Onsen, Sushi und Grüner Tee: Reisebericht aus Japan

Reisezeit: November 2010  |  von Peter Belina

Koya-san

Im Zengarten "meines" Klosters..

Im Zengarten "meines" Klosters..

11.11.2010: Sex im Kloster?

Heute früh heisst es, von den anderen Abschied zu nehmen. Susi fährt noch Richtung Fujiama und Tokyo, die beiden anderen nach Hause bzw. nach Thailand. Ich aber fahre ins Kloster.

Mit der Keihan-Bahngesellschaft geht es wieder zurück nach Osaka, diesmal zum Yodoyabashi-Bahnhof, von dort aus per U-Bahn zum Namba-Bahnhof, wo dieNankai-Dentatsu-Gesellschaft eine Bahnlinie nach Gukurakubashi betreibt. Von dort geht es per Standseilbahn hinauf auf die Koya-san-Hochebene. Diese ist wie eine Lotusblüte von acht Bergen umgeben, was der Grund war, dass ab 816 zahlreiche Tempel und Schreine gebaut wurden. Schon die Anreise ist spektakulär. Für die nicht mal 100 Kilometer ist man mit Bahn, Standseilbahn und Bus über 2 Stunden unterwegs. Zunächst geht es durch die Vororte Osakas, an Spielhallen, Einkaufszentren und Fabrikruinen vorbei. Irgendwann wird die Bebauung lockerer, dann tauchen links und rechts Bergzüge auf. Quietschend und kreischend schraubt sich die Bahn auf engen Radien immer weiter nach oben. Die Bahnhöfe unterwegs liegen teilweise 100 Meter über de Ortschaften. Die Zahl der Tunnel und Brücken lässt sich gar nicht mehr zählen. Mit Mühe überholen wir einen Fußgänger. Dann sind wir endlich an der Endstation angekommen, der überraschenderweise gerade mal 539 Meter hoch liegt. Von hier bringt mich eine Standseilbahn nach oben, wo dann wiederum drei Busse warten. Ich nehme den Bus in östliche Richtung, zum Kloster Shojoshin-in, wo ich die kommende Nacht verbringen werde. Nach 15 Minuten und gefühlten 1.000 Haarnadelkurven stehe ich vor "meinem" Kloster. Beim Anblick des Klosters kommt Vorfreude auf, die nicht enttäuscht werden sollte.

Ein Mönch empfängt mich, bittet mich die Schuhe auszuziehen und organisiert mir ein paar große Schlappen. Bei der Anmedlung erläutert er mir, dass es um 17:30 Uhr Abendessen gibt, dazu bekomme ich einen Anruf und soll runter in die Halle kommen. Das Bad könne von 16 bis 21 Uhr genutzt werden. Ab 17 Uhr sind alle Tore bis auf eines geschlossen. Bei Interesse könne ich gerne an der Morgenzeremonie um 6:30 Uhr teilnehmen, anschließend gibt es Frühstück.

Er bringt mich hoch in mein Zimmer in der 2. Etage. Als er die Schiebetür öffnet, wir die Schlappen abstellen und mit Socken den Raum betreten, bin ich sprachlos: 2 große Räme, durch Shoji, also Raumteiler getrennt, die Fenster wohl aus Maulbeerpapier, fühle ich mich wie in einem Spielfilm oder einem anderen Jahrhundert. Der Boden ist komplett mit Tatami-Matten ausgelegt, während ich beim Abendessen bin, wird ein Futon mit drei dicken Decken zum Schlafen ausgelegt. Rechts habe ich einen eigenen Schrein, daneben Teekocher und Heizstrahler. Mittelpunkt des zweiten Zimmers ist ein etwa 30 cm hoher Tisch, umgeben von mehreren Sitzkissen und einer dicken Tischdecke, die bis zum Boden geht: Ein tibetanischer Ofen, den ich ja bereits aus Nepal kenne- man steckt seine Beine unter den Tisch, die schön war bleiben. Von diesem Tisch habe ich einen unglaublichen Blick auf den kleinen Zen-Garten und auf die Berge.

Eigentlich will ich gar nicht weg aus meinem Zimmer, viel zu schön hier. Aber ich will ja auch etwas sehen. Also raus aus dem Zimmer (Türen lassen sich nicht abschließen), Hausschlappen angezogen, rüber zur Toilette, Hausschlappen ausgezogen, Toilettenschlappen angezogen. Mein Gott! Diese Toilette hat ja noch viel mehr Funktionen, als die in Kyoto. Angenehm beheizt ist die Klobrille auch noch. Die Mönche haben Stil. Als ich mein Geschäft erledigt habe, raus aus den Kloschlappen (das WC ist übrigens auch nicht abschließbar), rein in die Hausschlappen. Der Zen-Garten lockt, also raus aus den Hausschlappen, rein in die Gartenschlappen. Und wieder umgekehrt. Als ich das Haus schließlich verlasse, wechsle ich die Hausschlappen wieder gegen meine Treckingschuhe.

Ich besuche den Garan, den heiligen Bezirk, mit seinen Pagoden und Hallen. Die große Pagode wurde erst kürzlich neu gestrichen; das Rotbraun auf den weißen Mauern mit den Herbstfarben drum herum machen sich sehr gut. Man merkt, dass wir auf gut 900 Meter Höhe sind, überall gelb und rot, vor allem auch der japanische Ahorn mit deinen kleinen 2-3 cm großen Blättern.

Überhaupt das Wetter: Bis jetzt war es immer trocken, die ersten Tage tagsüber um die 20 Grad, in Kyoto Anfangs knapp 30 Grad, gestern um die 10 Grad. In Kyoto war es heute früh wieder so an die 20 Grad, hier oben dürfte es eher 10 Grad warm sein.

Punkt 17:30 Uhr klingelt mein Telefon, ich möchte mich bitte zur Halle hinunterbegeben. Dort führt man mich in meinen privaten Essraum, etwa 15 bis 20 qm groß, mit Tatami-Matten ausgelegt und mit zwei je 10 cm hohen Tischen in der Mitte und einem Sitzkissen davor. Ein Dutzend Tässchen und Töpchen warten darauf, von mir erforscht zu werden. Während ich noch überlege, womit ich anfange, kommt ein Mönch auf Knien ins Zimmer und bringt noch mehrere Töpfe mit warmen Speisen und ein Kännchen mit Tee.

Schaut alles unglaublich toll aus. Es handelt sich übrigens um ein vegetarisches buddhistisches Essen, also ohne Fleisch, ohne Fisch und (das ist der Unterschied zu uns) ohne Knoblauch. Schmeckt auch (fast) alles sehr gut, obwohl es zuweilen etwas eigen aussieht. Natürlich gibt es Reis, nicht fehlen können in Japan Bohnen, in diesem Fall kleine rote. Verschiedene Sorten Tofu, dann wohl yuba (abgeschöpfte Sahne von Tofu), kleine weiße Pilze mit dünnen blauen und roten Linien, wildes Gemüse, Nudeln in einer Brühe, Seealgen und -gras und etwas, das ich zum ersten Mal sehe, aber schnell zu schätzen lerne: Tempura, Gemüse, das in einem lockeren Teigmantel frittiert wurde. Hinzu kommen weitere Töpchen mit gut schmeckendem, aber nicht definierbarem Essen.

Da es in Privathäusern, Ryokans (japanischen Gasthäusern) und Klosteranlagen keine abschließbaren Türen gibt, macht das mit den Schlappen seinen Sinn. Wenn vor meinem Zimmer die Schlappen stehen, weiß jeder, dass ich im Zimmer bin, wenn Schlappen vor der Toilette stehen, weiß man, dass die Toilette besetzt ist. Theoretisch zumindest. Wenn eine Amerikanerin mit ihren Hausschlappen den Thron besteigt, musste es kommen, wie es gekommen ist. Ich komme vom Essen, ah, die Toilette ist frei, mache die Tür auf und ein Schrei erfolgt, definitiv nicht von der High-Tech-Toilette! War recht geladen die Lady, als sie rauskam. Das Ende vom Lied: Sie entschuldigt sich bei mir für die inadäquate Benutzung der Hausschlappen.

Ich muss mir angewöhnen, die täglichen Erlebnisse kürzer zu fassen, eine Story möchte ich Euch aber nicht vorenthalten: Nachdem ich noch mal im Garan war, wo die verschiedenen Pagoden bekleuchtet waren, nehme ich noch ein Bad. Ich hatte mich im Vorfeld eingelesen, so dass ich mich nicht laufend vollständig blamiere (Danke, Uschi, für das Buch "Gebrauchsanweisung für Japan", ist äußerst hilfreich!) Ich ziehe also meine Yukata an, eine Art dünner Bademantel, nehme meine zwei Handtücher und gehe ins Bad. Nach dem Blick aus meinem Zimmerfenster auf den Zengarten meine zweite meditative Erfahrung heute. Vor mir eine große Holzbadewanne, edel und elegant. Aber auch groß und tief. Zum ersten Mal in meinem Leben (zumindest seit ich meine Sollgröße erreicht habe), kann ich in einer Badewanne meine Beine ausstrecken und bekommt auch mein Oberkörper genug Wasser ab.

Aber vor der Kür kommt erst noch die Pflicht. Ich setze mich auf einen kleinen Hocker, seife mich ein, wasche mich mit dem kleinen Handtuch ab, spritze mich ab. Das Wasser der Badewanne wird nicht gewechselt, deshalb macht man sich sauber, bevor man sich in die Wanne setzt.

Heute bin ich endgültig in Japan angekommen!

© Peter Belina, 2010
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Japan ist anders. Japan ist eine Herausforderung. Japan ist ein Erlebnis. Japan nervt. Japan begeistert. Japan ist unglaublich vielseitig. Eine tolle Reise liegt hinter mir. Von Osaka aus ging es immer Richtung Süden mit Kurokawa-onsen, einem versteckten Bad, Nagasaki, einer Traumstadt, dem Mt. Aso, einem tollen Berg, den Klostern auf Koya-san und Kyoto mit seinen schönen Tempeln als Highlights.
Details:
Aufbruch: 05.11.2010
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 26.11.2010
Reiseziele: Japan
Der Autor
 
Peter Belina berichtet seit 14 Jahren auf umdiewelt.
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