MOSKAU - PEKING 2009

Reisezeit: Juli / August 2009  |  von Roland Bässler

Von Moskau nach Irkutsk

Der Zug (Nr. 10 "BAJKAL") wurde erst eine halbe Stunde vor der Abfahrt auf Bahnsteig 1A eingeschoben" (liegt im eigentlichen Bahnhofsbereich des angrenzenden Leningrader Bahnhofs). Es blieb somit noch viel Zeit das Treiben auf dem nächtlichen Bahnhof zu beobachten.

Der Häufige Blick auf die Zuganzeige hatte ein Ende, der Zug ist eingefahren und bereit zum besteigen. Der Weg zu meinem Waggon war sehr weit, der fünfte Wagen (also weit vorne) bei insgesamt 21 Waggons.

Nach umsichtiger Prüfung der Fahrkarte und meiner Personaldaten im Reisepass durch die Schaffnerin, durfte ich (in Waggon 5) das Abteil mit Liege 17 beziehen. Nach Ablage des Rucksackes habe ich noch rasch ein paar Schnappschüsse von der kräftigen Doppellok und den Waggons gemacht. Pünktllich und lautlos (ohne Durchsage) erfolgte die Abfahrt um 23:25 Uhr nach Irkutsk in Sibirien. Die Fahrzeit wird knapp mehr als vier Tage dauern!

Im Abteil war ich anfangs nur mit Alexander zusammen, einem Russen, von Beruf IT-Spezialist mit Arbeitsschwerpunkt Networking-Systems. Er war in Moskau auf einem fachspezifischen Weiterbildungskurs und fährt nun zurück in seine Heimatstadt Krasnojarsk - liegt etwa 1.000 km vor meinem Reiseziel. Im letzten Moment sind noch zwei Studentinnen aufgetaucht, sie werden bis Kirow (zweiter Stopp) nach Hause fahren.

Ich habe mein Quartier im 4-er-Abteil unten bezogen. Bettwäsche und ein Handtuch werden zur Verfügung gestellt. Der Zug ist relativ leise, der Liegekomfort ausgezeichnet gut. Der Stauraum unter der Sitz-/Liegebank geräumig, man kann sich auch zu viert wohlfühlen. Aircondition ist im ganzen Wagon wirksam. Der Boden ist mit einem Teppich belegt. An den beiden Waggonenden befinden sich die Toiletten mit einer kleinen Waschnische. An einem Waggonende hat die Schaffnerin ihr Dienstabteil, davor steht der Samowar, das typische russische Heißwassergerät. Teegläser gibt es bei der Schaffnerin. Trinkwasser gibt es an einem Zapfhahn beim Dienstabteil.

Wir haben uns noch bis 2 Uhr unterhalten, und dann war Nachtruhe angesagt.

3. Tag/25.07./Sa Transsibirische Eisenbahn

Der Zug rollt in Richtung Irkutsk - nach Sibirien. Nach 280 km macht die Transsibirische Eisenbahn das erste Mal nach der Abfahrt aus Moskau in Jaroslaw halt. Davon habe ich aber im Schlaf nichts mitbekommen.
INFO: Die Stadt Jaroslaw wurde nach Jaruslawl dem Weisen benannt, der einen sibirischen Bär mit einer Axt erschlagen haben soll. Im Inneren der 1000-jährigen Stadt trifft man auf wunderschöne altrussische Architektur, so dass man den Innenstadtbereich fast als Freilichtmuseum bezeichnen könnte. Verkehrstechnisch ist Jaroslawl ein Knotenpunkt zwischen der Transsib und der Wolga.
Ich habe fest und tief bis etwa 10 Uhr geschlafen. Ein sonniger Tag bricht an, der Zug rollt durch flache Wald- und Wiesenlandschaft, manchmal vorbei an Orten oder Einsiedeleien mit den typischen Holzhäusern. Zum Frühstück habe ich mir einen Instantkaffee gemacht.

Pünktlich zu Mittag um 12:06 Uhr hält der Zug nach 957 km zum zweiten Mal: in Kirow.

INFO: Der Ort Kirow mit seinen 600 000 Einwohnern ist hauptsächlich geschichtlich interessant. 1934 wurde Sergei Kirow, der in dieser Region geboren wurde, in St. Petersburg ermordet. Seinen Tod missbrauchte Stalin um seine Massensäuberungsaktion zu begründen, die letztlich 10 Millionen Menschen das Leben kostete.

Die beiden Studentinnen verlassen den Zug. Wir sind nunmehr zu zweit im Abteil und da hat man schon sehr viel Platz.

Im Zugabteil ist ein relativ großer Tisch, hier haben wir Platz für Ablagen und auch zum Abstellen des Netbooks. Ich habe viel Zeit zum Verfassen der Blogs, um die vorbeiziehende Landschaft zu beobachten, Fotos zu machen und mit der Seele zu baumeln. Zu Mittag gab's aus "eigener Küche" Suppe (Trockensuppe mit Heißwasser aufgebrüht aus dem Samowar), Käse, Tomaten und Gurkerl, Brot und Kaffee.

Der Zug durchquert nun den europäischen Teil Russlands. Es folgen noch zwei Stopps.
An den Bahnhöfen kann man sich mit Proviant eindecken. Am besten tut man das bei den "Babuschkas", den Großmüttern, die sich so den Lebensunterhalt verdienen, Ich kaufe mir Gemüse und eine warmes Kartoffeltatschkerl, Salat und Obst.

18:45 Uhr: Noch immer rollt der Zug durch eher kaum besiedeltes Wiesen- und Waldgebiet. Es hat zu regnen begonnen.
19:15 Uhr: Man merkt, die Zugtrasse führt leicht bergauf.

Der nächste größere Stopp ist um 19:57 Uhr, in Perm, bereits 1.434 km von Moskau entfernt. Hier spielte sich auf dem Bahnsteig - vergleichsweise zu den vorangegangenen Aufenthalten - nichts ab: keine Babuschkas, keine Händler!
INFO: Perm, die Stadt im Ural, war als Bindeglied zwischen Russland und Sibirien schon immer ein wichtiger Ort. Bereits vor dem Bau der Transsibirischen Eisenbahn war hier der Beginn der Poststraße nach Osten. Das Teilstück Perm-Jekatarinenburg war 1878 einer der ersten Abschnitte des Projektes der Transsibirien-Expreß. In heutiger Zeit erlebte Perm in den Sechzigerjahren durch die größten Erdölraffinerien des Landes seinen wirtschaftlichen Aufschwung.

Die Aufenthalte in den Stationen dauern etwa 20 Minuten, die Pünktlichkeit wird "groß geschrieben"! Der Zug rollt leise ab.

Die Uhr ist jetzt um weitere zwei Stunden vor zu stellen. Das mache ich aber nicht, da sämtliche Zugzeiten von der Moskauer Zeit ausgehen. Im Vergleich zur MEZ (in Wien) ist es hier bereits um 4 Stunden später.

Soeben komme ich von der ersten Erkundungstour durch den Zug zurück. Es hängen etwa 16 Waggone daran, darunter Großraumschlafwaggons, voll gefüllt mit Reisenden (da möchte ich nicht sein!), ein Waggon mit 2-er Kabinen, vorwiegend aber Waggone mit 4-er Kabinen, ein Speisewagen (Speisekarte auf Englisch! Auch das Personal spricht Englisch! Wohlgemerkt: das sonstige Zugpersonal spricht nicht Englisch) und ein Gepäckwagen. In einem der mittleren Waggone gibt es eine Dusche, die gegen Gebühr benutzt werden kann.

Im Nachbarabteil reist eine russische Familie. Ein stämmiger Russe, der seit seiner Jugend (damals zu Sowjetzeiten) in Litauen lebte, jetzt aber in Russland, seine sehr attraktive Frau und ihr Sohn. Sie führen Restaurantbetriebe, einen davon in St. Petersburg. Sie erzählten mir, dass sie jährlich mehrmals zu verschiedenen Destinationen in der Welt verreisen, Jetzt sind sie unterwegs in die Berge rund um den Baikalsee zum Wandern und Reiten. Mit dabei haben sie deren Chefkoch als Gast. Bei Tee und russischen Leckereien haben wir uns gut unterhalten und kennen gelernt.
In einem anderen Abteil reist auch eine russische Familie, die kein Wort Englisch spricht. Ich hatte in deren Abteil mein Netbook zum Laden gehabt, der Herr hat nämlich einen Steckdosenverteiler, und dieser ist bei der spärlichen Versorgung mit Steckdosen im Waggon (nur zwei im Korridordurchgang) schon sehr vorteilhaft.

Der Tag klingt "außen" regnerisch aus, im Zug fühle ich mich rundum sehr wohl. Nach mehreren Schachpartien war's dann bereit Mitternacht und mich hatte der Schlaf gepackt. Gute Nacht!
In der Nacht erfolgt die Überquerung des Urals und somit der Grenze zu Asien.
Nach 1777 Kilometern und der Uralüberquerung erreichen wir schließlich Sibirien. Der Kilometerstein 1777, ein etwa 4m hoher Obelisk markiert die Grenze zwischen Europa und Sibirien.

INFO: Der Gebirgszug des Ural erstreckt sich über 2.500 km von der kalten Tundra im Norden über Taiga und Waldsteppe bis zur Wüstensteppe im Süden und trennt den europäischen Teil Rußlands vom asiatischen. Meine Erwartung, dass sich der Ural als gewaltiges Gebirgsmassiv am Rande Europas sichtbar macht, erfüllte sich nicht. Im Mittelabschnitt des Kamms, den die Streckenführung der Transsib überquert, bewegt sich auf einer Höhe zwischen 400 und 500 Metern ü.d.M. Seine höchste Erhebungen erreicht das Gebirge jedoch im Norden (1.894 m) und im Süden (1.638 m).

4. Tag/26.07./So Transsibirische Eisenbahn

Nach Mitternacht (um 1:41 Uhr) erreicht der Zug Jekaterinenburg [Ekaterinburg] (1815 Kilometer von Moskau entfernt).

INFO: Die 1,3 Millionen Einwohner zählende Stadt Jekaterinenburg wurde 1721 gegründet und erhielt ihnen Namen nach Kaiserin Katharina II, der geborenen Prinzessin Sophie Friederike Auguste von Anhalt-Zerbst. Während der Revolution wurde hier Zar Nikolaus II, seine Frau und seine Kinder durch Bolschewisten ermordet. Nach der Revolution wurde die Stadt in Swerdlowsk umbenannt. Der Name hierfür kam durch den Revolutionär Jakob Swerdlow, der den Befehl zum Zarenmord gab und später einer der ersten Präsidenten der Sowjetunion wurde. Mit der Perestrojka und der Wende begann die 1991 erfolgreiche Suche nach den sterblichen Überresten, deren Identifizierung auf der Basis von DNAN-Analysen entfernter Nachfahren der Romanov-Dynastie gelang. Die sterblichen Überreste der Zarenfamilie wurden 1998 in der Petersburger St.-Pauls-Kathedrale in allen Ehren bestattet.

Um 6:22 Uhr (Moskauer Zeit, dies ist 8:22 Uhr Orzszeit) erreicht der Zug Tjumen, die erste Großstadt hinter dem Ural, bereits 2.144 km von Moskau entfernt. In tiefem Schlaf habe ich den Aufenthalt "verpasst"
INFO: Tjumen wird die Mutter der sibirischen Städte genannt, da sie die erste Stadt in Sibirien war. Von ihr aus schritt die russische Expansion gen Osten voran. Rasch entwickelte sich die Kohle-, Pelz und Lederindustrie, so dass der Verlauf der Transsib geändert werden musste, um die Stadt an den Weltmarkt anzubinden. Als in neuerer Zeit die Öl- und Gasgewinnung hinzu kam, entwickelte sich die ganze Region zum Verwaltungszentrum Sibiriens. Auch heute spürt man diese Aktivitäten von damals immer noch. 15% des gesamten Bruttosozialproduktes Russlands wird heute in der Region Tjumen erwirtschaftet. Das Stadtbild ist, wie in vielen sibirischen Orten, eine Mischung aus alten Holz- bzw. Steinhäusern, sozialistischen Neubauten und modernster Architektur.

Ein neuer sonniger Tag ist angebrochen. Ich habe neun Stunden sehr gut geschlafen. Das Federn oder geringfügige Schaukeln des Waggons hält einem in tiefem Schlaf.
Heute fährt der Zug durch das Westsibirische Tiefland. Endlose Wälder, Wiesen und ab und zu kleine Dörfer mittendrin wechseln sich ab. Ich habe gleich wieder einige Schnappschüsse in die Kamera verbannt.

Zum Frühstück habe ich mir meinen mitgebrachten Lös-Kaffee mit Heißwasser aus dem Samowar aufgebrüht, beobachte die vorbeiziehende Landschaft, schmökere in meinem Transsib-Handbuch und genieße die Zeit. Der Zug rollt zeitweise lautlos dahin, dahinter steckt vermutlich hohes Schienen und Radwerks-Konstruktions-Know-how.

Um 10.47 Uhr fährt der Zug im kleinen Bahnhof von Isim ein. Es ist wieder möglich für ein paar Minuten auszusteigen und etwas einzukaufen. Viele Reisende nutzen diesen Stopp um sich die Beine etwas zu vertreten und Frischluft zu schnappen; so ist der Bahnsteig voll von Menschen. Hier trifft man keine Babuschkas an, ein kleiner Laden am Bahnsteig bietet Reiseproviant zu Einkauf an. Ich besorge mir frisches Brot. Die Temperatur im Außenbereich ist sehr warm. So sehnte ich schon wieder an die Klimatisierung im Zug. Seit Kirov sind keine Fahrgäste mehr aus- oder zugestiegen. So ist es wirklich ein Glück für mich, die Zugfahrt zu zweit in einem Viererabteil zu verbringen. Entspannung und Ausgleich pur!

Wie verbringe ich den Tag im Zug? Nach 24-Stunden Zugfahrt stellt sich bei mir bereits eine Struktur im Tagesablauf ein: Lange Schlafen, ein bis zwei Frühstückskaffees, Schmökern im Reisehandbuch, viel Photographieren, rechtzeitig die Akkus aufladen, die vorbeieilende Landschaft beobachten, das Mittagessen vorbereiten (Suppe, Hartkäse, Wurst, Gemüse), Blogs verfassen und ergänzen, Fotos selektieren, durch den langen Zug schlendern, Schach spielen, Unterhalten (bleibt eingeschränkt auf meinen russischen Kumpel im Abteil und die russische Familie im Nachbarabteil, alle anderen im Waggon sprechen nicht Englisch, so konzentriert sich die Unterhaltung auf Gesten und Blicke). Dazwischen immer entspannt aus dem Fenster schauen und die Landschaft beobachten. Und selbstverständlich in den Stationen Aussteigen, das Treiben am Bahnsteig beobachten und selbst eine Kleinigkeit kaufen. Die Zugfahrt stellt sich bisher als eine sehr angenehme Reise dar.

Jetzt ist Zeit zum Mittagessen, ich werde mir heute eine Chinesische Gemüsesuppe mit Nudeln aus dem von Wien mitgebrachten Proviant zubereiten. Den Speisewagen werde ich noch nicht aufsuchen, da ich meinen Eigenproviant zuerst einmal aufbrauchen werde. Immer wieder kommen auch Kellner vom Speisewagen mit Anboten (Eis, Getränke, Süßwaren, Palatschinken ec.) vorbei.
Im weiteren Streckenverlauf ist die Landschaft an vielen Stellen sehr stark von Birken geprägt. Wie hell erleuchtete Pfeiler ragen die Baumgruppen inmitten des Wiesen- und auch Sumpfgebietes hervor.

Etwas zu den "sanitären" Annehmlichkeiten" im Waggon: Das WC und die Waschecke bedürfen einer Gewöhnung, diese sind die schwächsten Teile im Zug. Es ist ratsam sein eigenes Toilettenpapier mitzunehmen (habe ich mit dabei), das bereitgestellte WC-Papier war nach zwei Tages aus. Zweimal täglich werden die Teppiche am Korridorgang und in den Abteilen gesaugt. Eine Dusche gibt es im mittleren Zugsteil, Insgesamt ist es relativ sauber. Ich habe es gut getan, eine Desinfektionflüssigkeit (für Handreinigung) und Reinigungstücher mitzunehmen.

Pünktlich erreicht der Zug um 14.59 Uhr (MOZ) die von Moskau 2.716 km entfernte Großstadt Omsk. In dieser Zeitzone ist die Uhr um eine weitere Stunde vorzustellen, also 3 Stunden Zeitdifferenz zu Moskau, und 5 Stunden zur MEZ in Wien. Aktuelle Ortszeit ist jetzt 17:59 Uhr.
INFO: Mit 1.170.000 Einwohnern ist Omsk die zweit größte Stadt Westsibiriens, sie wurde 1716 als Festung gegründet. Jetzt ist Omsk hauptsächlich eine Stadt des Militärs und der Verwaltung. Kohle-, Reifen- und Raumfahrtindustrie und das größte Kornsilo Sibiriens sorgen dafür, dass die Strecke Omsk-Novosibirsk die dichtest befahrene Güterverkehrsstrecke der Welt ist. Ein Hafen am Fluss Irtys ist die Verbindung in Richtung Kasachstan. Mit deutscher Technik wird hier das beste Bier Sibiriens, das "Sibirskaja Korona", gebraut.

Ein kurzer Aufenthalt, ein Gewitterregen hat das Herumgehen im Freien verkürzt.
Am Nebengleis ist der (Zug Nr.4) nach Peking eingetroffen. Er folgt seit Moskau stets einige Minuten hinter unserem Zug nach.Nach 19 Minuten rollt der Zug ab. Das Zugradio, mit mehreren Kanälen, spielt soeben Abba-Songs wie "Mama Mia" und andere Oldies. Die Radiobeschallung stammt von der Idee her noch aus Sowjetzeiten, nur heute kann man aus mehreren Programmen wählen, oder auch abschalten. (Ich kann mich noch an die Zugfahrt in Vietnam - vor zwei Jahren - erinnern, da waren die Lautsprecher am Korridorgang angebracht und voll aufgedreht!)
Die Sonne kommt wieder hervor, im das Bordradio spielt internationale und nationale Popmusik in russischer Sprache. Jetzt spielt's soeben "Ra-Ra-Rasputin"; habe zuvor von Rasputin, einem russischen Lebenskünstler, Wunderheiler, Hedonisten, verehrter Liebhaber und Freund der Zarenfamilie gelesen - eine schillernde russische Persönlichkeit.

Um 17:12 Uhr (MOZ) hält der Zug für nur zwei Minuten in Tatarsk.
Weiter rollt der Zug in der westsibirischen Tiefebene: Wiesen, Baum- und Sträuchergruppen, kleine Wälder, ab und zu Besiedelungen.

Im übernächsten Abteil habe ich mit einer russischen "Kleinfamilie" Bekanntschaft gemacht: Der Vater (ein Flugzeug-Avigation-Techniker im Rang eines Offiziers) war mit seiner 7-jährigen Tochter Sophiya (eine Plaudertasche!) auf Besuch bei seinem Bruder in Moskau und beide sind wieder zurück nach nHause (Nähe Irkutsk).. Er ist ein schlauer Fuchs: er hat einen Stromverteiler mit überauslangem Steckerkabel mitgebracht und bezieht nun Strom von einem der beiden Steckdosen am Korridorgang, das Kabel reicht bis in sein Abteil, wo er seinen Laptop und andere Geräte mit Strom versorgt. Ich kann bei ihm im Abteil meinen Netbook Akku und die Foto-Akkus in "Sicherheit" laden. Ein weiterer Reisender in deren Abteil ist auch Russe und Panzertechniker von Beruf. Wenn ich ihn richtig verstanden habe, war er zu Sowjetzeiten von Berlin bis in die Mongolei hinein im Einsatz.

Um 18:47 Uhr (MOZ) wird die Stadt Barabinsk erreicht; bekannt durch regen Fischhandel und Fischspezialitäten aus den Seenfanggebieten der umliegenden Region. Hier hat der Zug den längsten Aufenthalt und zwar 39 Minuten. Diese Zeit habe ich genutzt, um mich mit Proviant einzudecken: habe mir ein Wurstkranzerl gekauft, verschiedenen Räucherfisch, frische knackige Gurkerl und ein (versehentlich) alkoholfreies Bier.
Nachdem auch die Lokomotive gewechselt wurde geht die Fahrt weiter los. Bei der
Weiterfahrt haben wir dann Im Abteil gespeist. Der Fisch war traumhaft!

Der rasche Einbruch der Dunkelheit macht sich bemerkbar, ja, man nähert sich dem Osten.
Der Mobiltelefonkontakt war - wie ich bei den Mitreisenden beobachte und per SMS mit zu Hause selbst praktiziere, auf der bisher ganzen Strecke gewährleistet.

Um 22:43 Uhr (Moskauer Zeit) rollt der Zug in Novosibirsk ein, bereits 3.343 km weit von Moskau entfernt. Damit endet der westsibirische Abschnitt der Bahn. Am rechten Ufer der Ob beginnt der mittelsibirische Abschnitt der Bahn. Die aktuelle Ortszeit ist 2:43 Uhr am nächsten Tag. Die aktuelle Zeit in Wien (MEZ) beträgt 20:43 Uhr.
Es ist ein Aufenthalt von 18 Minuten vorgesehen. Diesen nutze ich, um mir das imposante Bahnhofsgebäude anzusehen. Es ist das größte Bahnhofsgebäude entlang der Transsibirischen Eisenbahn.

INFO: Novosibirsk heißt "neue Stadt" in Sibirien. Das stimmt auch ganz genau, denn die Stadt wurde erst im Jahre 1893 durch den Bau der Transsibirischen Eisenbahn gegründet. Man suchte nach einer geeigneten Stelle, um den Ob zu überqueren und man fand eine schmale Fluss-Stelle mit steinigem Untergrund, das heutige Novosibirsk. Es schloss sich eine turbulente Entwicklung an. Da der Ort an einem günstigen Verkehrsknoten lag, siedelten sich schnell Banken, Industrie und Handel an. In den folgenden 10 Jahren verdreifachte sich die Einwohnerzahl. Mitte der Sechzigerjahre wurde die Millionengrenze überschritten. Novosibirsk benötigte dazu 15 Jahre weniger als Chicago in Amerika. Die 1,45 Millionen Einwohner, das bedeutet Novosibirsk ist die größte Stadt Westsibiriens, leben in einem vom Sozialismus geprägten Stadtbild. Breite Straßen führen durch praktische, aber nicht unbedingt ansehnliche Gebäudekomplexe. Nach wie vor ist Novosibirsk ein Handels-, Finanz- und Messezentrum. Novosibirsk ist die Hauptstadt Sibiriens. Es ist die einzige Stadt in Sibirien mit einer in Russland Metro ((>M< genannten Untergrundbahn.

Während der Zug Novosibirsk verlässt begebe mich zur Nachtruhe, mein russischer Mitreisender schläft bereits.

Östlich von Novosibirsk beginnt das Landschaftsgebiet der Taiga.
Die sibirische Taiga ist der weltweit größte Wald mit einem Viertel aller Holzreserven der Erde. "Taiga" heißt vor allem Nadelwald: Kiefer, Fichte und Tanne dominieren in Westsibirien, die Lärche in Ostsibirien. Die Birke als Laubbaum macht ein Fünftel der westsibirischen Taiga aus. In Ostsibirien hat die Birke einen weitaus geringeren Anteil. Von Norden nach Süden erstreckt sich die Taiga etwa über 1.300 km, im Norden begrenzt von der Tundra, im Süden von der Steppe.

Während ich schlafe hält der Zug um 2:04 (MOZ) mit einem 2-Mnutenstopp in Taiga.
INFO: Mitten in der Taiga entstand mit dem Bau der Eisenbahn dieser Ort, der heute 27.000 EW zählt.

Um 4:16 Uhr (MOZ) wird ein Stopp (25 Minuten) in Mariinsk eingelegt. Die Stadt ist bekannt für Wodka- und Likör-Produktion.

5. Tag/27.07./Mo Transsibirische Eisenbahn

Während des 2-Minutenstop in Bogotol erwache ich um 6:30 Uhr am Morgen. Ich hatte sehr gut geschlafen. Alexander (der russische Mitreisende im Abteil) löffelt gerade eine Suppe zum Frühstück, der Duft geht mir (unangenehmerweise) durch die Nase. Er sehnt sich schon nach Hause und beginnt zu telefonieren. Für mich ist es auch OK schon etwas früher aufzustehen, damit ich mich auf die Zeitumstellung anpasse.

Zum Tagesritual zählt nun Morgentoilette, Frühstückskaffe machen und die Reisedokumentation. Eine angenehme Hintergrundmusik vermittelt eine angenehme Stimmung. Es ist wieder ein sonniger Tag, die Landschaft durch eine Ebene mit Wiesen und Baumgruppen/Wälder geprägt.

Auf meinem Handy triff eine SMS vom regionalen Provider mit der Mitteilung ein, dass ein weiterer Zeitzonensprung stattgefunden hat: Die Uhr ist um eine weitere Stunde vorzustellen - MOZ plus 4 Stunden. Das Datum und die Zeit wurden am Handy automatisch angepasst. Somit habe ich jetzt zwei Uhrzeiten präsent, auf dem Handy die jeweilige Ortszeit, auf meiner Armbanduhr die Moskauer Zeit, nach der sich in ganz Russland die Bahnankunfts- und Bahnabfahrtszeiten angegeben werden (alle Uhren in den Bahnhöfen gehen nach der MOZ!)

Um 7:35 Uhr hält der Zug für 4-Minuten in Ashinsk.

Jetzt werde ich mit der Dokumentation wieder etwas pausieren und mir eine Suppe machen. Nach der Ortszeit ist es ja auch schon 12:30 Uhr - Mittagszeit. Mahlzeit!

Am "Vormittag" erreicht die Transsib um 10:32 Uhr (MOZ) Krasnojarsk, bereits 4.104 km von Moskau entfernt. Die Stadt ist einer der wichtigsten Standorte an der Transsibirischen Eisenbahn. Während des 20-Minutenaufenthaltes sehe ich mir den im Jahre 2004 rekonstruierte Bahnhof an. Ich Eile auf den Vorplatz und mache einige Schnappschüsse, ein imposantes Bauwerk.
INFO: Krasnojarsk liegt beidseits der Ufer des hier 2 km breiten Fluss Jenissei. Sie besitzt ein eindrucksvolles Panorama. Weiche Hügel schließen sich an ein angenehmes Stadtbild. Bevor Lenin nach Schuschenskoje, 300 km südlich, verbannt wurde, wartete er hier, zwei Monate lang, auf diese Entscheidung. Industrie, darunter die größte Aluminiumhütte der Welt, ist für die schwierige Umweltsituation der Stadt verantwortlich. Je nach Windrichtung werden die Abgase dieser schweren Industrie genau in die Stadt getrieben. Da Krasnojarsk mitten in Russland liegt, keine russische Großstadt hat weitere Strecken zu den Landesgrenzen aller Himmelsrichtungen als Krasnojarsk, wurde die Stadt militärisch genutzt. Nuklearwirtschaft und geheime Zentren wurden hier angesiedelt. Zu Sowjetzeiten war es eine "geschlossene Stadt", d.h. für Ausländer tabu. Heute leben knapp eine Million Menschen in Krasnojarsk und damit ist es die drittgrößte Stadt Sibiriens.

Ein Wahrzeichen der Stadt ist die auch vom 10-Rubel-Schein her bekannte kleine Paraskeva-Kapelle, die überallher zu sehen ist. Auch di auf der Banknote abgebildete Brücke und der Stauwerksdamm zählen zu den Wahrzeichen der Stadt. Die Krasnojarsken sind selbstverständlich sehr stolz auf die Abbildung derer Wahrzeichen auf einer der häufigsten Banknoten. Wie ich lese, gedenkt man die 10-Rubel-Banknote durch eine Münze zu ersetzen!

Mein russischer Abteilpartner ist an seinem Ziel angelangt und verlässt den Zug. Ich helfe ihm beim Ausladen seiner Einkäufe in Moskau, u.a zwei Stühle von IKEA.
Für mich warten noch etwa 1.000 km Reisevergnügen bis Irkutsk. Eine junge Frau hat in der Zwischenzeit im Abteil Platz genommen, Natascha aus Krasnojarsk. Sie spricht sehr gebrochen Englisch. Sie wird bis übernächsten Station fahren, sie ist auf dem Weg von zu Hause zu ihrem Arbeitsplatz.

Ab Krasnojarsk wird die Landschaft wieder viel abwechslungsreicher, auch hügeliger und sehr lieblich. Es siehst landschaftlich wie im Weinviertel aus. Der Zug fährt an vielen kleinen Ortschaften vorbei, mit kleinen Holzhäusern. Es sind auch viele hübsche Sommerhäuser darunter. Die Gegend hier ist in der Landschaftsformation ähnlich wie die Gegend um Wien, der Wienerwald und Bisamberg.

Ich habe meinen zweiten geräucherten Fisch (von gestern) verspeist: Fisch, Brot und Gurkerl, Kaffe danach.

Der Zug macht jetzt häufiger Stopps. Die Zugtrasse führt teilweise leicht bergauf und wieder bergab und an Dörfern vorbei.

Ich gehe in den Speisewagen auf ein kaltes Bier! Bis dann!

Der Speisewagen ist kitschig, aber sauber und fast leer (am späten Nachmittag). Habe ein kühles Bier genossen. Die /wenigen) Gäste im Speisewagen waren zur Gänze Touristen, eine Gruppe jüngerer Franzosen und zwei andere in englischer Konversation. Der Speisewagen ist der siebente Waggon.

Im sechsten Waggon reist eine Touristengruppe. Junge Männer mit Konversation in Spanisch sind auch schon einmal durch den Waggon gezogen. Insgesamt scheinen nicht viele Touristen im zu reisen. Diese konzentrieren sich ausschließlich auf die vorderen Waggone, in den hinteren Großraumwaggons sind fast ausschließlich Russen unterwegs.

Die nächsten Stopps:

13:26 Uhr: 2-Minutenstop in Zaozernyj
14:40 Uhr: 2-Minutenstop in Kansk-Eniseyjski

Ab jetzt habe ich ein Vierer-Abteil - wie sich in weiterer Folge bis Irkutsk. Welch ein Glück, noch mehr Platz als im 1.-Klasse-Abteil! Zur Unterhaltung braucht man nur auf den Gang hinaus gehen oder durch den Zug flanieren.

15:15 Uhr: 21-Minutenstop in Ilanskaya (18.000 EW), Zeit zum Aussteigen. Auf dem Bahnsteig tummeln sich Händlerinnen. Beim (sehr langsamen) Einrollen des Zuges legen sie schnell ihre Waren vor den Ausstiegstüren der Waggone auf dem Bahnsteig auf. Getränke, Gemüse, frisch(?) zubereitete Speisen u.a. mehr. Ich kaufe mir wieder knackige Gurkerl //die haben mir es angetan!) und Sonnenblumenkerne. Wie der nächste Zug kommt packen sie ihre Sachen und eilen zum nächsten Bahnsteig und machen das gleiche Prozedere beim nächsten einrollenden Zug.

17:49 Uhr 19-Minutenstopp in Tajset, Zeit zum Aussteigen und Einkaufen zum Abendessen. Ich besorge mir Bier für das Abendessen", mache ein paar Fotos. (Der Bahnhof soll ein typischer Holzbahnhof aus der Zeit des Baus der Transsib sein. Habe mich aber nicht so weit in das Bahnhofsgebäude hinein gewagt, damit ich nicht die Abfahrt des Zuges verpasse!).
Hier hat man die Hälfte der Strecke bis Vladivostok erricht. In Tajset beginnt die Abzweigung des nördlich verlaufenden Abschnitts der Transsib, der Baikal-Amur Magistrate (BAM). Die nach Süden ausgehende Abzweigung nach Abakan hat hier ihren Ausgangspunkt.

19:17 Uhr (MOZ): 2-Minutenstopp in Alzamny
Die letzte Nacht im Zug. Ich werde jetzt schlafen gehen.

Die kommenden Stopps werde ich verschlafen::
20:43 Uhr: 13-Mi.-Stopp in Niznoylinjk
22:30 Uhr: 2-Min.-Stopp in Tulyn
23:32 Uhr: 2-Min.-Stopp in Kujtyn
0:26 Uhr: 30-Min.-Stopp in Zima
Fünf weitere Kurzstopps (2 Min.) bis Irkutsk.

Eine weitere Zeitgrenze wird überschritten. Die Uhr wird abermals um eine Stunde vorgestellt - MOZ plus 5 Stunden, d.h. die aktuelle Ankunftszeit ist 9:48 Uhr am Vormittag. Die aktuelle Zeitdifferenz zu Wien (MEZ) umfasst 7 Stunden, d.h. in Wien ist es jetzt 2:43 Uhr in der Nacht. Auf den weiteren Reiseabschnitten in Russland, in der Mongolei und in China bleibt die Zeitdifferenz mit 7 Stunden zur MEZ gleich!

Noch kurz zur "Sicherheit in der Transsib": In jedem Waggon fahren 2 Schaffnerinnen mit, die abwechselnd rund um die Uhr Aufsicht/Dienst haben. Im ganzen Zug gibt es noch die Zugchefin und zwei Wachebeamte vom Staatsdienst.

06. Tag/28.07.2009/Di Ankunft in Irkutsk

Ich bin um etwa 2 Uhr (MOZ) aufgewacht. Die aufgehende Sonne hat mich geweckt. Es ist ja auch schon 7 Uhr in der Früh (Ortszeit), Ein bisschen schlummerte ich zwischendurch noch, doch ha mich die Erwartung des nächsten Reiseabschnitts wach gehalten.
Noch ein Kaffeefrühstück und Zusammenpacken. Ich bin schon gespannt!

Pünktlich um 4:48 Uhr (Moskauer Zeit) / 9:48 Uhr Ortszeit wird Irkutsk, die Hauptstadt Ostsibiriens - nach 5.185 km Bahnfahrt von Moskau aus - erreicht.

© Roland Bässler, 2009
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Mit der Transsibirischen Eisenbahn geht es zuerst von Moskau (RUSSLAND) nach Irkutsk (Sibirien), dann mit Bahn, Schiff und Bus eine Woche "rund" um und auf dem Baikalsee, bis nach Ulan Ude. Die Reise führt weiter mit der Transmongolischen Eisenbahn durch die Wüste Gobi bis Ulan Bator (MONGOLEI) und dann nach Peking (Beijing)(CHINA). Ein Abstecher nach Nordchina, nach Harbin und Yabuli, wird geplant.
Details:
Aufbruch: Juli 2009
Dauer: circa 5 Wochen
Heimkehr: August 2009
Reiseziele: Russland / Russische Föderation
Mongolei
China
Der Autor
 
Roland Bässler berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.