratschen und lassen den Nachmittag an sich vorbei ziehen. Ratten rascheln in einem Mülleimer und suchen nach Fressbarem, ein paar Kinder spielen Ball. Die untergehende Sonne taucht eine noch im Bau befindliche Moschee in ein warmes Licht und das unvollendete Minarett erweckt den Eindruck, als sei das oberste Ende abgebrochen.

ANTAKYA - Innenstadt

ANTAKYA - Innenstadt

ALEPPO - Holzerker

ALEPPO - Holzerker

ALEPPO - Zitadelle

ALEPPO - Zitadelle

ALEPPO - Zitadelle

ALEPPO - Zitadelle

ALEPPO - Stadtansicht

ALEPPO - Stadtansicht

ALEPPO - Omayyadenmoschee

ALEPPO - Omayyadenmoschee

ALEPPO - Im Suq

ALEPPO - Im Suq

ALEPPO - Uhrturm

ALEPPO - Uhrturm

ALEPPO - Omayyadenmoschee

ALEPPO - Omayyadenmoschee

ALEPPO - Omayyadenmoschee

ALEPPO - Omayyadenmoschee

ALEPPO - St. Elias Maron Kirche

ALEPPO - St. Elias Maron Kirche

© Thomas K., 2015
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Aleppo - Hamah - Damaskus - Palmyra - Deir-ez_Zor - Tartus - Türkei Ein endloses Treiben herrscht in den Suqs von Damaskus und Aleppo
Details:
Aufbruch: 01.09.2007
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 22.09.2007
Reiseziele: Syrien
Der Autor
 
Thomas K. berichtet seit 15 Jahren auf umdiewelt.