Taiwan für ein halbes Jahr

Reisezeit: November 2009 - Mai 2010  |  von Michael Geiger

Taipei Woche 4

Hier hat mich mittlerweile der, wenn man das so nennen kann, Alltag eingeholt. Unter der Woche immer von 8 bis 18 Uhr im Labor arbeiten zwischendrin noch ein bisschen chinesisch lernen und an den Wochenenden dann was erleben.
Letztes Wochenende wurden wir "Internationalen" zu der Aufzeichnung von "Taiwan's Super Idol" (Taiwan sucht den Superstar) eingeladen. Eine Studentin, die hier an der Tatung University studiert und auch mit uns im Wohnheim wohnt ist in die Endrunde gekommen und ihre Freunde sind zu ihrer Unterstützung ins Studio gefahren. Da es hier immer etwas Besonderes ist, wenn man Langnasen kennt, wurden wir gefragt, ob wir nicht mitkommen wollen. Klar, das lass ich mir nicht entgehen! Am Studio angekommen wurden wir gleich mal vom Redakteur gefragt, ob wir denn nicht ein Interview geben wollen. Und schon fingen die Probleme an. Das Mädchen, das wir unterstützen sollen heißt nämlich Yinjing. Eigentlich ja kein Problem mal kurz vor ner Kamera zu sagen, das man Ing Yinjing -Fan ist. ABER: Wenn man einen Buchstaben von ihrem Namen in der falschen Tonlage ausspricht, dann bedeutet es halt auf chinesisch "Penis". Es kommt natürlich mal richtig geil rüber, wenn man im Fernsehen vor fast ganz Taiwan sagt: Ich bin Schwanz-Fan! Also haben wir erstmal ne Ewigkeit geübt, ihren Namen richtig auszusprechen, was gar nicht so einfach ist. Hört sich alles komplett gleich an. Ich habe z. B. 4 mal hintereinander, für mich gefühlt, den Namen von dem Mädel identisch auszusprechen, 2 mal richtig, 2 mal Schwanz.... aber bei mir hats dann doch irgendwann geklappt. Im Gegensatz zu den Spaniern, die waren nach 45 Minuten immer Schwanz-Fan, deshalb haben wir uns darauf geeinigt, dass Joshua oder ich im Falle des Falles vor der Kamera sprechen werden. Um 12 Uhr fing dann die Aufzeichnung an, und es war der Horror! 30 mal wurden chinesische Schlager getrellert, Moderator war eine Frau, die früher mal ein Mann war, und immer noch wie Knecht Ruprecht lacht und natürlich wurde nur chinesisch gesprochen. Sitzen mussten wir auf winzig kleinen Holzbänken, die so nahe beieinander standen, dass Füße mit Schuhgröße 46 unmöglich dazwischen rein passen. Die Aufzeichnung dauerte bis 19 Uhr, man durfte dazwischen weder aufs Klo gehen noch aufstehen und wir wurden fast ständig gefilmt und mussten also immer schön grinsen, selber schuld, wenn man als Langnase in ne Fernsehsendung geht Am Ende hatten wir aber dann doch Glück, da keine Zeit mehr für ein Interview war und das war auch gut so, denn ich konnte inzwischen den Namen natürlich nicht mehr richtig aussprechen! Als Fazit kann ich nur sagen, dass es mal interessant war in nem taiwanesischen Fernsehstudio zu sein und zu sehen wie bei denen so das Superstargesuche abläuft: Prinzipiell gleich, mit Jury und Gesinge aber es wurde sich weder auf der Bühne gefreut noch geweint, wenn gewonnen oder verloren wurde, es wurde immer nur gleich gelächelt. Und ich habe einen neuen Feind: Chinesische Schlager, fürchterlich würde ich nicht mal meinen Feinden Wünschen!!! Außerdem kann ich nicht verstehen, dass Leute freiwillig in so ein Studio gehen... Ok, vielleicht, weil se was verstehen, kleine Bänke gewohnt sind und keine Schuhgröße 46 haben

Jubelchinesen, die sich das alles freiwillig antun.

Jubelchinesen, die sich das alles freiwillig antun.

Lang lebe der chinesische Schlager

Lang lebe der chinesische Schlager

Am Donnerstag habe ich wieder Besuch von meinem Professor aus Deutschland bekommen, der wieder in Asien unterwegs war und mich mal kurz mit nach Kaohsiung (Siehste, man sieht sich immer zweimal!) mitgenommen hat. Dort haben wir zusammen eine sehr interessante Firma besichtigt, die Dünnschichtsolarzellen mit einer ganz neuen Technik herstellt und richtig was zu bieten hatte. Für mich war es mal wieder interessant zu sehen, was man mit der guten alten Verfahrenstechnik so alles machen kann. Die hatten in ihrer Fabrikationshalle so ziemlich alles Stehen, was ich im meinem Studium incl. Praktika kennenlernen durfte. Noch besser war es natürlich mal mitzubekommen, wie es hier in Asien in den Firmen so abläuft, wie Geschäfte gemacht werden, bzw. wie Geschäftspartner empfangen und hofiert werden.

Ich hab euch ja noch gar nicht von meinem neuen Hobby erzählt: Geocaching! Für alle, die das nicht kennen erklär ich das mal kurz: Auf der ganzen Welt haben Geocacher an den unterschiedlichsten Orten Caches (Schätze) versteckt und die Koordinaten davon im Internet veröffentlicht. Wenn man jetzt einen GPS Empfänger hat kann man die Koordinaten eingeben , sich an die Stelle führen lassen und dort dann nach den Schatz suchen. Für alle, die hier Profit wittern: Nee, is nicht, der Cache besteht meistens aus einem wasserdichten Behälter, in dem sich ein Logbuch, in dem man sich eintragen kann und irgendwelche Dingen die man Tauschen kann. Also sowas wie ne Schnitzeljagt für große. Macht richtig Spaß, vor allem weil man so an Orte kommt, die man sonst nie aufgesucht hätte und bei denen sich der, der den Cache versteckt hat, sich auch was gedacht. Oft stehen noch interessante Infos zu Ort oder Hinweise im Cache, also genau das Richtige, um ein bisschen rumzukommen(Danke Christian für den Tipp). Auf einer Elektronikmesse habe ich mir also die Grundvoraussetzung relativ günstig gekauft: Einen GPS Empfänger, und schon kanns los gehen.
Am Wochenende bin hatte ich endlich mal Zeit, um in die YangMing Mountains zu fahren. Das ist ein Nationalpark nördlich von Taipei, der aus mehreren "Bergen" von bis zu 1200m Höhe besteht. In der Früh um 7 Uhr gings los mit dem Bus in den Park. Hier bin ich dann den ganzen Tag die Hügel rauf und runter geklettert und habe gleichzeitig noch ein paar Schätze gehoben. Aber jetzt erstmal alles der Reihe nach: Nach ca. 30 Minuten ist der Bus schon im Zentrum des Parks angekommen. Der erste Schatz führte mich zu einem riesigen Springbrunnen und nach ca. 30 min suche hab ich ihn dann auch gefunden. Also ins Logbuch eingetragen, Foto gemacht, Schatz wieder zurückgelegt und die Landschaft genossen.

YangMingShan

YangMingShan

Treffer, Schatz gehoben!

Treffer, Schatz gehoben!

Der Weg, unter dem Weg, die nur durch einen Wasserfall verbunden sind... Viel schöner als auf der Autobahn!

Der Weg, unter dem Weg, die nur durch einen Wasserfall verbunden sind... Viel schöner als auf der Autobahn!

Auf einem Wegweiser hab ich dann gelesen, dass in ein paar km ein Wasserfall sein soll, also bin ich in diese Richtung gegangen und es war wirklich schön da. Das fanden wohl auch die 15 Chinesen, die unten am Wasserfall standen und saßen um sich dort zu meditieren. Der nächste Schatz hat mich dann in die Nähe eines beliebten Wanderweges geführt (Beliebter Wanderweg heißt hier so viel wie Wanderautobahn) . Nur dummerweise war der Wanderweg oben und die Koordinaten haben mich nach unten geführt und es war sau steil! Also hab ich mich erstmal umgeschaut, hab aber keinen anderen Weg nach unten gefunden außer einem ausgetrockneten Wasserfall. Wow, das gab nen Menschenauflauf und die haben mal richtig entsetzt geglotzt, als irgend so eine Langnase den Wasserfall hinunter geklettert ist! Keine Ahnung, was die mir hinterher gerufen haben, wahrscheinlich hatten sie Angst um mich, denn ein guter Chinese verlässt nie den vorgegebenen Weg! Ich schon, das ist genau das Richtige für mich. Irgendwann war ich dann außer Sicht- und Rufweite der Menge und die konnten wieder auf ihrem Weg zusammen mit vielen anderen die "Natur" anguggen. Hier unten war es viel schöner und so schön ruhig. Zack Schatz gefunden Mittagspause gemacht und Energie für den Aufstieg auf den Gipfel getankt. TaTunShan war mit 1100m zwar nicht allzu hoch aber gehörig Steil. Von oben soll man dann einen super Ausblick haben. In Norden sieht man die Pazifikküste von Nord Taiwan und im Süden kann man Taipei überblicken. Denkste, mal wieder ist genau rechtzeitig zum Aufstieg schlechtes Wetter aufgezogen, so dass dann rechtzeitig zur Ankunft Regen und Wind mit Orkanstärke einsetzte.

I muas aufi, aufi aufn Berg!!!

I muas aufi, aufi aufn Berg!!!

Oben

Oben

Aber jetzt hab ich auf jeden Fall einen Grund noch einmal hierher zu kommen und das schlechte Wetter hatte die positive Nebenwirkung, dass ich schön alleine hier oben war. Das weiß man vor allem dann zu schätzen, wenn man erlebt hat, wie Chinesen sich so in der Natur verhalten: Immer in Gruppen von mindestens 5 Personen und es muss immer laut sein, entweder werden chinesische Schlager (GRRRR!!) lauthals geträllert oder natürlich man hat ein Radio oder ein Handy mit leistungsstarkem Lautsprecher dabei, mit dem man dann herrlich chinesische Schlager abspielen kann. Manchmal konnte ich gleichzeitig 5-6 unterschiedliche Gossenhauer gleichzeitig genießen! Die Ruhe genießend habe ich dann noch 2 weitere Gipfel "gemacht". Ihr glaubt nicht, wie gut es tut, nach 4 Wochen Dauerlärm in Taipei mal kein Rollergeknatter, Gehupe oder sonstigen Lärm zu hören. Da der Nationalpark so nahe an Taipei liegt bin ich am Ende des Tages nach Taipei hinein gelaufen und bin mit den MRT zurück zum Wohnheim gefahren. Um 20 Uhr bin ich dann fertig aber glücklich mit ein bisschen getankter Ruhe und 4 gehobenen Schätzen im Wohnheim eingelaufen.

Jetzt noch was zum schmunzeln zum Schluss: Ich hab mittlerweile nen ordentlichen Schnupfen, das ist zwar nicht zu lachen aber der Grund: Die Chinesen und ihre Liebe zu Klimaanlagen. Im Sommer ist es ja ganz nett, Draußen: 33°, Drinnen:22°. Aber: Winter: Draußen: 20°, Drinnen: 14°!!!!! Letztens war ich in ner eigentlich ganz netten Kneipe mit guter live Musik. Draußen war es ganz angenehm aber drinnen war es aufgrund der Klimaanlage so kalt, dass die Bedienungen sich immer heißes Wasser in Gläser gefüllt habe um ihre Hände zu Wärmen und die Mädels saßen nicht im leckeren Kleidchen an der Bar sondern im Wintermantel mit übergezogener Fellkapuze. Auch wenn ihr es vielleicht nicht glaubt, aber es hat sich jetzt schon 5!!!! Mal die folgende Szene mit unterschiedlichen Gesprächspartnern fast immer gleich abgespielt, das letzte Mal in der besagten Kneipe:
Michi: Sag mal, warum ist es bei euch in Taiwan im Winter drinnen immer so kalt?
Taiwanese: Weil wir keine Heizung haben.
Michi: Ja klar, aber warum macht ihr dann nicht wenigstens die Klimaanlage aus?
Taiwanese: Hmm, stimmt eigentlich, keine Ahnung!

Noch Fragen??

So Leute, ich versorg euch hier immer mit den neusten Storys aus Taiwan und von euch kommt nix. Ich weiß nicht mal, wer und noch schlimmer, ob überhaupt jemand meine Berichte liest! Also meine Forderung: Infos von mir gibt's nur noch, wenn ich von euch auch Infos aus der Heimat bekomme! Deshalb: Ballert mal das Gästebuch voll, damit ich auch mal was zu lesen habe. Ich will wenigstens wissen, wer sich so alles meine Storys reinzieht!

Als nächstes gehts am Wochenende dann ins East Rift Valley National Scenic Area. Bin auf ne Promotour von der Regierung eingeladen worden, ich glaub da gibts dann wieder einiges zu erzählen, aber ihr wiss ja, nur wenn......
Also Leute, lasst was sehen!

In unserer Bibliothek: Danke für den Hinweis, jetzt brauch ich nur noch den Hinweis, wann genau das Erdbeben anfängt.

In unserer Bibliothek: Danke für den Hinweis, jetzt brauch ich nur noch den Hinweis, wann genau das Erdbeben anfängt.

Santa Clause is coming to town...

Santa Clause is coming to town...

© Michael Geiger, 2009
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Ich verbringe ein halbes Jahr in Taipei, Taiwan um dort meine Diplomarbeit an der Tatung University zu schreiben. Hier habt Ihr die Möglichkeit zu erfahren, was ich alles so erlebt habe und wie es ist, in Taiwan zu leben.
Details:
Aufbruch: 04.11.2009
Dauer: 6 Monate
Heimkehr: Mai 2010
Reiseziele: Taiwan
China
Der Autor
 
Michael Geiger berichtet seit 14 Jahren auf umdiewelt.