China / Tibet - Lhasa

Reisezeit: Juni 2005  |  von Wolfgang Baum

Der Potala Palast

Am nächsten Morgen geht es auf eine geführte Tour durch den Potala-Palast. Eine nicht unerhebliche Kraftanstrengung in über 3.700 Metern. Der Palast ist in einen Hügel hineingebaut und wächst so optisch aus dem Fels heraus, um sich exponiert über die Stadt zu erheben. Als Schikane von chinesischer Seite aus, hat man das Regierungs- u. Verwaltungsgebäude direkt zu Füßen des Potalas gebaut, um politischen Machtanspruch über Weltkulturerbe zu stellen. Eine architektonische Provokation ! Der Anstieg auf den Hügel bis zum eigentlichen Treppenzugang zum Palast raubt ihm schon erste Kräfte und auch die Gruppe legt regelmäßige Atempausen ein. Schweiß fließt, trotz der moderaten Temperaturen von vielleicht 15 - 20 Grad. Durch lange, dunkle Gänge in der typisch rost-roten Farbe des Mittelteils führt der Anstieg hinauf über steile Treppen, vorbei an Buddha-Statuen, Räucherstäbchen, Bildern, Wandteppichen, Opferkerzen aus Yak-Fett, Gebetsmühlen u. - schriften, Sitzecken, Wand- u. Deckenbehang. Alles etwas dunkel, während der Geruch der Räucherstäbchen und Kerzen tranig in der dünnen Luft wabert. So windet man sich die 13 Stockwerke hoch und die Zimmer, Hallen und Exponate werden immer bedeutungsvoller und heiliger. An den ehrfürchtigen Gesten und Gesichtern der betenden Tibeter kann man dies deutlich ablesen. Hier sind sie im Gegensatz zum allgemeinen Stadtbild in der Unterzahl, während der Strom der Touristen hier deutlich Überhand nimmt. Vorrangig Chinesen, aber auch Reisegruppen von "Langnasen" sind hier nicht mehr zu übersehen. Er hört Stimmen, die klingen wie die finnische Sprache, doch auf seine Nachfrage bestätigt man ihm, dass sie aus Estland kommen. Spektakulär die zwischenzeitlichen Blicke aus den kleinen Fenstern der Frontpartie auf die tief unter ihm gelegene Silhouette von Lhasa. Vereinzelt sieht man Mönche als Aufsichtspersonal auf mit Teppichen belegten niedrigen Bänken hocken und es erinnert ihn in Verbindung mit den Düften manchmal etwas an die Parties der frühen 70-er Jahre, oder an seine Ausflüge nach Amsterdam, wenn er als Wochenend-Aussteiger mit Rotwein und Gitarre zwischen den Hippies auf dem Platz vor dem Grand-Hotel Krasnapolski saß und die Nacht dann in seinem VW-Käfer an den dahinter liegenden Grachten verbrachte. Als er die oberste Etage erreicht, spielt er - --angestachelt von der Reiseleiterin- den Erstaunten und Ehrfürchtigen. Wir betreten hier nämlich die Privatgemächer und den Thron der früheren und des amtierenden 14. Dalai Lama. Viele Statuen, schwere, dunkle Wandteppiche, Ornamente, Kerzen und Gebetstexte verdunkeln hier den heiligen Raum und der Flüsterton der Reiseleiterin zollen diesem Ort die entsprechende Würde. Er merkt schon, dass er jetzt am höchsten Heiligtum des tibetischen Buddhismus angekommen ist, dem Sitz des im indischen Exil lebenden weltlichen und religiösen Oberhauptes der Tibeter. In den 30-er Jahren wurde er der Tradition entsprechend als 3-jähriges Kind zur Inkarnation des 13. Dalai Lamas zu dessen Nachfolger erkoren. Die wenigen letzten Schritte führen dann hinauf aufs Dach des Potala in die gleißende Höhensonne, die steil über der Stadt steht.

Von hier oben sieht er genau die sich langsam voran bewegenden Menschenketten, wie sie in ritueller Handlung unter dem Drehen ihrer Gebetsmühlen die drei imaginären Kreise durch die Stadt verfolgen Heute ist ein besonderer Feiertag der Buddhisten und ungezählte, meist ältere Tibeter bevölkern die Straßen in ihren Hüten und Trachten. Der erste kleine Kreis führt um den Jokhang-Tempel im Zentrum von Lhasa. Nachdem man diesen Weg mehrmals abgeschritten ist, bewegt man sich auf den 2., schon weitläufigeren Ring, bevor man dann den 3. Ring begeht, der vorbei am Potala-Palast in einer großen Schleife durch die Stadt führt. Am Morgen vor dem Aufstieg zum Potala hat er in ihre Augen gesehen und die Kraft erkannt, die die Religion diesen naturgläubigen Menschen verleiht. Alles, auch die geschäftige Betriebsamkeit auf den vielen Baustellen ist bestimmt von der Achtung vor den Bergen. Sie geben den Menschen Halt und Selbstbewusstsein.

© Wolfgang Baum, 2005
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Die Reise
 
Worum geht's?:
6 Tage Tibetrundreise Autor: Wolfgang Baum
Details:
Aufbruch: 04.06.2005
Dauer: 6 Tage
Heimkehr: 09.06.2005
Reiseziele: Tibet
Der Autor
 
Wolfgang Baum berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
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