Einmal um die ganze Welt ...

Reisezeit: Mai - Oktober 2005  |  von Sandra tiedge

Shanghai-Stadt im Umbruch

Nur fünf Flugstunden von Singapur entfernt liegt die, ins Überdimensionale expandierende, Stadt Chinas.

Sandra beim Ausfuellen der Einreisedokumente

Sandra beim Ausfuellen der Einreisedokumente

Shanghai ist eine Stadt im Umbruch.
In erschreckendem Tempo expandiert die Stadt in vertikale und horizontale Richtung. Die Hochhäuser der Vergangenheit werden entweder abgerissen und durch neue, hochmoderne Wolkenkratzer ersetzt oder ihre Fassade wird dem neuesten Standard angepasst.
Shanghai fährt ein strammes Programm, um bei der Expo 2010 der Weltöffentlichkeit ein beeindruckendes Stadtbild zu präsentieren.

am Flughafen in Shanghai, warten auf unser Gepaeck

am Flughafen in Shanghai, warten auf unser Gepaeck

Im "Urban Planning Centre" wird die Entwicklung der Stadt und ihre Planung durch multimediale Darstellungen veranschaulicht.
Fast unvorstellbar und erschreckend wirken dabei die Bilder im Zeitvergleich. In nur 10 bis 15 Jahren haben sich ganze Viertel derart verändert, dass sie für unsere Augen kaum wieder erkennbar scheinen. Man stelle sich vor die Grosseltern würden Bilder der Heimat zu ihrer Jugendzeit im Vergleich zu heute zeigen, nur dass wir hier von einer etwa fünfmal geringeren Zeitspanne sprechen.

Der Modellbauplan Shanghai´s zeigt alle existierenden und die bis 2020 geplanten Bauten. Hochhäuser verschiedenster Höhen reihen sich dicht aneinander, dazwischen genau kalkulierte Grünstreifen oder Parkanlagen. Plastisch wird die "Zukunftsstadt" bei einem computeranimierten Flug durch ihre Strassen im Jahr 2020. Der Eindruck ist plastisch und künstlich.

Modell der Staedtebebauung Shanghais

Modell der Staedtebebauung Shanghais

Alles scheint bis ins Detail genau berechnet. Spezielle Müllverwertungs- und Abwasseranlagen sind in Arbeit, um Shanghai auch sauberste Stadt der Zukunft nennen zu können. Schon jetzt werden Stadtrandgebiete zu touristischen Erholungsgebieten erklärt , sowie spezielle Programme zu ihrer Erkundung ausgearbeitet.
Der Flughafen soll innerhalb drei Projektphasen zu einer Umschlagkapazität von sieben Millionen Passagieren und 100 Mio. Tonnen Fracht ausgebaut werden. Alles natürlich unter den Besten und neuesten Sicherheitserkenntnissen.
Immer wieder muss ich mir klar machen, dass wir uns nicht in "Zurück in die Zukunft" befinden, sondern dass das, was wir hier auf Bildern sehen schon bald Realität sein wird.
Um die Transformation zu verwirklichen werden ausländische Spezialisten und Professionelle, vor allem aus Europa hinzu gezogen.

Es muss eine riesengrosse Spielwiese für Architekten, Ingineure, Städteplaner, Ökologen etc. sein. Hier haben sie alle Möglichkeiten, hier können sie Ideen und neue Erkenntnisse in die Tat umsetzen. Allerdings nur so weit, wie es die "Partei" erlaubt. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir uns im kommunistischen China befinden und die Regierung immer noch eine bis in die Privatssphäre eingreifende Macht inne hat.

Viele internationale Firmen und Finanzhäuser zieht es nach Shanghai. Auch sie wollen auf der Spielwiese Chinas nicht nur auf der Reservebank sitzen.

Sandra vorm Jinmao Tower, in dem sich das Grand Hyatt Hotel befindet

Sandra vorm Jinmao Tower, in dem sich das Grand Hyatt Hotel befindet

Wir sitzen im 66. Stock des Jinmao Towers, auf dem Bett unseres überdimensionalen Hotelzimmers von etwa 50qm.

Der Tower befindet sich in Pudong, dem Finanzdistrikt Shanghai´s und zählt bisher zu den architektonisch prachtvollsten Stücken seiner Art.
Das "Grand Hyatt" beginnt allerdings erst im 54. Stock. Darunter befinden sich Banken und andere Dienstleister.
Das Grand Hyatt Hotel reicht bis zur Spitze des Jinmao Towers im 88. Stock und nennt sich höchstes Hotel der Welt.

Von unserem Zimmer aus geniessen wir einen 180 Grad Blick
über den Huangpu Fluss hinüber zum "Bund", der Meile aus Gebäuden der Kolonialzeit und der Flusspromenade.
Vor uns ragt das gläserne Gebäude der Citigroup, das goldspiegelnde Aurora Hochhaus und der Fernsehturm "Power of Oriental Pearl" in die Lüfte. Die aus Zeitschriften und Werbeplakaten bekannte Scenerie liegt nun zu unseren Füssen.
Frachtdampfer, wie sie in den 60iger Jahren auf dem Rhein zu sehen waren, verkehren auf dem Huangpu Fluss wie auf einer Hauptverkehrsstrasse. Tag und Nacht schippern sie ihre Fracht, meist Rohstoffe und Baumaterialien, in beide Richtungen. Beleuchtet sind die Boote kaum, nur ab und zu ertönt ihr lautes, dumpfes Horn, um auf sich aufmerksam zu machen.
Direkt unter uns reissen mehrere Bagger alte Fassaden ein, um neuen Skyscrapern Platz zu schaffen. Rechts liegen riesige Flächen brach, auf ihre neue Bebauung wartend.

Skyline von Pudong; rechts das Aurora und das Citigroup Gebaeude, im Hintergrund der Jinmao Tower. 
Die grosse Luecke in der Bildmitter sind diverse Abrissplaetze, die auf ihre Bebauung warten.

Skyline von Pudong; rechts das Aurora und das Citigroup Gebaeude, im Hintergrund der Jinmao Tower.
Die grosse Luecke in der Bildmitter sind diverse Abrissplaetze, die auf ihre Bebauung warten.

Es dämmert.
Die nun beleuchtete Scenerie wird immer imposanter.
Auf der anderen Seite des Huangpu Flusses erscheinen die grauen Fassaden der massigen Kolonialbauten im gelb warmen Scheinwerferlicht, viel freundlicher.
Diese Reihe Gebäude aus Shanghai´s Vergangenheit, wird wohl als einziges Viertel mit geschichtlichem Hintergrund im neuen Stadtbild verweilen.

All die beleuchteten Gebäude, die blau-bunt flackernden Kugeln des Fernsehturms neben uns, die Schriftzüge internationaler Firmen auf diversen Hochhäusern, die das Flussufer säumen, und die mit Lichterketten geschmückten Touristenschiffe bringen Frohsinn und Farbe in die Stadt und sorgen für eine einladene Atmosphäre.

Sandra in unserem Hotelzimmer

Sandra in unserem Hotelzimmer

Von der Promenade gegenüber funkeln immer wieder die Blitzlichte der Fotoapparate.
Viele Besucher tummeln sich bis spät am Abend auf der anderen Seite des Flusses, um die prachtvolle und durch die Werbung bekannte Stadtaufnahme auch in ihren Urlaubsalben präsentieren zu können.
Und wer nicht selber fotografieren möchte, der kauft sich eine Postkarte an einem der vielen Verkaufsstände oder lässt sich von einem der Mitarbeiter poträtieren und per Computer vor eine gewünschte Tag-oder Nacht-Stadtszene positionieren.

Die Aussicht von unserem Hotelzimmer ist unschlagbar und so verbringen wir einen gemütlichen Abend mit Selbstverpflegung über den Lichtern der Stadt.

Doch der Genuss der lichterfrohen Aussicht ist begrenzt.
Exakt um 23 Uhr erlischt der Glanz der historischen Kolonialhäuser und um genau 24 Uhr steht auch der Fernsehturm, bis auf seine rote Signallampe, im Dunkeln der Nacht.
Hinzu kommt, das einige Hochhäuser gar nicht beleuchtet sind. Wie leere Hüllen stehen sie da. Das Lichtermeer wird partiell zur Geisterstadt.

Aussicht von unserem Zimmer im 66.Stock

Aussicht von unserem Zimmer im 66.Stock

Der "Yanan Donglu Tunnel" ist die einzige Möglichkeit den Fluss zu überqueren und zum eigentlichen Stadtzentrum zu gelangen.
Üblicherweise nehmen wir ein Taxi, da dieses Verkehrsmittel hier ausnahmsweise günstiger ist als in anderen Weltmetropolen.

Der Concierge des Hotels erklärt dem Taxifahrer auf Chinesisch, wohin er uns bringen soll, oder wir benutzen eine der vorgedruckten Karten, auf denen die Haupttouristenpunkte in englischer und chinesischer Schrift aufgelistet sind.

Eigentlich war ich davon ausgegangen, dass die Chinesen in Shanghai zumindest ein bisschen englisch sprechen.
Doch dem ist nicht so.

Schon am Flughafen versteht uns keiner der Busfahrer. Westliche Schrift können sie auch nicht entziffern und ohne die Hilfe einer Frau mit geringen Englischkenntnissen wären wir aufgeschmissen gewesen.

Es passierte uns nicht nur einmal, dass der Taxifahrer aus dem Stadtplan, den wir ihm vor die Nase hielten, weil eine mündliche Verständigung bis auf "Hello" sinnlos waere, keinen Zielort ausmachen konnte oder auch mit der chinesischen Übersetzung unserer Karte nichts anfangen konnte. Also mussten wir wieder aussteigen bevor die Fahrt ueberhaupt losgegangen war und auf das nächste Taxie hoffen.
Diese Vorfälle liessen mich vermuten, dass manche Taxifahrer Analphabeten sein muessen.

Fussgaengerzone in Shanghai

Fussgaengerzone in Shanghai

Wir sitzen im Taxi, auf dem Weg zur städtischen Fussgängerzone.
Im Tunnel herrscht mal wieder Rush hour, wie eigentlich zu jeder Tageszeit. Das Strassennetz ist hier nicht sonderlich ausgebaut. Die Autos quälen sich kilometerlang zweispurig auf die andere Uferseite.
Wir stehen schon seit einigen Minuten im Stau als über die Lautsprecher eine Ansage erfolgt. Wir sind beunruhigt. Klaus betritt Tunnel aus Prinzip ungern und so kämpft er mit seinen Nerven. Natürlich können wir die Ansage nicht verstehen, da sie nicht auf englisch ist und auch der Taxifahrer kann uns nicht beruhigen, da wir seine Worte nicht verstehen koennen. Wir verharren, was bleibt uns anderes übrig.
Noch ein paar Minuten und wir erblicken wieder Tageslicht, so wie das Übel des Staus: ein liegen gebliebenes Fahrzeug am Tunnelausgang.

In der Fussgängerzone reihen sich bekannte Modegeschäfte, Kaufhäuser, Restaurants, Hotels sowie westliche Fast -Food Ketten aneinander. Das Angebot ist gross, doch wir schlendern einfach durch die Strassen und lassen das Umfeld auf uns wirken.

Immer wieder kommen Frauen oder Männer auf uns zu, die uns laut ihrem Prospekt, welches sie uns vor die Nase halten, Uhren, Handtaschen oder DVDs verkaufen wollen. Laut Reiseführer wurde vor diesen Geschäftsleuten gewarnt. Oft muss man ihnen zu einem abgelegenem Ort folgen, um dort die günstigen aber auch gefälschten Markenprodukte sichten zu können.
Wir lehnen freundlich ab. Es hilft nicht. Erst als wir energisch "no" sagen, lassen sie uns weiterziehen.
Diese Händler lauern an jeder gut besuchten Strassenecke und nach einiger Weile sind wir bereits leicht von ihrer "Gucci oder Vuitton Anpreisung" genervt.

Ein Streifzug durch die Läden Shanghai´s zeigt, dass ein günstiger Einkauf für uns Europäer nicht leicht sein wird. Jegliche Kleidung wird hier zu "Kinderkonfektionsgrössen" verkauft. Grösse L entspricht der uns bekannten Konfektion 164. Ein paar Segeltuchschuhe, die mir gut gefielen, führte das Geschäft nur bis Grösse 38.

Lebensmittelgeswchaeft in Shanghai

Lebensmittelgeswchaeft in Shanghai

Unwetter ueber der City

Unwetter ueber der City

Wir stehen Arm in Arm an dem einen Ende der Fussgängermeile und beobachten das hereinbrechende Spektakel.

Die Wolken am Himmel verfärben sich dunkel, ziehen immer schneller und formieren sich zu grossen schwarzen Knäueln. Ein heftiger Wind zieht auf. Plastiktüten wirbeln durch die Luft und feiner Staub treibt uns in die Augen.
Die Uhr zeigt 16 Uhr nachmittag und plötzlich wird es Nacht.
Die Lichter der Hochhäuser vor uns schalten sich ein. Menschen strömen seitwerts in die schützenden Kaufhäuser oder suchen sich einen Platz unter einem der Vordächer. Sirenen ertönen und Alarmanlagen werden ausgelöst. Eine ungeheuerliche Stimmung - ist der Weltuntergang nahe und wir stehen mitten drin?

Dann brechen die schweren Wolken auf und Regen prasselt auf uns nieder. Jetzt suchen auch wir einen Unterschlupf.
Es schüttet wie aus Kübeln, Bäche laufen über die gepflasterte Flaniermeile und Menschen drängen sich dicht and die Türen der Läden.
Für etwa 20 oder 30 Minuten ist kein Vorankommen möglich. Die Strassen sind Menschenleer. Ein unglaubliches Bild.
Wir lehnen an der Häuserwand und bestaunen das Ereignis.

Schliesslich beruhigt sich das Naturschauspiel und wir können weiterziehen. Nun will man uns nicht nur Uhren und Handtaschen, sondern auch noch billig Regenschirme anbieten.
Es nieselt zwar hin und wieder, aber da es eine angenehme Abkühlung zur Hitze ist, bleiben wir regenschirmlos.

Naturschauspiel am Nachmittag

Naturschauspiel am Nachmittag

Regenschirme gehören zur Ausrüstung eines jeden Shanghaier Passanten und das nicht nur bei Regenwetter. Überall wimmelt es vor Schirmen, die auch vor zu viel Sonneneinstrahlung schützen sollen.

Plötzlich werden sie aufgespannt oder zusammengefaltet und als Nicht-Regenschirm-Passant muss man auf sein Gesicht achten, will man nicht Opfer einer Schirmspitze werden.

Ueberflutung der Strassen nach heftigem Regenguss am Nachmittag

Ueberflutung der Strassen nach heftigem Regenguss am Nachmittag

Strassenszene in der City

Strassenszene in der City

Wer nicht selbst auf sich achtet, der hat schlechte Spielkarten in der Hand.

Auffallend ist, dass die Menschen in Shanghai einander nicht viel Respekt zollen.
Autos drängeln sich neben Mopeds und Fahrradfahrern durch die Strassen, jeder nur den eigenen Vorteil im Visier. Die Autos und Busse hupen sich vergeblich ihren Weg durch die verstopften Strassen frei.
Wenn man als Fussgänger bei grünem Ampellicht die Strasse überquert, bedeutet dies noch lange nicht, dass man getrost von der einen zur anderen Seite wechseln kann. Plötzlich kommt ein Auto um die Ecke gebogen und man muss diesem Vorfahrt gewähren.
Eine Frau fällt mit ihrem Fahrrad am Randstreifen der Strasse, niemand zuckt auch nur mit der Wimper, um ihr in der verkehrsdichten Strasse wieder auf die Beine zu helfen. Wird man als Passant von anderen angerempelt, dann brauch man keine Entschuldigung zu erwarten.

Immer wieder sichtet man Männer, die ihr T-Shirt gerne bis zur Brust hochgekremptelt tragen. Und Frauen wie Männer rülpsen oder spucken in der Öffentlichkeit.

Zusammenfassend gesagt: ein sehr gewöhnungsbedürftiges Umfeld.

Strassenchaos in Shanghai

Strassenchaos in Shanghai

Das Klima ist zu dieser Jahreszeit heiss und die Luftfeuchtigkeit hoch. Das Termometer zeigt 37 Grad Celsius.
Innnerhalb weniger Minuten schwitzen wir unsere Hemden durch.
Als sässen wir in einer Sauna nach dem Aufguss, tropfen Schweissperlen Rücken, Brust und Stirn hinunter. Für die Abkühlung, das anschliessende Tauchbad, suchen wir eins der klimatisierten Gebäude um uns herum auf. Ein Wunder, dass wir noch nicht längst von einer Erkältung heimgesucht worden sind.

So wie wir durch die Strassen schlendern, werden wir von einem jungen Pärchen angesprochen.
Wie lange wir in Shanghai verweilen, wo wir her kommen und was wir in den nächsten Tagen vorhaben, wollen die Studenten aus dem Norden Chinas wissen.

Sie studieren Kunst und sind für eine Ausstellung in der Stadt. Sie zeigen sich sehr aufgeschlossen und ihr egnlisches Vokabluar ist im Vergleich zu unseren übrigen Erfahrungen erstaunlich gut und so plaudern sie fliessend auf uns ein. Nebenbei erfragen sie, ob wir an Kunst interessiert sind, denn ihre Ausstellung wäre nicht weit entfernt, und wir könnten sie uns ja mal anschauen.
Ich sage ehrlich, dass ich mich nicht sonderlich für Kunst interessiere.
Obwohl mir die Situation komisch vorkommt, folge ich irgendwie automatisch der Studentin, die mir freundlicherweise ihren Regenschirm über den Kopf halt. Ab und zu blicke ich zurück zu Klaus, der sich auch gut zu unterhalten scheint.

Plötzlich zweigen wir vom Weg ab und treten in ein altes Stadtgebäude ein.
Der Fahrstuhl bringt uns auf die achte Etage. Das Gebäude wirkt alt, schäbig und unbewohnt. Im Treppenhaus hängen Spinnenweben und auf den Treppenstufen liegt Laub.

Wir betreten einen kleinen Raum von nicht mehr als 15 qm. In der Mitter steht ein Schreibtisch und an den Wänden hängt chinesische Kunst: Schriftzeichen, Bambuszeichnugen, Landschaften u.ä. sind auf Seidenpapier gezeichnet.

Die beiden erläutern Klaus und mir die Zeichnungen mit viel Enthusiasmus und versuchen unsere Faszination und Bewunderung zu wecken. Es ist überaus interessant, aber ich ahne bereits, worauf es hinaus laufen wird.
Nachdem die Studenten alle Zeichnungen im Raum erläutert haben, sollen wir uns einen Favoriten auswählen.
Dann bitten sie uns dieses Bild zu kaufen, weil ihnen daraus eine Spende für die Universität zufliessen würde. Nicht nur weil uns der Preis zu hoch erscheint, auch weil diese Art Kunst nicht unseren Geschmack trifft, lehnen wir höflich ab, bedanken uns allerdings für die nette und ausführliche Erläuterung.

Der Student, der Klaus betreut hat, wird aufdringlich und meint, er könne unsere Haltung nicht verstehen. Warum wir kein Bild kaufen und damit die Studenten unterstützen wollten, will er nicht einsehen. Er lässt auch nach weiteren Neins nicht locker. Erst als Klaus meint, er solle sein Nein schliesslich respektieren und nicht unverschämt werden, lässt er ab und weist uns die Tür.

Wir sind die Opfer von einem Schlepperpärchen geworden, die ihr Schauspiel gekonnt dargelegt haben. (Anmerkung: auf unserer Rückreise haben wir die gleiche Art Zeichnungen am Flughafen für ein Viertel des uns angebotenen Preises gesichtet, dabei sind Flughäfen bekannterweise immer überteuert)

bekannte Skyline Shanghais, Pudong, gegenueber des "Bund"

bekannte Skyline Shanghais, Pudong, gegenueber des "Bund"

Der Service in Restaurants und Bars ist für uns ungewohnt und genügt unseren Ansprüchen bzw. Vorstellungen nur selten. Wahrscheinlich ist unser Urteilsvermögen durch den sehr zuvorkommenden und freundlichen Service in Kapstadt aber auch extrem beeinflusst und die Messlatte liegt dementsprechend hoch.
Selten lächelt die Bedienung, fragt nicht danach, ob das Essen zufriedenstellend ist oder ob es geschmeckt hat, achtet nicht darauf, dass Besteck und Glas beim Servieren am richtigen Platz stehen oder schenkt nur selten den Wein nach etc. Hier haben Shangahai´s Servicedienstleister in unseren Augen noch viel zu lernen.

Eine kleine Detour, eine Abzweigung von der belebten Fussgängerzone, durch eine der kleinen Gassen zwischen den emporwachsenden Hochhäusern lässt uns ein wenig "altes" Shanghai schnuppern.
Hier ist es dunkel, die höchstens zweistöckigen Häuser wirken Einsturz gefährdet und schmutzig. Wasser fliest über die Kopfsteinpflaster, Wäsche hängt an Stangen aus den winzigen Holzfenstern heraus und eine Familie sitzt auf Plastikeimern zum Mittagessen zusammen.

Von diesen Strassenzügen muss es noch unzählige in dieser Stadt geben und in naher Zukunft werden all diese Behausungen, samt Bewohner für das neue Stadtbild weichen müssen. Diese Menschen werden wahrscheinlich unfreiwillig ihre Heimat, ihr Lebensumfeld, ihre Lebensart ändern müssen und sie werden keine Gelegenheit bekommen, in die neue, sie erwartende Lebensform wachsen zu können.
Ich stelle mir vor, wie schwierig es gerade für alte Menschen sein muss, plötzlich ausserhalb der Stadt in einem der Wohnsilos zu leben. Der Prozess, welchen die Menschen hier durchleben, ist für uns schlicht unvorstellbar.

In der sogenannten "Old City" ist von einer ursprünglichen Stadtbesiedelung nichts zu verspüren. Die Altstadt Shanghai´s, hier als Touristenvergnügungsviertel, besteht aus nachgebauten Häusern, die die ursprüngliche chinesische Dachbauweise zeigen. Doch unter den spitz auslaufenden und verschnörkelten Dachstreben tummeln sich westliche Geschäfte und Fast-Food Ketten.
Vielleicht hätten wir den "Disney-Flair" ein wenig mehr geniessen können, wenn es nicht schon seit nachmittags regnen würde und wir seit 3 Stunden vergeblich ein freiesTaxi suchten.

Detour durch Shanghais Seitenstrassen

Detour durch Shanghais Seitenstrassen

Fussgaengermeile in Abendstimmung

Fussgaengermeile in Abendstimmung

wir, gemuetlich im Hotelzimmer

wir, gemuetlich im Hotelzimmer

In Shanghai ist nicht alles original, wie es auf den ersten Blick scheint.
Im Supermarkt finden wir zwei unterschiedliche Budweiser Biere, auf den ersten Blick identisch, nur der Preisunterschied beträgt ein Dreifaches. Das eine Original, das andere eine Nachahmung "made in china".

Nicht weit vom ordinären Supermarkt befindet sich Shanghai´s Billigmarkt "Xiangyang".
Schon beim Öffnen der Taxitüre werden wir von einer Menschentraube überrannt. Nicht weil sie auf ein Taxi gewartet haben, sondern sie uns Taschen, Uhren, DVDs, eben die übliche Pallette, für ganz billig verkaufen wollen.

Trotz einer fast unerträglichen Hitze und wenig Schatten, herrscht auf dem Markt reges Treiben.
Die einfachen Verkaufsstände vertreiben alles, was sich kopieren lässt. Von A wie Armani bis V wie Vuitton sind hier alle erdenklichen Markennachahmungen in diversen Ausführen vertreten.
Die Duplikate sind ihrem Original verblüffend ähnlich, wobei der Name hier mehr zählt als das Produkt selbst.

Obwohl jeder dritte Stand die gleichen Produkte verkauft, preisen sie sich alle als die Besten und Billigsten an und wenn ein Passant sich nicht aufmerksam zeigt, ziehen sie ihm auch schon einmal kräfig am Ärmel.

Doch was hier wirklich der beste Preis ist, wissen nur die Händler selbst. Die Touristen, die meinen, hier ein gutes Schnäppchen gemacht zu haben, schleppen ihre Beute tütenweise nach Hause.

Die örtliche Polizeit toleriert die Raubkopierer und stöbert ab und zu gerne selbst mal im DVD Sortiment, wie unser Reiseführer zu bekennen gibt. 90% der in Shanghai abgespielten Videos/Filme, so heisst es, sind fake.

Xiangyang (Billigmarkt)

Xiangyang (Billigmarkt)

Klaus bei unserem Fruehstueck im Hotelzimmer, im Hinergrund der Fernsehturm

Klaus bei unserem Fruehstueck im Hotelzimmer, im Hinergrund der Fernsehturm

Shanghai, eine Stadt im unaufhaltsamen Umbruch - für uns bleibt abzuwarten, welche Veränderungen die neue Weltmacht auch für uns mit sich bringen wird.

wir an der Promenade des Bunds, vor der Skyline Pudongs

wir an der Promenade des Bunds, vor der Skyline Pudongs

Vor uns liegt die Reiseroute der drei "S": Shanghai-Singapur-Sydney, welche wir mit Singapur Airlines bestreiten werden.
Dies bedeutet wieder netten zuvorkommenden Service, eigener Monitor und ein facettenreiches Unterhaltungsprogramm.

Wir fliegen über Nacht und erreichen Singapur gegen 5.30 Uhr in der Früh.
Bis zu unserem Flug auf den fünften Kontinent haben wir 12 Stunden Zeit in Singpur tot zu schlagen.
Die ersten drei Stunden verbringen wir auf dem Flughafen in einer der Ruheräume, die mit Liegen ausgestattet sind. Es gelingt uns sogar ein wenig Schlaf nachzuholen.
Nach einem leckeren Flughafenfrühstück aus Kaffee und Schokomuffin geht es dann wie schon bekannt mit der MRT U-Bahn ins Stadtzentrum.

Unser Plan sieht vor, sich in das uns bekannte Stamford bzw. Swisshotel der Raffles Gruppe einzuschmuggeln, am Pooleingangsbereich solange zu warten, bis ein anderer Gast mit seinem Kartenschlüssel die Türe zum Aussenpoolbereich öffnet und wir mit durchhuschen können.
Mit grosser Vorfreude auf einen relaxten Nachmittag am Pool mit Schwimmen, lesen und hoffentlich ein wenig Schlafen auf den bequemen Sonnenliegen, verlassen wir den U-Bahnbereich "City-Link".

Zu unserem Entsetzen erblicken wir an allen Eingängen des Hotels Sicherheits- und Polizeibeamte.
Ausgerechnet heute findet irgendeine Tagung des IOC, des internationalen olympischen Kommitees, in den Räumen des Stamford statt.
Auf den Schrecken nehmen wir erst einmal im naheliegenden Starbucks einen Eiskaffee zu uns, um unsere Situation weiter zu durchdenken.
Bei so viel Sicherheitspersonal ist es sicher aussichtslos überhaupt den Gästelift betreten zu können. Was sollen wir denn sonst den ganzen Tag in Singapur machen? So übermüdet wie wir sind kommt eine Shoppingtour oder Stadtexkursion nicht in Frage.

Wir wollen nicht vorzeitig zum Rückzug aufbrechen und so begeben wir uns zum Hoteleingang, der über die Shoppingmall erreichbar ist.
Bevor wir das Hotel betreten, werden unsere Rucksäcke durchleuchtet. Alles einwandfrei, Badesachen wurden nicht beschlagnahmt. Also geht es geradezu auf die Gästelifte. In der Hotellobby herrscht ein solcher Trubel von Journalisten und Fotografen, IOC Mitgliedern, Gästen und Sportlern, dass uns keiner als auffällig bemerkt.

Gerade als wir uns zur Türe begeben wollen, die zum Aussenpoolbereich führt, um dort auf eine günstige Gelegenheit zu warten, kommt eine Hotelbedienstete den Flur entlang. Eigentlich hätten wir in unseren langen Hosen und Hemden sowie den zwei bepackten Rucksäcken direkt ins Auge stechen müssen, da sich Hotelgäste üblicherweise nicht voll ausgerüstet zum Poolbereich begeben.
Klaus hockt sich nieder und gibt vor, etwas im Rucksack zu suchen, und ich warte in der Nähe der Türe.
Vor mir steht eine Frau, mit Handy telefonierend. Als die Türe aufspringt, schliesse ich mich schnell der fremden Frau an und halte die Türe für Klaus offen. Geschafft! Wir sind drin!
Schnell begeben wir uns auf zwei der freien Liegen und springen in unsere Badekostüme.

Bis 17Uhr geniessen wir den Nachmittag. Nach einer warmen Mahlzeit machen wir uns wieder auf, Richtung Flughafen.

Der Singapurer Flughafen ist uns mittlerweile fast so gut vertraut wie ein zweites Zuhause. Bei dem ganzen Unterhaltungsprogramm, welches dort geboten wird, fällt uns der Vertreib der weiteren 3 Studen nicht schwer.
Wir benutzen das freie Internet, stöbern durch die Zeitungsläden und finden uns schliesslich bei der Sportbar ein, wo eine Liveband Jazz spielt.

Der Singapurer Flughafen ist ein Paradebeispiel für einen kundenfreundlichen internationalen Flughafen, an dem sich manch andere Länder noch etwas abgucken können.

© Sandra tiedge, 2005
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Die Reise
 
Worum geht's?:
...nicht nur um dem Kapstaedter Winter in diesem Jahr zu entfliehen, sondern auch um in die vielen anderen Gesichter unserer Welt zu blicken. Unser Schluessel -ein flexibler Job und ein Round the world ticket der Star Alliance. Unsere Reiseroute in Stationen: Kapstadt - Koeln - Singapur - Koh Samui - Shanghai - Sydney - Maui - San Francisco - Calgary (Kanada) - Koeln - Kapstadt.
Details:
Aufbruch: 29.05.2005
Dauer: 5 Monate
Heimkehr: Oktober 2005
Reiseziele: Singapur
Thailand
China
Australien
Vereinigte Staaten
Der Autor
 
Sandra tiedge berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.